Antidiskriminierungsgesetz: Berliner Polizisten protestieren gegen Gesetzesentwurf
Berlin - Können Polizisten künftig keine Drogendealer mehr im Görlitzer Park kontrollieren? Dürfen sie an sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten keine Verdächtigen mehr durchsuchen, um nicht dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt zu werden? Gegen das geplante Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) laufen die Ordnungshüter jetzt Sturm. Am Dienstag verschickte der Gesamtpersonalrat der Berliner Polizei an alle 25.000 Mitarbeiter ein Schreiben, in dem er warnt: „Das Gesetz könnte erhebliche Auswirkungen auf das polizeiliche Handeln haben.“
Das Gesetz erleichtert die Erhebung von Diskriminierungsvorwürfen
Im Juni hatte der Senat einen entsprechenden Gesetzentwurf des Senators für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Dirk Behrendt (Grüne), beschlossen. Er wird derzeit in den Ausschüssen des Abgeordnetenhauses diskutiert.
Das LADG, das für die gesamte Berliner Verwaltung gilt, soll Schutz bieten vor Diskriminierungen etwa aufgrund rassistischer Zuschreibungen, ethnischer Herkunft, des Geschlechts, der Religion und Weltanschauung. „Berlin schafft ein Diskriminierungsverbot im Rahmen öffentlich-rechtlichen Handelns und macht eine Kultur der Wertschätzung von Vielfalt zum Leitprinzip der Berliner Verwaltung“, erklärte Behrendt. Er hofft, dass andere Bundesländer dem Beispiel Berlins folgen.
Bei Verstößen gegen das Gesetz haben Betroffene Anspruch auf finanzielle Entschädigung. Das Gesetz enthält unter anderem eine Regelung, die es erleichtert, Diskriminierungsvorwürfe zu erheben, ohne diese beweisen zu müssen. Es reicht, wenn sie glaubhaft gemacht werden.
Antidiskriminierungsgesetz sei „Grundlage für Massenklagen“
Auch ein Verbandsklagerecht ist vorgesehen: Ein Verband kann im eigenen Namen die Rechte eines Betroffenen vor Gericht geltend machen. Das könnten etwa der Migrationsrat und das Antidiskriminierungsnetzwerk sein, die ein solches Gesetz schon seit Jahren fordern.
Polizisten nehmen vor allem am Paragraf 7 Anstoß. Darin heißt es: „Werden Tatsachen glaubhaft gemacht, die das Vorliegen eines Verstoßes (etwa gegen das Diskriminierungsverbot; die Red.) wahrscheinlich machen, obliegt es der öffentlichen Stelle, den Verstoß zu widerlegen.“ Das interpretieren viele als Beweislastumkehr. Beamte müssen beweisen, dass sie den Dealer im Görlitzer Park – die meisten stammen aus Afrika – nicht kontrolliert haben, weil er schwarz ist. Ein Polizist eines Neuköllner Abschnitts gibt ein Beispiel: „Ich habe einen Taxifahrer überprüft, weil er nicht angeschnallt war. Zur Antwort kam: ,Weil ich schwarze Haare habe! Oder weil ihr Ölaugen jagt.’ Solche Äußerungen sind die Regel. Und dann muss ich beweisen, dass ich kein rassistisches Motiv hatte.“
Schon jetzt gehören Beschimpfungen wie „Nazi“ oder „Rassist“ zum Standard-Vokabular von Straftätern, die sich auf der Straße Auseinandersetzungen mit der Polizei liefern – zuletzt am Dienstag an der Weserstraße in Neukölln, als zwei arabische Großfamilien aufeinander einprügelten.
Es liege in der Natur der Sache, dass sich Betroffene von polizeilichen Maßnahmen regelmäßig ungerecht behandelt fühlten, erklärt der Gesamtpersonalrat in seinem Schreiben. Eine „vermutete“ diskriminierende Handlung sei in einem solchen Fall schnell angenommen. „Betrachtet man die Diskussionen um das sogenannte Racial Profiling aus den letzten Jahren, schafft man mit diesem Gesetz eine Grundlage für Massenklagen.“
Deutsche Polizeigewerkschaft sieht Verwaltung unter Generalverdacht
Entsprechend aufgebracht sind die Berufsverbände: „Bei der organisierten Kriminalität bekommt der Senat keine Beweislastumkehr hin, aber bei der Polizei“, sagt Jörn Badendick vom Verein Unabhängige in der Polizei. „Wer künftig in den Bereich polizeilicher Maßnahmen kommt, kann einfach Rassismusvorwürfe erheben, und der einschreitende Beamte trägt die Beweislast.“ Im schlechtesten Fall werde er von der Behörde bei Entschädigungszahlungen in Regress genommen.
Bodo Pfalzgraf von der Deutschen Polizeigewerkschaft sieht die gesamte Berliner Verwaltung, die nach seiner Ansicht bereits jetzt diskriminierungsfrei arbeitet, unter Generalverdacht. „Ob bei Polizeieinsätzen, ob bei Abschiebeentscheidungen der Ausländerbehörde, die mit normalen rechtlichen Argumenten hinterlegt sind – auf den letzten Metern wird dann dieses neue Gesetz angeführt.“ Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) moniert: „Letztlich zeigt ein Berliner Senator, dass er dem öffentlichen Dienst mehr misstraut als der organisierten Kriminalität.“
Racial Profiling ist bereits durch das Diskriminierungsverbot nicht erlaubt
Tom Schreiber vom Koalitionspartner SPD sagt: „Die Befürchtungen nehme ich ernst, und das muss ausgeräumt werden. Die Arbeit der Polizei darf weder direkt noch indirekt ver- oder behindert werden.“
Sebastian Brux, Sprecher des Justizsenators, rechtfertigt: „Kriminalitätsbelastete Orte sind keine rechtsfreien Räume. Auch hier gilt das Verbot von Racial Profiling, also von Kontrollen, die nicht an konkrete Verhaltensweisen der Kontrollierten, sondern an stereotype Vorstellungen der Kontrollierenden anknüpfen. Solche Kontrollen sind schon jetzt aufgrund des Diskriminierungsverbots im Grundgesetz verboten.“