Mehdorns Zirkel
BERLIN. Die Kungelei zwischen Deutscher Bahn und Politik hat Tradition. Vor allem Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn verstand es so gut wie kaum ein anderer, Politiker für seine Dienste einzuspannen. Zu seinem exklusiven Klub gehörten der ehemalige bayerische Wirtschafts- und Verkehrsminister Otto Wiesheu (CSU), Ex-Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt, Sachsen-Anhalts Ex-Verkehrsminister Jürgen Heyer, sein ehemaliger brandenburgischer Amtskollege Hartmut Meyer, Bremens ehemaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wedemeier, Nordrhein-Westfalens Ex-Verkehrsminister Ernst Schwanhold (alle SPD) und der frühere bayerische Finanzminister Georg von Waldenfels (CSU).Besonders umstritten war das Engagement des Ex-Verkehrsministers von Brandenburgs. Meyer hatte nicht nur kurz nach seinem Rücktritt einen Beratervertrag mit der Deutschen Bahn unterschrieben. Viel schwerer wiegt, dass sein Ministerium Ende 2002 ohne Ausschreibung einen umstrittenen Zehn-Jahres-Vertrag mit der Bahn abgeschlossen hatte. Das Volumen: zwei Milliarden Euro. Das vergabefreie Großgeschäft wurde Jahre später auch von der EU-Kommission in Brüssel beanstandet.Auch Heyer hatte dem Staatskonzern vor dem Regierungswechsel in Sachsen-Anhalt einen langjährigen Verkehrsvertrag zugeschanzt. Otto Wiesheu, der es bis in den Bahnvorstand schaffte, hatte seine berufliche Veränderung zuvor als bayerischer Wirtschafts- und Verkehrsminister lange geheim gehalten und so kurz vorher noch versucht, auf wichtige Bahnentscheidungen Einfluss zu nehmen.Doch nicht nur Politiker wurden von der Bahn mit Posten versorgt, wenn der Konzern sie gebrauchen konnte. 2008 wurde selbst der damalige Chef der größten Bahngewerkschaft, Norbert Hansen, auf die andere Seite gelotst und zum Arbeitsdirektor bestellt. "Der Filz geht noch viel weiter, selbst im Bahn-Aufsichtsrat fanden sich in der Vergangenheit immer wieder Manager, die mit der Bahn geschäftliche Kontakte hatten", berichtet ein Insider.Die private Bahn-Konkurrenz betrachtet den Lobbyismus seit Jahren mit Argwohn. "Während die Bahn Lobbyismus betreibt, müssen wir die Politiker mit Inhalten überzeugen", sagt der Hauptgeschäftsführer des Privatbahnverbandes Mofair, Engelbert Recker. Doch die Zeiten hätten sich zum Glück geändert. "Wir stellen fest, dass sich die Kontakte der Bahn in die Politik deutlich reduziert haben", so Recker.Tatsächlich hat der neue Bahnchef Rüdiger Grube die Beraterverträge mit den ehemaligen Politikern aufgelöst, weil er dieses System Mehdorn nicht fortsetzen will. Wenngleich, so ganz ohne Politik scheint es doch nicht zu gehen: Seit März 2010 ist der Ex-Bundestagsabgeordnete und frühere baden-württembergische CDU-Landesgruppenchef im Bundestag, Georg Brunnhuber, Sonderbeauftragter der Bahn.Der Vorsitzende des Bundestagsverkehrsausschusses, Winfried Hermann (Grüne), ist nicht zuletzt deshalb noch nicht so ganz von einer Wende bei der Bahn überzeugt: "Unter Grube ist der Lobbyismus zwar deutlich zurückgegangen", so Hermann, "aber er scheint auf anderen Wegen offenbar noch zu funktionieren, wie Stuttgart 21 zeigt."