3G in Bus und Bahn: Was jetzt auf Berliner Fahrgäste zukommt
Die neue Zugangsbeschränkung gilt auch in der BVG und der Berliner S-Bahn. Schwerpunktkontrollen sind absehbar. Der Fahrgastverband IGEB befürchtet Klagen.

Berlin - Nicht mehr lange, dann ist es so weit. Voraussichtlich von Mittwoch an gilt in allen Bahnen und Linienbussen in Deutschland die 3G-Regel. Wer mitfahren will, muss dann entweder geimpft, genesen oder einen maximal 24 Stunden alten negativen Test vorweisen. Das soll dazu beitragen, die Ausbreitung von Corona einzudämmen.
Zum Wochenbeginn möchten die Nah- und Fernverkehrsunternehmen mitteilen, was auf die Fahrgäste zukommt. „Der Gesetzgeber spricht von stichprobenartigen Kontrollen. Das werden wir selbstverständlich machen, aber wie das erfolgen wird, müssen wir noch beraten“, sagte Petra Nelken, Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Beobachter gehen davon aus, dass sich die Zahl der Kontrollen bei siebenstelligen Fahrgastzahlen pro Tag in engen Grenzen halten wird. „3G in Bus und Bahn ist ein Schnellschuss der Politik, ein Popanz, der von ihrem Versagen ablenken soll. Das ist nicht kontrollierbar, und es ist juristisch bedenklich“, kritisierte Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB. Doch es gibt auch Befürworter der neuen Regelung.
„3G im Nah- und Fernverkehr ist sinnvoll“, sagte Kai Nagel, Professor am Institut für Land- und Seeverkehr der Technischen Universität (TU) Berlin, am Wochenende der Berliner Zeitung. Der Physiker gehört zu den Wissenschaftlern, die Bund und Länder in der Pandemie beraten. „Die Delta-Variante des Coronavirus, die das Geschehen bestimmt, ist rund dreimal so ansteckend wie die Wildvariante. Deshalb ist es richtig, auch im öffentlichen Verkehr mit einer zusätzlichen Maßnahme nachzusteuern.“
Fahrgäste müssen bei Kontrollen Nachweise vorlegen
Zwar hätten Studien gezeigt, dass Busse und Bahnen kein Hotspot der Ansteckung und keine Treiber des Infektionsgeschehens sind. „Doch als diese Untersuchungen stattfanden, dominierte noch die Wildvariante des Coronavirus. Damit der Nah- und Fernverkehr weiterhin als sicher gelten können, ist die 3G-Regel angeraten“, so Nagel. „Unter den jetzigen Bedingungen kann 3G wesentlich dazu beitragen, das Risiko einer Ansteckung zu verhindern.“
Für die Beförderung von Schülern gilt die 3G-Regel nicht. Bei allen anderen Fahrgästen müssen Nah- und Fernverkehrsunternehmen die Einhaltung der Verpflichtungen durch „stichprobenartige Nachweiskontrollen“ überwachen. So steht es im novellierten Infektionsschutzgesetz, das noch offiziell verkündet werden muss und dann in Kraft tritt. Die Deutsche Bahn, Flixtrain, BVG, S-Bahn Berlin und die anderen Unternehmen dürfen personenbezogene Daten zum Impf-, Sero- sowie Teststatus verarbeiten, heißt es weiter. Fahrgäste wiederum dazu verpflichtet, die Nachweise vorzulegen.
Bald reichen medizinische Masken auch in Berlin wieder aus
Weiterhin gilt die Pflicht, Mund und Nase zu bedecken. Allerdings sind nicht nur FFP2- und vergleichbare Masken, sondern auch medizinische Gesichtsmasken zulässig, so das neue Gesetz. Für Fahrgäste in Berlin wäre das eine Erleichterung – hier sind bisher FFP2-Masken vorgeschrieben. In Brandenburg sind auch medizinische Masken erlaubt.
„Mund und Nase zu bedecken, senkt die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung weiter - um einen weiteren Faktor vier bis fünf“, erklärte Kai Nagel. „Natürlich verringert auch eine Impfung das Risiko, in diesem Fall um mindestens den Faktor drei. Zwar können auch Geimpfte Viren mit sich herumtragen und auf andere übertragen, doch die Virenlast und damit die Ansteckungsgefahr ist deutlich geringer als bei Ungeimpften.“
Doch kann die 3G-Regel überhaupt umgesetzt, ihre Einhaltung wirksam überprüft werden? Die gesetzliche Überwachungspflicht dürfte den Verkehrsbetrieben zusätzliche Arbeit bescheren – und Streit. „Wir befürchten, dass es Übergriffe gegen das Personal geben wird“, sagte Jens Wieseke. Der Fahrgastverband sehe es kritisch, dass das heikle Thema auf die Beschäftigten von BVG & Co. abgewälzt wird, betonte er. Wie die Gewerkschaft Verdi fordert die IGEB, dass die Polizei bei den Kontrollen dabei ist.
