Berlin-Rummel, Gras und Messerstechereien: Die Berliner Zeitung wollte hin, wo’s wehtut und erlebte Überraschendes - die Neuköllner Hasenheide ist ein funkelnder Mikrokosmos der Diversität und hat für jeden und jede was zu bieten. Wir haben unsere Erfahrungen und Erlebnisse mit dem Volkspark im Herzen der Stadt zusammengetragen.
„Hallo!“ Der Mann, der auf der Wiese unterm Baum sitzt, grüßt den Spaziergänger freundlich. „Hallo zurück.“ Nein, der Fußgänger will nichts kaufen. Die Männer, derentwegen der Volkspark Hasenheide so berüchtigt ist, stehen und sitzen am Wegesrand und warten offenbar auf Abnehmer für ihre Drogen.
Der Park ist beliebt und berüchtigt. Und besser als sein Ruf. Die 50 Hektar große Hasenheide, dieser Mittelpunkt von „Kreuzkölln“, ist bevölkert von Joggern, Müttern mit Kinderwagen und jungen Leuten, die sich hier abends und nachts zur Party treffen.
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Doch immer wieder geriet er in die Schlagzeilen. Etwa als 2006 ein Polizist erschossen wurde. Zwei Männer hatten einer alten Frau die Handtasche mit 50 Euro geraubt. Als Zivilfahnder die Räuber aufhalten wollten, zog einer von ihnen eine halbautomatische Browning und feuerte, bis das Magazin leer war. Der Polizist wurde in den Kopf getroffen. Der Mörder bekam lebenslange Haft.
Die Hasenheide aus der offiziellen Liste der gefährlichen Orte gestrichen
Bis vor einigen Jahren wurde die Hasenheide von der Polizei noch als „kriminalitätsbelasteter Ort“ geführt. Das sind Orte, an denen besonders viel mit Drogen gehandelt wird, Orte mit vielen Gewalttaten oder Rotlicht-Kriminalität. Inzwischen ist der Park aus der Liste verschwunden. In ihr verbleiben unter anderem der Hermannplatz und der Görlitzer Park.
„Kontrollen und Platzverweise halten die Szene weiter in Bewegung“, sagt ein Ermittler. Das Rauschgiftkommissariat der örtlichen Polizeidirektion kenne die Drogenhändler. „Derzeit ist die Hasenheide aber kein Brennpunkt“, sagt er. „Kein Vergleich zu den anderen kriminalitätsbelasteten Orten.“
Trotzdem ist hier einiges los. 2015 fand ein Jogger die Leiche eines 28-Jährigen, der erstochen worden war. Es war ein Raubmord. Der Täter ist noch nicht gefasst. Im vergangenen Jahr prügelten zwei Männer dort mit Fäusten und einer Glasflasche einen 17-Jährigen tot.
Auch Tiere leben gefährlich. 2018 verschwand aus dem Streichelzoo das Schaf „Rose“. Jemand hatte es in einem Busch geschlachtet. Später lag die Angoraziege „Lilly“ mit aufgeschlitzter Kehle und fehlendem Bein im Gehege. Polizisten nahmen zwei Männer fest. Sie hatten ein blutiges Messer dabei, und aus ihrem Rucksack ragte ein Ziegenbein. Die beiden wurden wegen Diebstahls mit Waffen und „Tötung eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund“ zu neun und zehn Monaten Haft verurteilt.
An diesem sonnigen Mai-Tag ist der Park Naherholungsgebiet. Auf den Wiesen aalen sich Menschen in der Sonne. Aber die Maschendrahtkörbe quellen über mit Müll, der sich auch über die Rasen und Wege verteilt. Die BSR kommt nicht hinterher. „Unordnungszeichen stehen für ein Fehlen sozialer Kontrolle durch Behörden oder lokale Gemeinschaften und erzeugen so ein diffuses Unsicherheitsempfinden“, heißt es in der Publikation „(Un-)Sicherheitsgefühle und subjektive Sicherheit im urbanen Raum“, herausgegeben von der Landeskommission Berlin gegen Gewalt. Einer der Väter, die auf dem abgezäunten Spielplatz ihren Kindern zuschauen, sagt aber: „Das ist ein wunderbarer, schön angelegter alter Park. Und ich fühle mich hier keineswegs unsicher. Zumindest tagsüber.“
40 Straftaten in der Hasenheide von Januar bis April
In der Tat wirkt die Zahl der von der Polizei registrierten Straftaten gering im Gegensatz zu Orten wie dem Kottbusser Tor oder dem Görlitzer Park. Nach Informationen der Berliner Zeitung wurden im vergangenen Jahr 380 Delikte in der Hasenheide erfasst, wovon mehr als die Hälfte Diebstähle waren. Von Januar bis Ende April dieses Jahres zählte die Polizei rund 40 Taten. Hoch bleibt die Zahl der Drogendelikte: im vergangenen Jahr etwa 100 und von Januar bis April rund 20. Vor allem Cannabis wurde verkauft.
Durch den gesamten Park, über die Sonnenbader und die mutmaßlich auf Kunden wartenden Dealer, über den Kleintierzoo und die Müllberge dringt der Lärm des Rummels „Neuköllner Maientage“, der hier zum letzten Mal stattfinden soll. Einer der Security-Männer dort trägt eine Stichschutzweste. Das hat einen grausamen Grund: Vor zwei Wochen, am 28. April, wurde hier ein 25-jähriger Mann erstochen.