LIVE-8-KONZERT IN BERLIN - Es war wie ein Volksfest im Tiergarten. Trotz langer Umbaupausen blieben die meisten bis nach Mitternacht.: Jodeln gegen Armut

Immer wieder wurden die schrecklichen Zahlen genannt. Als das Live-8-Konzert am Sonnabend vier Stunden alt war und die Toten Hosen, Wir sind Helden und Söhne Mannheims schon ihren Auftritt hinter sich hatten, zog Claudia Schiffer eine erste Bilanz. "Seit Beginn des Konzerts sind in Afrika schon etwa 5 000 Kinder gestorben", rief das blonde Model den Zuschauern auf der Straße des 17. Juni zu. Am Ende des elfstündigen Konzerts waren es etwa 13 200. Claudia Schiffer sagte, die Politiker müssten jetzt helfen. "Herr Schröder, wir zählen auf Sie!"Ansonsten gab es von der Bühne über Afrika wenig Konkretes: Moderator Michael Mittermeier schlug einen Putsch vor. "Wir stürzen Rot-Grün und die Opposition!", Campino von den Toten Hosen schimpfte auf Wowereit und stellte klar, dass Live 8 kein Rockkonzert sei, sondern eine Demonstration. Sänger Sasha sagte, er sei stolz, dabei zu sein, Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß sprach von einem "berauschenden Gefühl" und dass sie "tierisch nervös" gewesen sei."Eine wirkliche Diskussion über Veränderung in der Welt gibt es hier nicht", sagte Nina Frank. Die Frau aus Kreuzberg verkaufte während des Konzerts weiße und rote Armbänder aus Gummi. "Gemeinsam für Afrika" stand darauf. Ein Zeichen der Solidarität. Für zwei Euro. Gleichzeitig verteilte Nina Frank Prospekte an die Besucher, in denen sie über ein Aids-Projekt in Afrika informierte. "Aber so richtig interessiert sich keiner dafür", sagte sie.Offenbar waren viele gekommen, um ihre Lieblingsbands zu sehen. Umsonst und draußen. Bei Bier, Bratwurst und Brezeln. Auf den Wiesen und unter Bäumen lagen tausende Menschen in der Sonne, mit Kühltaschen und Picknickdecken. "Das Elend in Afrika finden wir Scheiße", sagte Daniela Dolch aus Biesdorf. Mehr wollte sie dazu nicht sagen. Die 24-Jährige war mit Freunden nach Tiergarten gefahren. Um Herbert Grönemeyer zu sehen.Doch der ließ sich Zeit. Der Konzertfahrplan war völlig durcheinander geraten. Zwar hatten die Veranstalter schon am frühen Morgen mit dem Soundcheck begonnen und jedes Instrument der über 20 Bands eingestellt, doch die Musiker hatten sich über die Bühnen-Akustik beschwert.Die langen Umbaupausen wurden mit Live-Übertragungen aus den anderen Städten überbrückt. Vor dem Auftritt von Brian Wilson lief Travis aus London, vor Sasha spielte Annie Lennox in London. Als Robbie Williams im Hyde Park die Zuschauer in exzentrische Freudenausbrüche versetzte, übertrug sich diese Stimmung auch auf das Berliner Publikum.Denn was sich wirklich auf der Bühne abspielte, konnten nur die wenigsten sehen. Denn die Bühne war einfach zu klein. "Das Maifeld am Olympiastadion wäre für dieses Konzert besser geeignet gewesen", sagte der Produktionsmanager Klaus Kunzendorf. Dort hätte eine 60 Meter lange Bühne aufgebaut werden können, am Großen Stern waren es nur 24 Meter.Um Mitternacht betrat Herbert Grönemeyer die Bühne. Er forderte Gerhard Schröder auf, sich in Edinburgh für die Entschuldung der Länder Afrikas einzusetzen. "Gerhard, auf den letzten Metern, gib alles!", rief Grönemeyer und sang dann "Mensch" und "Bochum". Zum Schluss engagierte sich Otto Waalkes für Afrika. Er jodelte und sang ein Gute-Nacht-Lied. Da war Grönemeyer schon längst abgefahren. Im Konvoi schwarzer Limousinen.------------------------------Fotos (3) :Schön laut: Die Punkband "Die Toten Hosen" mit Sänger Campino (r.) gaben den Auftakt zum elfstündigen Live-8-Konzert im Tiergarten.Schöne Schrift: Model und Afrika-Botschafterin Claudia Schiffer engagierte sich mit ihrer Unterschrift für die Länder Afrikas.Schön eng: Menschenmassen vor der Bühne auf der Straße des 17. Juni.