Abmahnung: Wasserpreise sollen stärker sinken

Berlin - Es gab wohl schon schönere Wochenanfänge für den Chef der Berliner Wasserbetriebe (BWB): Jörg Simon, 49, musste am Montag ein weiteres Schreiben des Bundeskartellamts in Empfang nehmen, das im Betreff das Wort „Abmahnung“ nennt. Der Druck auf das seit 1999 knapp zur Hälfte privatisierte Unternehmen, die Preise zu senken und damit auf Einnahmen zu verzichten, steigt so in einer ohnehin schon komplizierten Gemengelage gewaltig.

Denn das Bundeskartellamt hat in seinem rund 200-seitigen Schreiben seine erste Forderung vom Dezember vorigen Jahres sogar verschärft: Noch in diesem Jahr sollen laut der Bonner Behörde die Preise für Trinkwasser sinken, und zwar um 21 Prozent gegenüber dem Niveau des Jahres 2010. Die erste Abmahnung hatte noch 19 Prozent verlangt.

Damit nicht genug: Statt nur bis 2014 bestehen die Bundes-Preisprüfer jetzt darauf, dass der Tarif von 2013 an bis einschließlich 2015 um 20 Prozent niedriger bleibt. In Euro heißt das nach Angaben des Kartellamts, dass die Wasserbetriebe in diesen vier Jahren insgesamt 292 Millionen Euro weniger Erlöse erzielen. „Dieser Betrag kommt den Berliner Wasserkunden unmittelbar zugute“, heißt es dazu in der Pressemitteilung des Bundeskartellamts.

Wasserbetriebe reagieren zurückhaltend

Eine endgültige Verfügung zur Preissenkung ist dies allerdings noch nicht, das Schreiben ist eher eine Art Vorwarnung. Denn erstens haben die Wasserbetriebe Zeit bis zum 29. April, um auf die zweite Abmahnung zu reagieren. Zweitens haben die BWB bereits Klagen gegen eine befohlene Preissenkung angekündigt. Ob sie damit zumindest vorläufig aufgehalten würde, ist allerdings offen.

Die Wasserbetriebe selbst reagierten am Montag erwartungsgemäß zurückhaltend. „Wir prüfen das Schreiben noch“, sagte BWB-Sprecher Stephan Natz. Die Aufsichtsratsvorsitzende, Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos, für CDU), sagte, sie erwarte eine Verfügung des Kartellamts zur Preissenkung im Frühsommer. „Wir arbeiten aber insgesamt daran, zu einer stabilen Preisentwicklung zu kommen“, erklärte sie. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD), der bei einer Preissenkung einen nicht gerade unerheblichen Einnahmeverlust für die Landeskasse zu verbuchen hätte, äußerte sich nicht.

Zurzeit werden die Gewinne zwischen dem Land, dem 50,1 Prozent der BWB-Anteile gehören, und den privaten Investoren Veolia und RWE geteilt. Im Jahr 2011 bekam das Land 108,5 Millionen Euro aus dem BWB-Gewinn und weitere 88 Millionen Euro über Abgaben. Für 2012 sind ähnliche Größenordnungen angekündigt. Sollte die Preissenkung tatsächlich 292 Millionen Euro bis 2015 betragen, wären dies pro Jahr 73 Millionen Euro weniger Erlöse für Land und Private. Die Hälfte davon würde demnach im Haushalt fehlen, Kompensation ungewiss.

Eines der letzten großen Monopole

Klar ist, dass in Berlin die im Großstadtvergleich hohen Preise auch wegen der Teilprivatisierungsverträge und ihrer lukrativen Gewinnaussichten zustande kommen. Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, sieht im Berliner Fall ein Beispiel für viele: „Die Wasserversorgung ist eines der letzten großen Monopole in Deutschland“, sagte er am Montag. Das BWB-Verfahren wegen Preismissbrauchs zeige, wie wichtig die „effektive Kontrolle der Kartellbehörden“ sei. In dem Verfahren, das noch der ehemalige Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) angestoßen hatte, verglich das Kartellamt die Erlöse und die Kosten ähnlich strukturierter Wasserversorger in Hamburg, München und Köln. Zwar hätten die Berliner Wasserbetriebe in den 90er Jahren viele Investitionen vornehmen müssen, die hohen Preise seien so aber nicht zu erklären, resümierten die Bonner.