Klima-Aktivisten der Letzten Generation merken, dass die Gewalt langsam zunimmt
Am Montag fuhr ein Autofahrer über den Fuß eines Demonstranten, immer wieder kommt es zu gewalttätigen Übergriffen auf Mitglieder der Letzten Generation.

Tadzio Müller sagt, was ihn am meisten fasziniere, sei der Gesichtsausdruck der Menschen im Auto. Wenn er am Straßenrand stehe bei einer Blockade der Letzten Generation, dann schaue er sich jedes Gesicht hinter den Windschutzscheiben an. „Jeder Fahrer und jede Fahrerin hat eine starke Reaktion im Gesicht.“ Er könne die Wut sehen und auch den Hass. „Diese aggressiven Gesichtsausdrücke haben mich den ganzen Tag begleitet.“
Tadzio Müller hat sich selbst nicht auf die Straße geklebt, der 47-jährige Berliner Klimaaktivist hat die Aktion der Letzten Generation am Montag begleitet. Er hat gefilmt, wie die Aktivisten sich auf die Straße setzten, als die Fußgängerampel grün war, und als es für die Autos wieder grün wurde, konnten diese nicht weiterfahren. Sein Video wurde 150.000-mal angeschaut, sicher auch, weil sich einmal mehr die Aggressivität zeigt, die derzeit zunimmt, wie Müller sagt.
So wurde am Montagabend bekannt, dass am Messedamm ein Autofahrer einem Aktivisten über den Fuß gefahren sei. In einem Video, das der RBB zeigt, ist das zu sehen, und auch wie der Demonstrant vor Schmerzen aufschreit. Außerdem sieht man inzwischen häufiger Videos, die zeigen, wie Fahrer aussteigen und versuchen, die Menschen selbst von der Straße zu zerren. Die Wut der Autofahrer scheint zu wachsen.
Jakob Beyer von der Letzten Generation teilt diese Einschätzung. Der 29-jährige Sprecher der Gruppe sagt, er nehme eine Häufung solcher Meldungen wahr. „Wir führen keine Statistik über derartige Gewaltvorfälle, aber ich habe das Gefühl, dass die Reaktionen auf die Aktivisten immer aggressiver werden.“ Er habe gehofft, dass die Aggression eher abnehme, weil die Menschen sich an die Aktionen gewöhnen, aber das Gegenteil sei eingetreten.
Besonders der Vorfall am Messedamm, Ecke Halensee vom Montag zeigt die verschiedenen Stufen der Eskalation dieser Protestaktionen. So ist es laut dem Bericht eines Journalisten der Nachrichtenagentur dpa zuerst zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen: Fünf Autofahrer hätten diskutiert, dann ist auf einem Video zu sehen, wie zwei Autofahrer Aktivsten von der Straße zerren, schließlich fährt der Autofahrer über den Fuß eines Menschen.
Jakob Beyer, der selbst schon bei einer ähnlichen Aktion dabei war, sagt, dass die Anfänge der Klebe-Proteste meist am schwierigsten seien. Sobald die Polizei da ist, sorge die auch für die Sicherheit der Demonstranten, sagt er. Aber in den ersten Minuten sind die Aktivsten der Wut der Autofahrer ausgesetzt. „Wir bleiben bei unserem gewaltfreien Protest“, sagt er, „aber der Hass in den Augen ist schon krass.“
Aktivist Tadzio Müller konnte die Eskalation am Montag vom Fußweg aus merken, als er am Montag die Aktion filmte. „Es beginnt ja mit einem lauten Hupen“, sagt er, „und aggressiven Rufen.“ Das sei quasi die Audiodatei zu den hasserfüllten Gesichtern, die er hinter den Windschutzscheiben sehen könne. „Aber die Mitglieder der Letzten Generation halten das alles mit einer stoischen Ruhe aus.“ Tatsächlich gibt es ein Training für die Aktivisten, das die Gewaltfreiheit betont und sie auf das Verhalten der Autofahrer vorbereitet.
Die Aktivisten sagen, sie wollen in den kommenden Tagen weiter demonstrieren. Ob sie am Wahlsonntag Straßen blockieren, ist noch offen. Beyer: „Wir wollen auf jeden Fall weiter friedlich demonstrieren, um darauf hinzuweisen, dass wir uns auf eine Klimakatastrophe zubewegen.“
Noch am Dienstag wurde bekannt, dass sich der Fahrer des weißen Autos gemeldet hat. Er sei eine Stunde nachdem er über den Fuß des Mannes gefahren sei, zurückgekommen. Er habe sich entschuldigt und gefragt, ob er Schaden angerichtet habe. Das meldet die Letzte Generation. Dem Fuß sei nichts passiert.