25 Jahre Deutsche Einheit: So entstand aus zwei Hälften eine Hauptstadt
Nach und nach wächst Berlin wieder zusammen: Einst getrennte Straßen werden nach der Wiedervereinigung verbunden, Mieten angeglichen und Brachflächen bebaut. Lesen Sie hier, wie aus zwei Hälften wieder eine Hauptstadt wurde - vom Nahverkehr über Wohnungsbau bis hin zu architektonischen Großprojekten.
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Kaum mehr Autos
Kam mit der Einheit eine Autolawine über Berlin? Das kann man nicht sagen. Ein Blick auf die Zahlen: 1990 waren rund 1,29 Millionen Kraftfahrzeuge registriert, davon fast genau ein Drittel in den Ostbezirken. 25 Jahre später sind es rund 1,35 Millionen – das sind nicht einmal 4,7 Prozent mehr als im Jahr der Wiedervereinigung.
Vielleicht liegt es daran, dass in Berlin immer mehr Singles leben (die anders als Familien meist kein Auto haben). Vielleicht trug auch dazu bei, dass das Fahrrad wieder in Mode gekommen ist. 2008 wurden noch 33 Prozent der Wege in Berlin mit Autos zurückgelegt, 2013 waren es 29,6 Prozent.
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Der Ausnahme-Ort
Der Pariser Platz war zu Mauerzeiten Teil des Grenzstreifens. Nur ein Teil des alten Hotels Adlon stand noch. Nach der Wiedervereinigung wurde der Platz wieder bebaut. Die Vorgaben waren streng. Die Fassaden mussten aus Stein sein oder in Putz gestaltet werden. Die einzige Ausnahme genehmigte sich das Land Berlin selbst: Der Neubau der Akademie der Künste erhielt eine Glasfassade.
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Zwei Hauptbahnhöfe
In Lichtenberg und Schöneweide ist es leer geworden. Kaum zu glauben, dass sie vor 1990 die wichtigsten Fernbahnhöfe waren. Seit 2006 hat Berlin zwei Hauptbahnhöfe: der eine bei der Parkeisenbahn in der Wuhlheide, der andere an der Spree – oft bemeckert, aber hell und freundlich.
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Band des Bundes
Ihre Idee sollte Ost und West verbinden. Die Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank gewannen 1993 den Wettbewerb für das Parlaments- und Regierungsviertel. Der Plan sah vor, das Kanzleramt und die Bürobauten des Bundestags über die ehemalige Grenze hinweg in einer Reihe anzuordnen – in einem Band des Bundes. Heute ist es Realität.
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Oberster Planer
Er galt als Anhänger der 22-Meter-Traufhöhe, der Steinfassaden und des rechten Winkels – keiner hat die Gestaltung Berlins nach der Vereinigung so geprägt wie Senatsbaudirektor Hans Stimmann. Die Stadt ist schon da, sie muss nur weiter gebaut werden, lautet einer seiner Leitsätze. Mancher Architekt beschwerte sich über die strengen Vorgaben. Innovative Entwürfe wie Jean Nouvels Quartier 207 in der Friedrichstraße waren trotzdem möglich.
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Schloss statt Palast
Palast der Republik oder Schloss? Der Deutsche Bundestag entscheidet sich 2002 für den Wiederaufbau des Schlosses. Der Palast der Republik, in dem die erste frei gewählte DDR-Volkskammer, am 23. August 1990 den Beitritt zur Bundesrepublik beschließt, wird abgerissen.
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Schnell gekittet
Die Grenze war kaum geöffnet, da konnten binnen eines Jahres von 165 Straßenverbindungen, die es wiederherzustellen galt, bereits 47 für den Autoverkehr und weitere 20 für Radfahrer und Fußgänger freigegeben werden. 1998 war der Plan abgearbeitet. Das Bahnnetz hat noch Lücken.
