Speeddating mit den Religionen der Welt: „Ist Allah älter als der Koran?“

Schüler dürfen bei den Projekttagen im Johannesstift fünf Vertretern der Weltreligionen ihre Fragen stellen. Das Projekt soll zur Verständigung beitragen.

Sabine, Eleni und Şeyma sind neugierig auf die Weltreligionen.
Sabine, Eleni und Şeyma sind neugierig auf die Weltreligionen.Markus Wächter/Berliner Zeitung

Drei Mädchen sitzen aufrecht auf runden Meditationskissen und atmen ruhig. Eine blonde Frau zündet ein Räucherstäbchen an und schwingt einen faustgroßen Schlägel auf die Klangschale vor ihr auf dem Tisch. Eines der Mädchen hält die Augen geschlossen, die anderen beiden schauen einige Sekunden lang gerade aus. Dann schielen sie zu der Frau. Die lächelt und fragt: „Na, wie fühlt ihr euch jetzt?“ Die elfjährige Şeyma ruft: „Entspannt!“ Dann springen sie auf und gehen zur nächsten Religion.

Insgesamt fünf Weltreligionen müssen die Jugendlichen heute kennenlernen. Dafür haben sie auf einem Zettel Fragen vorbereitet und stellen diese an den fünf verschiedenen Tischen. Eben waren sie bei Friederike von Born Vollois, die den Schülerinnen den Buddhismus näher erklärt hat. An den vier anderen Tischen geht es um Hinduismus, Judentum, Islam und Christentum.

„Warum dürfen Muslime kein Schwein essen?“

Die Kampagne „Kinder beflügeln“ des Evangelischen Johannesstift und der Johannesstift Diakonie fördert verschiedene Bildungsprojekte. Eines davon ist die „Projektwoche Weltreligionen“: Während einer Schulwoche haben die Klassen dabei die Gelegenheit, fünf Religionen besser kennenzulernen. Am Dienstag, dem zweiten Projekttag, steht das sogenannte Speeddating mit den Vertreterinnen und Vertretern der Religionen an. Die 15 Schüler der Klasse 5a der Humboldthain-Grundschule im Wedding bilden in einem Gebäude auf dem Gelände des Johannesstift in Spandau einen Kreis zur Vorstellungsrunde. Danach teilen sie sich in Dreiergruppen auf und setzen sich jeweils eine Viertelstunde lang an einen der fünf Tische.

Chandan Kumar Sah und Kapil Lamichhane machen gerne ein paar Witze zwischendurch.
Chandan Kumar Sah und Kapil Lamichhane machen gerne ein paar Witze zwischendurch.Markus Wächter/Berliner Zeitung

Momo, Jusuf und Seyid sind gerade am Islamtisch. Die drei sind muslimisch erzogen und wissen schon viel über den Koran. Trotzdem blicken sie interessiert zu Amal Benchekroun, die sich zu ihnen beugt und nach der Bedeutung ihrer Namen fragt. Momo weiß nur, dass der Prophet so hieß wie er. „Mohamed, das beschreibt die Eigenschaft, von innen heraus gut zu sein“, die Frau sieht streng aus, aber klingt herzlich. Seyid klopft seinem Freund anerkennend auf die Schulter.

„Warum dürfen Muslime kein Schwein essen?“, platzt Jusuf mit seiner ersten Frage heraus. „Das habe ich mich auch schon gefragt“, sagt Benchekroun. Denn in der Grundschule, in der sie gearbeitet habe, sei das oft Thema gewesen. Deshalb fragte sie einen Imam, einen Gelehrten, um Rat. „Der sagte, das sei seine Art und Weise, Allah seine Liebe zu zeigen“, sagt Benchekroun. „Aber das bedeute nicht, dass die Menschen, die Schwein essen, schlecht sind.“ Wichtig sei die persönliche Beziehung zu Gott.

Feuereifer und Wissensdurst

Die Eltern der Kinder kommen aus verschiedenen Ländern, Panama, Rumänien, Libanon und Kosovo sind nur einige Beispiele, die ihre Lehrerin aufzählt. Eyke Eden beschreibt ihre Klasse als „wissbegierig“, aber auch „quirlig“. Die Projektwoche passe gerade eigentlich nicht in ihr Unterrichtskonzept, sei aber wichtig für gegenseitiges Verständnis. Eden würde einen gemeinsamen Ethikunterricht für alle befürworten, um Probleme und Grüppchenbildung zu vermeiden. Die bemerke sie an einzelnen „Abfälligkeiten“ der Schüler, Blicken und Gesten. „Das muss gemacht werden“, sagt Eden. „Und die Kinder sind mit Feuereifer dabei.“

Die Luft in dem hallenartigen Raum vibriert förmlich, so eifrig saugen die Kinder das neue Wissen auf. Sie hören aufmerksam zu und warten begierig, bis sie die nächste Frage stellen dürfen. Dabei interessiert sie der Leidensweg von Jesus genauso wie die Elefantengestalt von Shiva und das Nirvana nicht weniger als der Himmel. Auf den Tischen stehen die Symbole der Religionen, die Chanukkia, der achtarmige Leuchter auf dem Tisch des Judentums, ein Kreuz auf dem christlichen Tisch und der Gott Shiva auf dem hinduistischen Tisch. „Was uns verbindet“, sei das Motto, sagt eine der Workshopleiterinnen. Darauf wollen sie sich in dieser Woche gemeinsam konzentrieren.

Die Kinder verwechseln bei der Fragerunde tatsächlich die hebräische Schrift mit der arabischen. Das liege daran, dass die Sprachen verwandt sind, erklärt einer der Workshopleiter. „Wie alt ist Allah?“, über diese Frage muss Benchekroun ein bisschen lachen und versichert dem Jungen dann schnell, das sei eine gute Frage, man könne nur sagen, wie alt der Koran ungefähr sei. „Allah ist aber älter“, sagt sein Freund und schlussfolgert, Allah sei derselbe Gott wie der christliche und der jüdische Gott.