Mehr Kredite für Bundesländer: Schäuble will Schuldenbremse lockern
Berlin - Seit fünf Jahren wirbt Deutschland im Ausland mit seiner Schuldenbremse im Grundgesetz als Zeichen der Entschlossenheit beim Defizitabbau. Nun stellt ausgerechnet Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Verfassungsregel auf den Prüfstand. In den Gesprächen über eine Neuordnung des innerdeutschen Finanzausgleichs bietet er den Ländern an, für sie per Verfassungsänderung die Vorschriften zum Haushaltsausgleich zu lockern. Im Gegenzug würde sich der Bund härteren Auflagen unterwerfen.
Nach geltendem Recht darf der Bund in engen Grenzen Kredite aufnehmen – erlaubt ist ihm eine Neuverschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Von den Ländern verlangt die Schuldenbremse den kompletten Defizitabbau. Schäubles Konzept sieht vor, den gesamtstaatlichen Spielraum neu zu verteilen. Für den Bund sänke die Darlehensgrenze auf 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Länder erhielten als Obergrenze 0,15 Prozent statt derzeit 0,0 Prozent. Am Limit für Deutschland insgesamt würde sich nichts ändern.
Ablehnende Reaktionen
Das Angebot ist allerdings an Bedingungen geknüpft. Länder mit hohen Schulden müssten Sanktionen akzeptieren. Diese soll der Stabilitätsrat beschließen, in dem Bund und Länder gemeinsam über die Haushaltslage in der Republik beraten. Aus den Ländern kamen ablehnende Reaktionen. Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) erklärte, eine Lockerung der Schuldenbremse sei keine gute Botschaft.
Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums bemühte sich, den Vorstoß Schäubles herunter zu spielen. In den Verhandlungen über den neuen Länderfinanzausgleich vom Jahr 2020 an werde über vieles geredet. Die Schuldenregel im Grundgesetz aber solle nicht geändert werden.
Offensichtlich ist, dass in den Gesprächen zwischen den Finanzministern von Bund und Ländern viele weitreichende Veränderungen diskutiert werden. So prüfen die Politiker eine Erhöhung der Einkommensteuer als Ausgleich für einen Wegfall des Soli. Da dieser allein an den Bund geht, die Einkommensteuer aber geteilt wird, würden davon die Länder profitieren.
Ein Thema ist auch die Überlegung, den Ländern mehr Autonomie bei den Steuern zu gewähren. Sie könnten regional unterschiedliche Tarife bei der Lohn- und Einkommensteuer erheben. Daran haben die wirtschafts- und finanzstarken Länder Bayern und Baden-Württemberg ein Interesse. Der Freistaat tritt auch dafür ein, die Grund- und Erbschaftsteuer zu regionalisieren. Widerstand leisten die strukturschwachen Bundesländer, die zusätzliche Wettbewerbsnachteile für ihre Regionen befürchten.
Von 2020 an braucht Deutschland einen neuen Länderfinanzausgleich, da die alten Regeln und auch der Solidarpakt für den Osten auslaufen. Die vielen diskutierten Reformideen sind Verhandlungsmasse. Am Ende wird es ein Gesamtpaket geben, das den Interessen der unterschiedlichen Regionen Rechnung tragen muss.