Aktionstag „Berlin sagt Danke“: 800.000 Berliner haben ein Ehrenamt
Man sollte nicht nur auf dem Sofa sitzen und gucken, wie sich die Stadt entwickelt, sondern selbst ein aktiver Teil der Stadt sein. Diesen Rat hatte am Sonntagnachmittag der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) parat. Im Roten Rathaus eröffnete er den „Markt der Möglichkeiten“, bei dem sich 50 Organisationen und Initiativen mit ihren Angeboten für Ehrenamtliche präsentierten. „Schon zum dritten Mal möchte sich Berlin für das großartige Engagement bei all denjenigen bedanken, die sich für ihre Stadt einsetzen“, sagte Müller.
Vielfältige Bereiche
Am Aktionstag „Berlin sagt Danke“ beteiligten sich am Sonntag etwa 150 Einrichtungen der Stadt, boten kostenlose Führungen, Veranstaltungen, freien Eintritt und Freikarten an. Zu ihnen gehörten Theater, Museen, Zoo und Tierpark, das Abgeordnetenhaus und Schwimmbäder. Der Aktionstag war 2016 auf Initiative des Abgeordnetenhauses und des Senats ins Leben gerufen worden. Den Anstoß dazu habe das große Engagement Freiwilliger gegeben, die sich einsetzten, als „viele Menschen bei uns Heimat und Schutz gesucht haben“, wie Müller sagte.
Das Engagement für Flüchtlinge spielte am Sonntag auch eine Rolle beim „Markt der Möglichkeiten“, dessen Stände unter den zwei großen strahlenden Kronleuchtern im Festsaal des Roten Rathauses aufgebaut waren. Unter anderem präsentierte sich der Berliner Zusammenschluss bridge, der die Vermittlung von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit fördert.
Vor allem aber konnte man an den Ständen sehen, dass die Bereiche, in denen man sich freiwillig engagieren kann, so vielfältig sind wie das Leben in der Stadt selbst. Das reichte von der Jugendfeuerwehr und dem Schulsanitätsdienst über den Einsatz 55-jähriger „Seniorpartner“ als Streitschlichter und Krisenbegleiter in der Schule bis zu den Angeboten der Stiftung Gute Tat. Diese hatte den Markt im Roten Rathaus organisiert. „Jeder kann helfen“, lautet ein Slogan der Stiftung, die eigenen Aussagen zufolge vor einem Jahr in Berlin die Zahl von 12.000 Ehrenamtlichen erreicht hat. Ihre Internetplattform gute-tat.de bietet Zugang zu etwa 900 sozialen Projekten pro Jahr.
Die Stiftung Gute Tat hat 2017 auch aus einer 15-jährigen Erfahrung heraus analysiert, welche Menschen sich bei ihr am meisten engagieren. Drei Viertel aller Ehrenamtlichen sind demzufolge jünger als 40 Jahre, 75 Prozent sind Frauen. Männer werden nach Aussagen der Stiftung Gute Tat überproportional in Bereichen wie Sport, Rettungsdienst und Politik aktiv, in denen die Stiftung nur selten Angebote mache.
Dafür sucht die Stiftung Freiwillige, die zum Beispiel dazu beitragen, Kinderheime in der Ukraine mit Kleidern und Nahrungsmitteln zu versorgen, die alte Menschen im Rollstuhl spazieren fahren oder einer 90-Jährigen vorlesen, aber auch kinderreichen Familien in ihrem Alltag helfen. Solche Menschen werden von ihr „Engel in Aktion“ genannt.
Vor allem Berliner aus östlichen Wohngebieten suchen im Vergleich zu anderen Stadtteilen ein geeignetes Engagement, wie die Stiftung 2017 mitteilte. Besonders interessiert seien jüngere Frauen aus Prenzlauer Berg.
Bei Workshops im Roten Rathaus wurde am Sonntag unter anderem auch darüber diskutiert, wie man sich im Sport engagieren kann, wie Social Media für das Ehrenamt besser genutzt werden könnte und wie soziales Engagement und unternehmerisches Handeln besser verbunden werden können.
Eigene Charta
Insgesamt etwa 800.000 Berliner engagieren sich ehrenamtlich „in einer bunten Palette von sozialen Aufgaben“, so schätzt der Verein Aktion Mensch. Im Jahre 2004 verabschiedeten Organisationen aus allen gesellschaftlichen Bereichen Berlins, die sich im Landesnetzwerk Bürgerengagement „aktiv in Berlin“ zusammengeschlossen haben, eine eigene Charta. Diesem Landesnetzwerk gehören mehr als 80 Organisationen an, vom Fahrrad-Club ADFC Berlin über die Berliner Aids-Hilfe, den Caritasverband, die Kinder- und Jugendförderung, das Sozialwerk Berlin, den Verein Leben mit Tieren und die Volkssolidarität bis zur Zeitzeugenbörse.
Die Charta nennt bürgerschaftliches Engagement einen „unverzichtbaren Bestandteil zum Wohle einer lebendigen, vielfältigen und solidarischen Gesellschaft“. Zugleich warnen die Organisationen: Die Arbeit Ehrenamtlicher dürfe „nicht als Lückenfüller für reduzierte sozialstaatliche Leistungen missbraucht werden“.