8. Landesböller-Treffen: In Neuzelle wird es laut

Wer ab diesem Freitag in Neuzelle (Oder-Spree) die barocke Klosteranlage besucht, sollte nicht schreckhaft sein. Denn drei Tage lang wird es dort richtig laut.

Dafür sorgen 20 Kanonen, sechs Hand- und fünf Standböller. 17 Traditions- und Schieß-Vereine haben sich zum 8. Brandenburger Landesböllertreffen in Neuzelle angemeldet. „Mehr als 100 Dezibel schaffen wir locker“, sagt Jörg Fröhlich von der gastgebenden Neuzeller Schützengilde, die 40 Mitglieder hat.

Zumindest läuft niemand Gefahr, dass ihm dabei auch noch Kanonenkugeln um die Ohren fliegen. Denn beim Böllern, so erklärt der Neuzeller Kanonier, wird nicht scharf geschossen. „Da geht es um den Schall und die Lautstärke. Dazu wird die Kanone mit Schwarzpulver und Verdämmungsmaterial befüllt und gezündet.“

„Setzt die Ladung“

Die Kommandos lauten: „Wischen und krätzen“ zum Säubern des Rohres von Rückständen oder „Setzt die Ladung“ zum Befüllen und Stopfen der Kanone sowie „Zündung setzen“, bei der die brennende Lunte auf die Zündpfanne trifft.

Sie werden beim Landesböllertreffen häufig zu hören sein. Damit es trotz Trockenheit nicht brenzlig wird, steht die Feuerwehr bereit, Wasservorräte wurden angelegt.

Spätestens beim Salut, bei dem alle Kanonen gleichzeitig losdonnern, könnte es manch einem in den Ohren klingeln. „Das Ganze passt nicht unbedingt zum 750. Klosterjubiläum, das wir in diesem Jahr feiern. Aber es gehört halt zur Traditionspflege im Ort“, sagt Walter Ederer von der Stiftung Stift Neuzelle.

Historische Bezüge gebe es aber, entgegnet Peter Kaufmann, Hobbyhistoriker der Schützengilde Neuzelle. „Als das Kloster noch von Mönchen bewohnt und bewirtschaftet wurde, begleitete die Schützengilde die Fronleichnamsprozessionen durch den Ort. Und sie hatte damals eine Kanone“, hat er in alten Dokumenten nachgelesen.

Acht Mann für eine Kanone

Für das Schießen mit Kanonenkugeln aus 100 oder 200 Metern Entfernung auf Zielscheiben gebe es separate Wettkämpfe, sagt Fröhlich. Diese werden auf Truppenübungsplätzen ausgetragen. „Wir verbinden Traditions- und Brauchtumspflege mit sportlichem Schießen“, sagt Volker Grabow, Präsident des Verbandes Deutscher Schwarzpulver-Kanoniere (VDSK), der insgesamt 450 Mitglieder aus der Bundesrepublik, der Schweiz, Großbritannien und Norwegen vereint. Jedes Jahr im Juni würden die Europameisterschaften der leichten Feldartillerie ausgetragen – bereits seit zehn Jahren auf dem Bundeswehr-Übungsplatz in Sondershausen (Thüringen).

In der Neuzeller Schützengilde wird normalerweise mit Kleinkaliberwaffen geschossen, sogenannten Hinterladern. Die Kanone als Vertreter der Vorderlader und mit Kugeln des Kalibers 75 Millimeter befüllt, ist eine eigene Sparte. Fröhlich hat den preußischen Dreipfünder von 1756 vor drei Jahren maßstabsgetreu nachgebaut. Getauft hat er ihn „Schwarzer Abt zu Neuzelle“, in Anlehnung an das gleichnamige Schwarzbier aus der Klosterbrauerei. „Ein Jahr lang habe ich gebaut“, erzählt er. Die beiden Räder stammen von einem alten Leiterwagen, die Lafettenschwänze fertigte ein Zimmerer aus Guben. Und das Rohr der Kanone haben Bekannte im Arcelor-Stahlwerk Eisenhüttenstadt nach Fröhlichs Vorstellungen produziert.

Wenn der 53-jährige Techniker seine 800-Kilogramm-Waffe manövrieren möchte, braucht er mehrere kräftige Männer. Zum Vergleich: Im Gefecht mit etlichen Stellungswechseln gehörten im 18. und 19. Jahrhundert acht Mann Besatzung zu einer solchen Kanone. Die Neuzeller schaffen es zu dritt. „Inzwischen ist sie schon gut eingeschossen, die Kugeln fliegen bis zu zwei Kilometer weit“, sagt Fröhlich stolz.

„Keine Kriegsspielerei“

Für seine Ehefrau Uta, verantwortlich fürs Organisatorische, hat das Hobby weniger mit Kriegsspielereien als mit historischem Brauchtum zu tun. Und natürlich mit Sport. Sie selbst wirft sich bei Zusammenkünften mit Gleichgesinnten – wie dem Landesböllertreffen – stilecht in das extra angefertigte Kleid mit zahlreichen Unterröcken. Ihr Mann trägt die preußische Uniform.

Für den Ernstfall hat die 50-Jährige immer einen Gehörschutz griffbereit. „Das Schießen ist generell nicht so mein Ding. Ich schätze die Geselligkeit, das Zusammenleben in einem Biwak, den es für alle Beteiligten auch beim Landesböllertreffen geben wird“, sagt sie. Die Kanoniere verbinde das Interesse am geschichtlichen Hintergrund, sagt VDSK-Präsident Grabow. „Es gibt nichts Schöneres, als am Lagerfeuer zu fachsimpeln, beispielsweise darüber, wie man historische Geschütze am besten nachbaut.“ (dpa)