Während in Frankreich, den USA und anderswo viele neue Straßenbahnstrecken entstanden sind, geht der Senat die Netzerweiterung in Berlin extrem langsam an. 1990 gab es im Westen der Stadt null Kilometer Strecke, 2015 sind es rund acht Kilometer. Von Berliner Tempo ist da bislang nichts zu spüren. Alle möglichen neuen Strecken befinden sich erst in der Planungsphase.
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Platz zum Träumen
Der Architekt Hans Kollhoff gewann 1993 den Wettbewerb zur Gestaltung des Alexanderplatzes. Nach dem preisgekrönten Entwurf sollten 13 Hochhäuser entstehen – jeweils 150 Meter hoch. Zwar wurde die Zahl der Türme später auf zehn reduziert, doch bis heute wurde keines realisiert.
Nur für zwei Hochhäuser gibt es konkrete Pläne. Kollhoff ist momentan dabei, seine Pläne zu überarbeiten. Er soll die bestehenden Gebäude stärker einbeziehen. Das Haus des Berliner Verlags und das ehemalige Haus des Reisens stehen inzwischen unter Denkmalschutz. Kollhoff hält dennoch an seiner Idee fest. Nun plant er allerdings nur noch elf Hochhäuser.
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Mieten-Anstieg
Die Mieten im Ostteil wurden bis 1995 an das West-Mietrecht angeglichen. Bei den Unternehmen des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen stiegen die Quadratmeter-Mieten in Berlin von 3,13 Euro (1995) auf 5,43 Euro (2014) kalt, im Ostteil von 2,88 auf 5,35 Euro.
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Kaufen - verkaufen
Berliner Immobilien sind begehrt. Während im Jahr 1990 bei 12 246 Transaktionen Häuser, Wohnungen und Grundstücke im Wert von rund 3,7 Milliarden Euro verkauft wurden, registrierte der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Jahr 2014 insgesamt 29 006 Verkäufe, bei denen Immobilien im Wert von rund 13,8 Milliarden Euro den Besitzer wechselten. Der höchste Umsatz nach der Vereinigung wurde im Jahr 2006 mit 14,8 Milliarden Euro erzielt.
In dem Jahr wurden Flächen mit einer Größe von 1800 Hektar verkauft. 1990 wechselten nur 398 Hektar den Besitzer.Die Zahl der landeseigenen Wohnungen in Berlin, also die der städtischen beziehungsweise ehemals volkseigenen Wohnungen, hat sich von 575.000 am 31. Dezember 1990 auf 294 000 am 30. Juni 2015 verringert.
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Zügiger nach Berlin
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Höhenflug
In Tegel hat sich seit 1990 die Fluggastzahl verdreifacht: von 6,6 auf 20,7 Millionen 2014. Auch bei der BVG und bei der S-Bahn sind die Fahrgäste gestiegen:
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Klingeling
Eine Fahrradstadt wie Kopenhagen ist Berlin noch lange nicht. Doch die Entwicklung ist beachtlich. In der Innenstadt ist die Zahl der Radfahrer enorm gestiegen. 1990 wurden an der Zossener und Blücherstraße in Kreuzberg tagsüber innerhalb von zwölf Stunden 2 200 Radler gezählt – 2014 waren es mehr als 8500.
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Er hat überlebt
Der Verkehrspsychologe Karl Peglau schlug 1961 dem Verkehrsministerium der DDR vor, dass auch hier jede Verkehrsteilnehmergruppe eine eigene Ampel bekommen solle. Er entwickelte besondere Zeichen für Fußgängerampeln, die das Sinnbild eines stehenden und eines gehenden Fußgängers zeigen.
Nach der Wiedervereinigung 1990 wurden die Ost-Ampelmännchen im Gebiet der ehemaligen DDR zunächst sukzessive gegen das westdeutsche Ampelmännchen ausgetauscht. Innerhalb der Bevölkerung kam es daraufhin zu Protesten und das Ost-Ampelmännchen wurde etwas später in den Richtlinien für Lichtsignalanlagen als zulässiges Sinnbild aufgenommen.
+++ Lesen Sie im nächsten Abschnitt, welche Bilanz Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB zur Entwicklung des Berliner Nahverkehrs zieht +++