Digitale Nachhilfe: Wie ein soziales Start-up älteren Menschen ihr Handy erklärt
16 Millionen Menschen in Deutschland sind digital abgehängt, gerade im Lockdown. Eine 30-jährige Berlinerin will ihnen Nachhilfe geben und sucht Unterstützer.

Es begann im ersten Lockdown 2020. „Erst da lernte ich meine 90-jährige Nachbarin Lydia kennen“, erinnert sich Joya Silva. Die 30-jährige Berlinerin half der Seniorin, ein Smartphone zu bedienen. „Für unsere Generation war es in dieser Zeit weiterhin leicht möglich, digital in Kontakt zu bleiben, aber was ist mit den 20 Millionen Menschen in Deutschland, die über 60 Jahre sind?“ Da sie fand, dass viele aus dieser Gruppe von digitaler Nachhilfe profitieren könnten, gründete Silva den „Silber Salon“.
Das soziale Start-up in Moabit will älteren Leuten Zugang zur digitalen Welt und damit Selbstbestimmung ermöglichen. Es bietet Handy- und Internet-Trainings für Einsteiger und kostenlose Online-Stammtische als Brücke von Jung zu Alt an. „Es sprach sich in der Nachbarschaft herum, aus Lydia wurden erst zehn und nach einem halben Jahr Hunderte Ältere“, berichtet die Nachwuchsunternehmerin.
Angesichts eines erneut drohenden Lockdowns will Silva Älteren im größeren Maßstab gegen die Einsamkeit helfen. Per Facebook habe ihr ein 80-Jähriger geschrieben, der drei Monate mit niemandem gesprochen habe. „Mir wurde klar, ich muss diese Menschen digital verbinden“, sagt Silva, die zuvor unter anderem als Assistentin der Gleichstellungsbeauftragten im Bundesfinanzministerium arbeitete. Die Gründerin bezeichnet sich selbst nicht wie andere Geschäftsführer als Chief Executive Officer, sie nennt sich Chief Empathy Officer.
„Wie wäre dein Leben ohne Smartphone?“
Auf Empathie und Geduld kommt es auch an bei ihrer Tätigkeit. Mittlerweile wird Silva von mehreren studentischen Hilfskräften unterstützt. Und ein Co-Working-Space überließ ihr einen Büroplatz in der Oldenburger Straße. 19 Euro kostet eine Anleitung, 50 Euro eine Einzelstunde WhatsApp, Zoom oder Corona-Warn-App, für viele ein hoher Preis. Da Silva aber noch keinen Kostenträger gefunden hat, bestreitet sie bisher alles aus eigener Tasche.
„Doch wie viel können wir erreichen, wenn wir Förderer, Multiplikatoren und weitere Unterstützer gewinnen“, sagt sie in einen der Videos auf ihrer Webseite www.silber-salon.de. Deshalb sammelt sie ab diesem Sonntag Spenden mit einer Crowdfunding-Kampagne auf www.startnext.com/silbersalon. „Wie wäre dein Leben ohne Smartphone? Keine Nachrichten, keine Suchmaschine, keine Apps“, heißt es dort. „Das ist für 16 Millionen Menschen in Deutschland Realität.“ Zumindest für einige soll sich das demnächst ändern.