Mannheimer Adler und Berlin Capitals bezichtigen sich gegenseitig der groben Unsportlichkeit: Die Taktik des Nasenbruchs
MANNHEIM, 28. März. "Am Freitag wollen wir versuchen, wieder Eishockey zu spielen." Dieser von Bill Stewart geäußerte Wunsch wird wohl ein frommer bleiben. Zu viel ist in den bisherigen drei Viertelfinal-Play-offs zwischen den Adler Mannheim und den Berlin Capitals passiert, als dass es am Freitag in der Jafféstraße ein normales Eishockey-Spiel geben könnte.Stewart selbst hat zu dieser Entwicklung maßgeblich beigetragen. Der 43-jährige Kanadier, in 274 NHL-Spielen und als Coach der New York Islanders kampferprobt, setzte zumindest für das deutsche Eishockey eine negative Bestmarke. Seine Handgreiflichkeiten gegen den Berliner Kollegen Pavel Gross sind beispiellos und beschäftigen seit Mittwoch nicht nur die DEL-Ligenleitung. "Wir werden eine zivilrechtliche Klage gegen Herrn Stewart einleiten", teilte Caps-Pressesprecher Hans Peter Harbig mit. "Pavel Gross hat durch die Schläge eine Platzwunde am Kopf erlitten."Verhandlung am DonnerstagVon der DEL-Ligenleitung fordern die Capitals zudem eine lebenslange Sperre und ein generelles Berufsverbot für Stewart. Über das tatsächliche Strafmaß befindet die DEL-Disziplinarkommission unter Leitung von Geschäftsführer Gernot Tripcke. "Wir sammeln derzeit das Material, holen Stellungnahmen ein und sehen uns auch das Video an", so Tripcke zur "Berliner Zeitung". "Wir werden am Donnerstag beraten und eine Entscheidung fällen zu allen Dingen: Über die Vorfälle am Sonntag in Berlin, die von beiden Klubs vorgebrachten Klagen gegen die Spieler Huusko, Corriveau und Jomphe sowie über die Ereignisse in Mannheim."Besonderes Gewicht bei der Strafzumessung erhält der Bericht des offiziellen DEL-Beobachters Fritz Presl. Dieser, ein ehemaliger Schiedsrichter, gestand, in 26-jähriger Tätigkeit noch nie Derartiges erlebt zu haben. "Nach der ersten Drittelsirene hat der Mannheimer Trainer seine Spielerbank verlassen und sich in den Bereich der Berliner begeben", lautet seine vornehme Umschreibung. "Dort hat er wild gestikuliert und bekam von den Berlinern ordentlich eins auf die Nase. Er blutete dann auch gleich."Etwas dramatischer war es schon. Als sich alle Spieler mit Ausnahme dreier Torhüter zur Massenschlägerei versammelten, raste Stewart wie von der Tarantel gestochen zu Gross, schlug wild um und konnte nur von mehreren Mannheimer und Berliner Offiziellen inklusive den rund 105 Kilo Lebendgewicht von Sportdirektor Lorenz Funk gestoppt werden. Und von einer rechten Geraden Gross , die eine gebrochene Nase und ein Veilchen unter Stewarts linkem Auge hinterließ. "Ich lass mich doch nicht von dem verprügeln", bemerkte der Punktsieger süffisant und schob hinterher: "In drei Wochen Trainerarbeit habe ich nun fast alles erlebt."Pendant Karel Slanina fand für Mannheims Coach vernichtende Worte: "Das war unter Niveau. Der soll irgendwo hingehen und erst mal Eishockey lernen." Die Szene warf natürlich die Frage auf, warum Stewart dorthin stürmte, wo er gar nicht hingehört. Der Kanadier selbst gab auf der Pressekonferenz im überfüllten Vip-Raum keine konkrete Antwort. "Ich bin nicht zufrieden mit illegaler Taktik und Stichen mit dem Stock", fügte er seinem Lob für ein "Spiel voller Energie, voller Emotionen, Härte und Einsatz" an. Mannheimer Journalistenkollegen gegenüber begründete er seinen Ausraster damit, von der Berliner Bank seien Anordnungen gekommen, seine fünf wichtigsten Spieler auszuschalten. "Kein Wort wahr", beteuert Karel Slanina.Die Massenschlägerei auf dem Eis sah Beobachter Presl als nicht so gravierend an. "Das Drittel war schon beendet, deshalb greift die Regel Verlassen der Spielerbank nicht." Den Initiatoren der Prügelei, Mannheims Mike Stevens und Cap-Stürmer Iain Fraser, ist dank ihrer Matchstrafe eine Sperre sicher. Presl rief in der ersten Drittelpause den die Fans aufpeitschenden Stadionsprecher zur Ordnung. Die Trainer bzw. Sportdirektoren beider Teams ermahnte er dringend, die Partie anständig über die Bühne zu bringen. Mit einigem Erfolg, denn die Strafminutenflut ging zurück, wenn auch weiter viel Gift im Spiel war. Die allseits geäußerte Kritik an Schiedsrichter Petr Chvatal mochte Preisl nicht teilen: "Er hat korrekt gepfiffen. Es war schwer für ihn, denn das Spiel wurde unheimlich hart angegangen von den Berlinern gegen die technisch überlegenen Mannheimer." So kann man es auch sehen, denn Leute wie Fraser, Corriveau oder Dandenault sind gewiss keine Kinder von Traurigkeit. Die Berliner monierten auch weniger die Strafen denn den Treffer zum 4:3 kurz vor Schluss. "Das war ganz klar hoher Stock", beteuerte der daneben stehende Yvon Corriveau. Chvatal, der einzige Profi-Schiedsrichter der DEL, soll auch am Freitag beim vierten Spiel in Berlin amtieren. Er kann sich schon mal auf ein nicht normales Eishockey-Match einstellen.Meister München im Halbfinale // Titelverteidiger München Barons hat als erstes Team das Halbfinale erreicht. Die Münchner gewannen auch das dritte Spiel gegen Oberhausen, am Mittwoch siegten sie 4:2. In der Runde der letzten Vier treffen die Barons ab kommenden Dienstag wahrscheinlich auf den Sieger der Begegnung zwischen den Kassel Huskies und Nürnberg (Stand: 2:1).Für die Überraschung in den Viertelfinal-Play-offs sorgten die Hannover Scorpions, Sechster nach der Vorrunde. In Köln gewannen sie zum dritten Mal gegen die Haie und eliminierten damit den Tabellenzweiten aus dem Wettbewerb. Verabschiedet wurde der Kölner Torwart Peppi Heiß, der nach 958 Bundesligaspielen in 21 Jahren seine Karriere beendet.ONLINESPORT Immer im Kampfgetümmel zu sichten: Capitals-Stürmer Yvon Corriveau (Nr. 51).