17. Juni 1953: Vom schwierigen Umgang mit dem 17. Juni
Es ist ein kleiner, bislang namenloser Platz neben dem heutigen Finanzministerium an der Wilhelmstraße Ecke Leipziger Straße. Eine Bühne ist dort am Sonntag aufgebaut, davor Stuhlreihen. Kaum 200 Besucher und Passanten sind dabei, als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) diesem Ort einen neuen Namen geben. Er heißt jetzt Platz des Volksaufstandes von 1953.
Vor 60 Jahren drängten sich dort Zehntausende. In der DDR trug der von den Nazis als Reichsluftfahrtministerium errichtete Bau den Namen Haus der Ministerien und war der Zielpunkt der Massendemonstrationen, die mit dem Protest gegen Normenerhöhungen und Versorgungsmängel begonnen hatten. Am 16. Juni gab der Industrieminister Fritz Selbmann auf dem Platz vor wütenden Demonstranten die Rücknahme der Normenerhöhungen bekannt.
Aber da war es schon zu spät. Längst richtete sich der Unmut gegen das System, der Ruf nach freien Wahlen wurde immer lauter. Am Morgen des 17. Juni versammelten sich mehr als 25.000 Menschen vor dem Haus der Ministerien und versuchten, es zu stürmen. 180 Demonstranten wurden im Gebäude festgenommen. Um 12 Uhr fuhren in der Leipziger Straße sowjetische Panzer des Typs T 34 auf.
Schwieriger Umgang
Klaus Hoffmann von der Vereinigung 17. Juni wollte am Sonntag wieder T 34 Panzer anrollen lassen. Es habe nur am Geld für den Tieflader gemangelt. Das Bundesfinanzministerium, das diesen Teil der Veranstaltung verantwortet, wollte nicht einspringen. Seit 2005 postieren sich Mitstreiter der Vereinigung alljährlich mit einem Transparent auf dem Platz. Sie halten es noch einmal in die Höhe: „Wir fordern: Platz des 17. Juni 1953. Jetzt!“
Auch Vertreter anderer Opferorganisationen sind dabei, viele Zeitzeugen, Roland Jahn von der Stasi-Unterlagenbehörde, der frühere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und sein einst mächtiger Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky, der durch den Bankenskandal zur politischen Persona non grata abrutschte. Die Art, wie sich die Interessenvertreter begrüßen oder auch nicht, sagt viel aus darüber, wie kompliziert der Umgang mit der Würdigung des 17. Juni noch heute ist.
„Ein Schlüsselereignis in der deutschen Geschichte“ nennt Finanzminister Schäuble den Aufstand in seiner kurzen Ansprache. Er geht auch auf die unterschiedliche Wahrnehmung der damaligen Ereignisse über die Jahrzehnte ein, auf den in Westdeutschland begangenen Feiertag ohne viel Gedenken. Erst als er sagt, mit der Platzbenennung gehe ein lang gehegter Wunsch vieler Engagierter in Erfüllung, bekommt er Applaus.
Dann wird die Bühne umgestaltet für eine Veranstaltung der CDU-Verbände Berlin und Brandenburg. Als erstes redet Alexandra Hildebrandt vom privaten Mauermuseum am Checkpoint Charlie. Sie kritisiert, dass das „bunte Bild“, wie sie das monumentale DDR-Wandgemälde „Aufbau der Republik“ nennt, den Platz dominiere: „Da muss noch mehr geschehen.“ Der Hausherr Schäuble ist schon fort.