Abriss der Avus-Tribüne: „Das wird ganz wunderschön“

Mehrere Bagger zugleich werden am Montagabend anrücken, um einen historischen Bau einzureißen: das Dach der 1936 errichteten Avus-Zuschauertribüne. Doch kein Freund der geschichtsträchtigen Anlage muss sich sorgen: Das wie schwebend die Tribüne überragende Dach wird denkmalgerecht, ganz nach dem Original, wieder aufgebaut.

„So wie früher“, sagt Hamid Djadda, der Besitzer des gesamten Baus, und ist voller Vorfreude: „Das wird ganz wunderschön.“ 800.000 Euro investiert der Kaufmann für die erste Bauphase.

2019 soll Bauphase beendet sein

Der Abriss wird sich in aller Eile vollziehen, denn am nächsten Morgen früh um fünf muss die Arbeit erledigt sein. Die notwendige Sperrung der Avus (A115) ist möglichst kurz zu halten. Aber während der nächtlichen Arbeiten wird die vielbefahrene Strecke in dem Abschnitt stadtauswärts voll gesperrt – von Montag, 22 Uhr, bis Dienstag, 6 Uhr.

Dann wird die Baustelle für ein paar Wochen pausieren. Nur in den Ferienzeiten dürfe man arbeiten, sagt Hamid Djadda, daher können die nächsten Maßnahmen für die Errichtung des neuen Daches über den Rängen an der einstigen Rennstrecke erst in den Sommerferien beginnen. Im Jahr 2019 soll die erste Bauphase beendet und das Dach fertiggestellt sein.

Marode und einsturzgefährdet

Wer gelegentlich an der Avus-Tribüne vorbeifährt, wird es sicherlich gesehen haben: Die ganze Anlage ist marode, das Dach einsturzgefährdet. Die Sanierung ist unumgänglich, wenn Hamid Djaddas weiterreichende Pläne Wahrheit werden sollen: Er will das denkmalgeschützte Bauwerk zum Ausstellungs- und Veranstaltungsort umbauen.

Daher müssen dem Dachneubau weitere umfassende Arbeiten folgen: Der Bauherr nennt vor allem die Sanierung der Treppenstufen, der Decken und Säulen – alles aus Beton. Da sei zu schleifen, müssten Lücken verfüllt und ein Schutzanstrich aufgetragen werden, „damit es lange hält“.

Keine Versicherungsunternehmen und Gemüsehändler

Die Räume unter den Sitzreihen, etwa 400 Quadratmeter, werden nutzbar gemacht: „Es ist eine Dämmung anzubringen, das Innere wird hell und lichtdurchflutet sein“, sagt der Unternehmer. Auf der Kanzel in der Mitte der Tribüne will er einen verglasten Veranstaltungsraum mit Blick auf die Autobahn einrichten. Bis zu fünf Millionen Euro sollen mit Hilfe von Investoren in das Projekt fließen. Zum 100-Jährigen der Avus 2021 soll die Tribüne fertig sein.

Hamid Djadda hat klare Vorstellungen von der künftigen Nutzung: Am besten wäre es, Firmen anzusiedeln, die etwas mit Mobilität zu tun haben. „Das wäre schlüssiger als ein Versicherungsunternehmen anzusiedeln. Oder einen Gemüsehändler – das passt nicht.“ Aber Platz für ein kleines Avus-Museum soll sein.

„Ein Stück Berliner Geschichte, das bewahrt werden muss.“

Für den Marketingfachmann ist die hundertjährige Geschichte des Ortes ein Wert an sich: „Die Avus ist weltberühmt, hier wurde Automobilgeschichte geschrieben. Sie ist eine Marke der Stadt“, sagt er. Das ist unbedingt richtig, dennoch wäre das Berliner Verfahren üblicherweise ein Abriss des Alten.

Der Perser Hamid Djadda, der im Alter von vier Jahren mit seinen Eltern nach Hamburg zog, sein Abitur machte und in San Francisco Wirtschaft studierte, sagt aber begeisterte Sätze wie: „Das ist doch ein Stück Berliner Geschichte, das bewahrt werden muss.“

Silberpfeile mit 400 km/h

Die Avus (Automobil-Verkehrs- und Übungsstrecke) wurde 1921 als weltweit erste Straße, auf der ausschließlich Autos fahren durften, eröffnet. Sie war also auch die erste Autobahn, durfte allerdings wegen ihrer kurzen 8,3 Kilometer nur „autobahnähnlich“ heißen.

Die markante, 200 Meter lange Zuschauertribüne erinnert an die Ursprünge: Das fast schnurgerade durch den Grunewald führende Asphaltband (später Beton) mit engen Wendeschleifen am Nord- und Südende diente bis 1940 nicht dem öffentlichen Verkehr, sondern war Test- und Rennstrecke.

In den Dreißigern schossen Mercedes-Silberpfeile mit 400 Kilometern pro Stunde dahin; die Geschwindigkeiten lagen über heutigem Formel-1-Niveau.

Der Avus in den Achtzigern

Nach dem Zweiten Weltkrieg fuhren kleinere Sportwagen, aber schwere Unfälle führten bald zum Ende der Ur-Avus. Bis April 1998 wurden allerdings an etlichen Wochenenden noch Rennen gefahren.
Ansonsten war die Avus natürlich, was sie bis heute ist: der schnellste Weg Richtung Westen aus der Stadt heraus.

Besonders munter ging es in den Achtzigern zu, als West-Berliner Tempo- und Freiheitsfreunde in Protestkorsos zu verhindern suchten, dass die letzte „offene“ Autobahn Berlins ein Tempolimit erhielt. Die Autolobby spektakelte 1989 gegen die rot-grüne Verkehrspolitik. Bloß 100 km/h statt freie Fahrt für freie Bürger nach stundenlangem Schleichzwang beim Durchqueren der DDR! Genutzt hat’s nichts.