Arbeitslos in Berlin: Jobpaten geben Berufsberatung beim Spaziergang
Der junge Mann ist nicht zum vereinbarten Termin erschienen, eigentlich wäre das ein Grund, verärgert zu sein. Doch Hanna Sostak lächelt, als sie davon erzählt. „Er hat ein Vorstellungsgespräch“, sagt die 48-Jährige. Das ist die beste Entschuldigung, die der Mann überhaupt vorbringen kann – schließlich wollte der Arbeitslose bei einem Treffen mit Hanna Sostak über seine berufliche Zukunft reden.
Sostak arbeitet ehrenamtlich als Jobpatin – sie unterstützt Arbeitslose bei ihrem Weg zurück ins Berufsleben. Hanna Sostak, die als Ausbilderin für Bewerbungstrainer arbeitet, ist nicht die einzige Patin: Mehr als 1.300 Unterstützer hat das Jobpaten-Projekt der Diakonie bundesweit, in Berlin sind es etwa 60 bis 70 Paten. Sie sind Ex-Manager, Personalchefs oder Selbstständige, und sie arbeiten ehrenamtlich. Die Vermittlungsquote liegt bei 75 Prozent, in den Jobcentern oder Arbeitsagenturen sind es nur zehn Prozent.
Idee aus den Niederlanden
Die Idee der Jobpaten stammt aus den Niederlanden. „Anfangs waren es vor allem Manager von Unternehmen, die als Paten tätig waren“, sagt Norbert Grosse, der im Diakonie-Projekt für die Region Berlin zuständig ist. Mittlerweile stammen die Paten vor allem aus jenen Berufsgruppen, die selbst Personal einstellen.
Das Verfahren selbst ist klar geregelt: Unter den Arbeitssuchenden, die sich selbst gemeldet haben, wählt der Pate einen Klienten, der gut zu seiner eigenen beruflichen Situation passt. Dann folgen eine Kennenlernphase, die Orientierung – was will und kann der Arbeitslose – und später der Integrationsplan, der die nächsten Schritte festlegt.
„Das Besondere ist die Abwesenheit von Zwang“
Hanna Sostak, die seit Dezember als Jobpatin arbeitet, ist begeistert. „Das Besondere ist die Abwesenheit von Zwang – anders als beim Jobcenter“, sagt sie. Deshalb seien sowohl Arbeitssuchende als auch Vermittler sehr motiviert. Zudem gehe es sehr ungezwungen zu. So habe sie sich mit einer Klientin zum Spaziergang um einen See verabredet.
Sostak hat sich auf die Kompetenzbilanzierung spezialisiert, das heißt, sie versucht auch herauszufinden, welche Stärken ihre Klienten haben – und zwar jenseits von Unterrichtsfächern oder erworbenen Kenntnissen. So habe sie einer Frau vorgeschlagen, in einem Gefängnis zu arbeiten. „Darauf wäre sie nie gekommen“, sagt Sostak, „jetzt bewirbt sie sich.“
„Ich suche das eine, das auf mich passt“
Auch Kristina Votteler ist eine der Klientinnen von Hannah Sostak. Die 56-Jährige ist seit 2004 ohne Arbeit, nun hofft sie auf die Unterstützung der Patin. „Ich suche das eine, das auf mich passt“, sagt Votteler. Sie habe in Deutschland zwar keinen Schulabschluss, aber in Holland studiert. Sie könne sehr viel, brauche aber jemanden, „der mich anschaut und meine Fähigkeiten erkennt“. Am Schluss wolle sie sagen können: „Das kann ich und das möchte ich.“
In der Diakonie ist man sichtlich stolz auf das Jobpaten-Projekt, das 2011 sogar den Deutschen Engagementpreis gewonnen hat – den wohl größten Ehrenamtspreis Deutschlands. Mehr als 3.000 Arbeitslosen habe man bundesweit zurück in den Beruf geholfen, sagt Norbert Grosse, der überwiegende Teil davon sei aus Berlin und Brandenburg gewesen. Für die Jobpaten wiederum, so Grosse, spiele der Einsatz für andere eine große Rolle und die Möglichkeit, eigene Kompetenz einzubringen.
„Ich kann das jederzeit weiterempfehlen“
Das mag auch Joachim Gaissert an seiner ehrenamtlichen Tätigkeit bei den Jobpaten. „Ich kann das jederzeit weiterempfehlen“, sagt der 64-jährige Ruheständler, der früher bei Bombardier gearbeitet hat. Früher habe seine Frau Zeit für ehrenamtliche Tätigkeit gehabt. „Jetzt bin ich an der Reihe.“
Der junge Mann, der damals nicht zum Termin mit Hanna Sostak erschienen ist, benötigt die Hilfe seiner Jobpatin inzwischen nicht mehr. Er hat eine Festanstellung gefunden. Im Mai ging es los.