Marius Babias ist kein Vereinsmeier

Gerätselt wurde mindestens ein halbes Jahr lang. Namen fielen viele, wer denn nun ab 2008 der Chef des Neuen Berliner Kunstvereins (NBK) werden würde, dann, wenn Alexander Tolnay, engagierter Freund der Künstler und gebürtiger Ungar, nach 13 Jahren in den Ruhestand geht. Jetzt ist es entschieden: Der Neue ab Januar 2008 heißt Marius Babias, ist 45 Jahre alt, gebürtiger Rumäne - er verließ das Land mit zwölf - und ein Mann direkt aus dem Epizentrum des aktuellen Kunstgeschehens. Als Kritiker.Dass Babias seit einigen Jahren auch internationale Ausstellungen kuratiert und dabei immer substanzielle Positionen bezieht und ausstellt, ist seinem Kritikerstatus bislang nie übelgenommen worden. Längst hat sich das Profil des Kritikers von heute geändert, auch hier ist Crossover der Normalfall: 2005 war Babias Kommissar des Rumänischen Pavillons auf der Biennale Venedig und verantwortete zuletzt die Ausstellung "Das Neue Europa" in Wien. Babias war auch künstlerischer Co-Direktor der Kokerei Zollverein Essen und unterrichtet an der Universität der Künste in Berlin.Natürlich gibt es jetzt Leute, die lästern, nun wechsele Babias die Seite, von der freien Kritik zur festen Institution. Denn eine Institution ist der NBK; er wurde 1969 im damaligen West-Berlin als Initiative zur Förderung der Gegenwartskunst gegründet - der Berliner wie zunehmend der internationalen Positionen in Malerei, Skulptur, Fotografie und Videokunst. Und dass nacheinander zwei Direktoren mit osteuropäischer Herkunft an der Spitze des eingetragenen Vereins agieren konnten und können, ist nicht zuletzt ein Bekenntnis des NBK, die Grenzen der Förderung und der Kunstvermittlung weit zu stecken.Babias ist - über Berlin hinaus - als entschiedener, bisweilen scharfer, auf jeden Fall sehr genauer und kunstpolitisch klarer Kritiker bekannt und geschätzt - mit manchmal unbequemer und kaum mainstreamkompatibler Meinung. So nannte er von Anfang an das Berliner Museum für Gegenwart, den Hamburger Bahnhof, ein "Erich-Marx-Mausoleum", weil ein einzelner privater Sammler so sehr das Museumsprofil bestimmen durfte. Und er geißelte die Entscheidung der Staatlichen Museen für die Flick-Sammlung. Babias schrieb ein Buch über die Berliner Kunstszene, aber die erfolgreichsten Szenegalerien, etwa aus der Auguststraße, kommen darin nicht vor, weil ihm alles widerstrebt, was künstlich überhöht wird. Die ganze Welt beneidet Berlin um seine vitale Kunstszene; Babias dagegen beschreibt die Entwicklung seit 1989 eher als "eine Geschichte der verlorenen Schlachten." Als der letzte Fahnenträger der Off-Kultur versteht er sich nicht, aber er will verstehen, was sich verändert hat.Sein Kerninteresse, sagt er, gelte dem Selbstbild, der Image- und Lifestyle-Produktion, die Berlin generiere. Dafür leisteten Galerien wichtige Arbeit. Andererseits hätten sie einen problematischen Prozess begünstigt: die Umwandlung von Galerien in Galerie-Boutiquen. Kunstwerke würden immer mehr wie Objekte der Luxusindustrie ausgestellt, Berliner Galerien hätten da an vorderster Stelle mitgewirkt; Jetset, Partyleben und all das seien dominante Aspekte des Kulturlebens geworden. Für den Wert der Kunst habe das keine Auswirkungen. Es sei denn, für den vordergründigen Erfolg und dessen angebliche Messbarkeit über Preise.------------------------------Foto: Marius Babias und sein kuratorischer Kommentar zur Rückeroberung der Subjektivität.