Wird es bei der S-Bahn Berlin keine Kontrollen geben?
In der Tat gehen Beobachter davon aus, dass es bei der BVG Schwerpunktkontrollen zu 3G geben wird. Sicherheitskräfte des Landesunternehmens und Berliner Polizisten würden dann gemeinsam in die Fahrzeuge gehen, um die Fahrgäste zu überprüfen. Doch wie der Name schon sagt, werden solche Großaktionen nur in begrenztem Rahmen möglich sein, so ein Experte. Bei der S-Bahn dürften sie noch seltener vorkommen – oder möglicherweise sogar gar nicht.
Dem Vernehmen nach zeigte sich die Polizei des Landes Berlin bisher unzuständig, weil die S-Bahn eine bundeseigene Eisenbahn ist. Die Bundespolizei zweifelt ebenfalls an ihrer Zuständigkeit, sofern die Kontrollen auf Basis einer Landesverordnung geschehen sollten. Schon als es darum ging, die Einhaltung der Maskenpflicht in der S-Bahn zu überprüfen, wies die Bundespolizei aus diesem Grund die Verantwortung von sich. Zuständig seien ihrer Ansicht nach die Ordnungsämter und zwar nur jeweils auf dem Gebiet des betreffenden Bezirks – was in der Praxis kompliziert zu handhaben ist.
Kritisch sieht der Fahrgastverband die 3G-Regel in Bus und Bahn auch deshalb, weil ein Teil der Bevölkerung den Nahverkehr nicht mehr nutzen darf. „BVG und S-Bahn gehören jedoch zur Daseinsvorsorge“, so IGEB-Sprecher Jens Wieseke. „Das wird sicher zu Klagen führen.“ In einer Mail an den Fahrgastverband fragt ein Jahreskartenbesitzer, ob er ein Sonderkündigungsrecht hat.
Hohe Impfquote würde Fahrgästen solche Coronamaßnahmen ersparen
Flächendeckende Kontrollen sind voraussichtlich nur stichprobenartig umsetzbar, hieß es beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg. Im Nahverkehr besteht in Deutschland eine Beförderungspflicht, es gebe keine Zugangsbeschränkungen. Zudem erschweren ein häufiger Fahrgastwechsel und zahlreichen Haltestellen in kurzen Abständen eine flächendeckende Überprüfung einer 3G-Regel im öffentlichen Personennahverkehr.
Doch Kai Nagel ist zuversichtlich, dass sich 3G bei den Nutzern des öffentlichen Verkehrs als Norm etabliert, ohne dass die Einhaltung häufig kontrolliert werden muss. „Schließlich wird die Norm, dass man Bahn und Bus nur mit gültigem Fahrausweis nutzen darf, auch weithin beachtet.“
„3G im öffentlichen Verkehr wirkt auch dann, wenn diese Vorgabe nicht von 100 Prozent beachtet wird“, so der Wissenschaftler von der TU Berlin. „Wenn 95 Prozent der Fahrgäste eine Maske tragen, ist der Effekt ebenfalls beachtlich. Wenn 95 Prozent der ungeimpften Fahrgäste negativ getestet worden sind, ist ebenfalls viel gewonnen.“
Natürlich würde eine hohe Impfquote bestimmte Maßnahmen ersparen, sagte Nagel. „Je mehr Menschen geimpft sind, desto weniger Einschränkungen wären erforderlich. Wenn der Anteil der Geimpften deutlich steigen würde, kämen wir irgendwann an einen Punkt, an dem 3G im öffentlichen Verkehr nicht mehr erforderlich wäre.“
Als Nächstes dann 2G im Nah- und Fernverkehr?
Der Trend geht zu weiteren Verschärfungen der Coronamaßnahmen. Wird in absehbarer Zeit 2G in Bahn und Bus gelten? Hier zeigt sich der Forscher noch skeptisch. Nagel: „Ich hielte es für sinnvoll, jetzt erst einmal die Wirksamkeit von 3G zu prüfen, bevor weitere Maßnahmen folgen. 2G könnte möglicherweise die Pflicht des Staates zur Daseinsvorsorge betreffen. Auch Ungeimpfte müssen mobil sein können, zumindest im Nahverkehr.“