Meinungsfreiheit ohne Meinung

Die Künstlergruppe "surrend" wollte provozieren. Das ist ihr gelungen. "Aufgebrachte Muslime" sollen gedroht haben, Steine zu werfen, sollte ein Plakate ihrer Ausstellung nicht entfernt werden. Die Künstler dürfte das nicht überrascht haben. Im Gegenteil: Sie haben bekommen, was sie wollten. Dass die Plakate "vom Karikaturenstreit wegführen", wie Klaus Staeck zur Ausstellungseröffnung sagte, war eine naive Vorstellung. Die Plakate führen dahin zurück.Der Kurator der Ausstellung äußerte sich nun sonderbar unpolitisch. So betonte Ralf Hartmann vom Kunstverein Tiergarten, dass sich die Schau "gegen jede Form von Radikalisierung" wende. Formell mag das stimmen: Neben den Moslems an der Kaaba in Mekka ("Dummer Stein") hängen Plakate mit einem orthodoxen Juden ("Dummer Hut"), linken Autonomen ("Dummer Block") und einem schwarzen Quadrat ("Dummer Vegetarier").Es verwundert nicht, dass sich gerade Muslime provoziert fühlen. Ihnen zu unterstellen, sie verstünden keine Satire, wäre zynisch. Nicht nur attackiert das Plakat religiöses Heiligtum. Auch erleben Muslime - anders als Vegetarier - täglich Provokationen in Form von Vorurteilen. So mögen die Plakate formell alle Menschen gleich provozieren. Aber da die Gesellschaft Menschen unterschiedlich behandelt, ruft die Provokation unterschiedliche Reaktionen hervor.Man kann sich in der Tat fragen, warum "surrend" überhaupt all diese Menschen provozieren will. Um für Meinungsfreiheit zu streiten, sagen die Künstler. Dabei vertreten sie selbst keine Meinung. Ihre Provokationen bleiben damit seltsam inhaltsleer. Die Forderung "Man muss alles sagen können dürfen" macht eben vor allem dann Sinn, wenn man auch tatsächlich etwas sagt.