Angriffe auf Geschäfte: Im Westen Berlins wird immer häufiger geschossen
Schusswechsel zwischen Tschetschenen und Russen, Einschusslöcher in dem Lokal einer arabischen Großfamilie und Projektile, die Fenster eines Cafés durchlöchert haben: Seit sieben Wochen gibt es auffällig viele Angriffe auf Berliner Geschäfte. Egal, ob tagsüber oder nachts – die Täter haben immer weniger Scheu, ihre Kontrahenten mit Schusswaffen einzuschüchtern. Wenn nötig, schießen sie nicht nur auf Fassaden, sondern auch auf Menschen.
Insbesondere im Westen der Stadt gibt es immer wieder Schüsse in der Öffentlichkeit. Bei den Opfern handelt es sich um eine sehr unterschiedliche Klientel. Da sind Frauen eines Stunden-Cafés oder Friseure genauso betroffen wie kriminelle Clans und osteuropäische Drogenhändler.
Einschusslöcher in den Fenstern
Am 16. Juni an der Exerzierstraße in Wedding: Betreiber des Stunden-Cafés „be’kech“ entdecken Einschusslöcher in ihren Fenstern. Die beiden geschäftsführenden Frauen vermuten, dass sie jemand vergraulen will. Niemand wird verletzt. Der Täter ist noch auf freiem Fuß.
Am 19. Juni um 2.55 Uhr an der Puderstraße in Treptow: Ein Motorroller-Fahrer feuert 15 Mal auf das Restaurant von Ex-Bushido-Manager Arafat Abou-C., der als Oberhaupt eines arabischen Clans gilt. Die Projektile durchschlagen Fenster, Türen und Möbel. Verletzt wurde niemand. Der oder die Täter bleiben unerkannt.
Am 5. Juli an der Kreuzberger Urbanstraße: Der Inhaber eines Friseursalons entdeckt morgens Einschusslöcher in den Fenstern seines Ladens. Niemand wird verletzt. Ermittler vermuten, dass der Unternehmer unter Druck gesetzt werden sollte. Unklar ist, ob das Motiv im geschäftlichen oder im privaten Bereich liegt.
Gangster aus der Kaukasus-Republik
Am 17. Juli an der Prinzenallee in Gesundbrunnen: Unbekannte haben um 3.45 Uhr Schüsse auf das Café Prinz abgegeben. Verletzt wird niemand. Hintergrund sollen Streitigkeiten zwischen den serbischen Besitzern und verfeindeten Kosovo-Albanern gewesen sein.
Am 3. August um 22.10 Uhr am Eichhorster Weg in Reinickendorf: Projektile durchlöchern die Fenster eines tschetschenischen Kulturvereins. Bei der Schießerei werden ein Russe (21) und ein Tschetschene (31) angeschossen. Zwei Männer werden in Tatortnähe festgenommen.
Möglicherweise ging es um eine Auseinandersetzung unter Kriminellen: Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass Tschetschenen in Berlin den Rauschgifthandel für sich erobern wollen. Die Gangster aus der Kaukasus-Republik – hemmungslos und im Bürgerkrieg kampferprobt – flüchteten in den vergangenen Jahren vermehrt in die Hauptstadt.
Hohe Gewaltbereitschaft
Erst im Mai 2017 hatten vier Tschetschenen und ein Mazedonier auf ein Lokal an der Groninger Straße in Wedding geschossen. Ein Albaner, dem der Anschlag galt, schoss zurück. Die Attentäter sollen die Geschäfte einer arabischen Rockerbande übernommen haben.
Das Vordringen tschetschenischer Banden hat nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden damit zu tun, dass sie konsequent auf Gewalteskalation setzen. „Haben sie einmal den Konkurrenzkampf aufgenommen, dann weichen sie nicht mehr zurück, sondern gehen auch mit hoher Gewaltbereitschaft vor“, sagt Kriminaldirektor Michael Nagel vom Bundeskriminalamt.
Keine Erklärung zu vermehrtem Schusswaffengebrauch
Am 5. August fallen wieder Schüsse an der Kreuzberger Urbanstraße. Diesmal schießt ein Türke (30) auf eine Bar, während sein türkischer Komplize (25) im Inneren des Lokals von Männern zusammengeschlagen wird. Der 25-Jährige wird sofort festgenommen, der 30-Jährige stellte sich gestern mit seinem Anwalt auf einem Polizeiabschnitt. Die Tatwaffe hatte er dabei. Der Schütze erhielt Haftbefehl wegen versuchten Totschlags. Was der Auslöser des Streits war, ist bisher unklar.
Eine fundierte Erklärung über den vermehrten Schusswaffengebrauch in der Öffentlichkeit könne die Polizei nicht geben, heißt es.