Wenn es kein Entkommen gibt: Arbeiten in der Mega-Hitze am Alexanderplatz

Am Alex wird es jetzt so heiß wie kaum woanders in Berlin. Eine Tortur für jeden, der dort arbeiten muss. Ein Bericht vom brodelnden Asphalt.

Bauchladen-Verkäufer Merkan versucht, sich vor der gnadenlosen Sonne zu schützen.
Bauchladen-Verkäufer Merkan versucht, sich vor der gnadenlosen Sonne zu schützen.Sabine Gudath

Basti Müller muss die Schranke öffnen, das ist sein Job. Etwa alle drei Minuten kommt eine Tram über den Alex gerollt. Dann hebt er das rot-weiße Gitter zur Seite, das sonst Fußgänger daran hindert, über die Baustelle zu laufen. Monoton ist die Arbeit und hart. Besonders, wenn wie jetzt die Luft über dem Teer flimmert und die Füße glühen, weil es von unten genauso heiß strahlt wie von oben.

Die Sonne brennt vom wolkenlosen Himmel direkt auf Müllers Kopf. Der 36 Jahre alte Mann kann sich ihr nicht entziehen. Nicht hier auf dem Alex, dieser Betonwüste, vis-à-vis der Weltzeituhr. Er muss arbeiten. Alles, was er der Sonne entgegensetzt, ist ein nasser Lappen unter seiner Käppi in Tarnfarben. „Und viel trinken“, sagt er, „sehr viel trinken.“ Vier bis fünf Liter Wasser in einer Acht-Stunden-Schicht.

Daniel steht für die Pommeshelden an der Fritteuse.
Daniel steht für die Pommeshelden an der Fritteuse.Sabine Gudath

Es ist Dienstag, 13.15 Uhr. Über den Alex huschen die Leute von einem Schatten zum nächsten. Sie fächern sich mit ihren Masken Luft zu. Wenn es heiß wird in Berlin, so wie in diesen Tagen, dann wird es auf dem Alex noch ein bisschen heißer. Kein Baum, kein Gewässer mindert die Temperatur. Hier ist Hitze-Hotspot. Und heute ist es auch noch ziemlich voll. Vom Straßenfest „Berlin lacht“ weht der Duft von gebratenem Fleisch und Holzkohle herüber. Schlager vermischen sich mit Samba-Musik. Es gibt Cocktails, Würste, Eis. Aber nicht für Basti Müller.

Der Betriebsarzt hat eine Kühltasche mitgegeben

Seit 5.30 Uhr steht er hier, hat sich eingecremt und die Sonnenbrille auf. Unangenehm sei es seit 10.30 Uhr. Dabei hat er vermutlich noch Glück gehabt, verglichen mit anderen Bauarbeitern. Erst gestern hat ihm der Betriebsarzt eine Kühltasche mitgegeben fürs Wasser. Im Container ist eine Dusche, er hat einen kleinen Schirm, unter dem er sich vor der Sonne verschanzen kann. Zumindest in den drei Minuten, in denen keine Tram kommt. Und alle zwei Stunden macht er eine Pause. Dann geht er runter in den U-Bahnhof. Dort ist es schön kühl und es gibt kalte Getränke zu kaufen.

Schräg gegenüber von Müllers Baustelle ist die Polizeistation. Davor steht ein Polizeiwagen, darin zeigt das Thermometer 38 Grad an. Einer der Beamten sagt: „Die bekannten Schnapsleichen sind schon seit zwölf deutlich fertiger als sonst.“ Die Hitze macht allen hier zu schaffen. Auch Merkan, der mit seinem 30 Kilo schweren Bauchladen mit Ketten, Ringen und Gasmasken vor Primark steht. Mit einem Taschenregenschirm schützt er sich gegen die Sonne. „Heute sehr viel heiß“, sagt er und lacht. Auf dem Kopf trägt er eine sowjetische Militärmütze, die Gurte des Bauchladens schnüren in die Hüfte. In seiner Heimat Pakistan aber sei es jetzt noch viel heißer. Dort habe es unvorstellbare 48 Grad, sagt er.

Der Klimawandel ist in Berlin angekommen. Daniel, 41, Pommesbudenverkäufer gegenüber dem S-Bahnhof, bereitet die Hitze große Sorge. Jetzt sei es noch okay, solange die Sonne nicht direkt auf sein Geschäft scheine. „Aber ab halb vier könnten wir die Würste eigentlich auch ohne Grill braten“, sagt er.

Basti Müller öffnet die Schranke am Alex für die passierenden Trams.
Basti Müller öffnet die Schranke am Alex für die passierenden Trams.Sabine Gudath

Aber Würste kaufen die Leute gerade ohnehin nicht. Genauso wenig wie Pommes. Wenn überhaupt, mal die Avocado-Bowl mit frischem Limettensaft. Die sei erfrischend. Ansonsten wollen die Leute vor allem kalte Getränke, sagt er. Eigentlich müsste er heute gar nicht arbeiten. Sein Kollege habe verpennt. „Bei dem hab ich jetzt einen gut.“

Gegen die Hitze hilft vor allem trinken. Das sagen sie alle hier, die in diesen heißen Stunden auf dem Alex nicht einfach zum nächsten Schatten springen können. Die arbeiten müssen, da wo keiner sich freiwillig länger als nötig aufhalten will. Eine Sache sei beim Trinken echt kurios, sagt Daniel noch, kurz bevor er die nächste Ladung Pommes ins heiße Frittenfett kippt: „Man kann bei diesen Temperaturen so viel trinken, wie man will, aufs Klo muss man eigentlich nie.“ So schnell sei alles wieder ausgeschwitzt.