Auf einer wichtigen Pendlerstrecke nach Berlin werden die Züge kleiner

Die Heidekrautbahn wird künftig umweltfreundlich mit Wasserstoffzügen betrieben. Doch die Fahrzeuge  haben weniger Sitzplätze als die heutigen Triebwagen.

Umweltfreundlich, aber nur zweiteilig: Die Simulation zeigt einen Wasserstoffzug vom Typ Mireo Plus H in den Farben der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB). Der Einsatz soll Ende 2024 starten.
Umweltfreundlich, aber nur zweiteilig: Die Simulation zeigt einen Wasserstoffzug vom Typ Mireo Plus H in den Farben der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB). Der Einsatz soll Ende 2024 starten.Siemens/NEB

Eine Premiere für Berlin und Brandenburg: Künftig werden Wasserstoffzüge von Berlin nach Basdorf, Wandlitz und zu weiteren Orten nordöstlich der Stadt fahren. Die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) hat Siemens damit beauftragt, für die Heidekrautbahn sieben Züge mit Brennstoffzellenantrieb zu bauen. Während die heute dort eingesetzten Triebwagen Dieselabgase ausstoßen, werden ihre Nachfolger nur Wasserdampf hinterlassen. Die einzelnen Fahrzeuge können jedoch nicht so viele Menschen befördern wie die heutigen Züge. Sie sind kleiner. Worauf müssen sich die Fahrgäste einstellen?

„Bahnfahren ist schon heute die mit Abstand klimafreundlichste Art zu reisen“, sagte Michael Peter, Chef von Siemens Mobility. Mit der Umstellung auf Wasserstoff ließen sich die Auswirkungen auf die Umwelt weiter verringern. Beim Betrieb der Heidekrautbahn werden in Zukunft pro Jahr 1,1 Millionen Liter pro Jahr Diesel gespart, hieß es. Dadurch dringen rund drei Millionen Kilogramm klimaschädliches Kohlendioxid nicht mehr in die Atmosphäre. Die Brennstoffzellen erzeugen aus Wasserstoff Strom.

Ab 2024 mit Gratis-Wlan von Berlin zum Wandlitzsee und zum Liepnitzsee

Für das 46 Kilometer lange Netz der Heidekrautbahn hat die NEB bei Siemens sieben zweiteilige Triebwagen vom Typ Mireo Plus H bestellt. Sie werden kostenloses Wlan bieten, es gibt einen Familienbereich sowie zwei Mehrzweckabteile für Kinderwagen, Rollstühle und Fahrräder. Die Wasserstoffflotte soll im Herbst 2024 geliefert und ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2024 eingesetzt werden. Sie wird auf Strecken eingesetzt, die von Brandenburger Pendlern und Berliner Ausflüglern gut genutzt werden.

Zur Regionalbahnlinie RB27 gehört zum einen die Verbindung von Berlin Gesundbrunnen und Berlin-Karow nach Basdorf. Von dort zweigt ein Gleis nach Wensickendorf und Schmachtenhagen ab, das andere Gleis führt über Wandlitz in die Schorfheide nach Groß Schönebeck. Unterwegs stoppen die Züge dort unter anderem in Wandlitz- und Lottschesee, der Liepnitzsee liegt nicht weit von der Strecke entfernt.

Genehmigungsverfahren für Stammstrecke geht nur langsam voran

Mit der Wiederbelebung der Stammstrecke für den Personenverkehr soll wie berichtet ein weiterer Linienast dazukommen. Er wird in Berlin-Wilhelmsruh beginnen, erschließt Teile von Pankow und das Märkische Viertel, durchquert Schildow und Mühlenbeck, bevor er kurz vor Basdorf einmündet. Bislang ist davon die Rede, dass der Betrieb Ende 2024 beginnt. Allerdings geht das Planfeststellungsverfahren nur langsam voran. Die öffentliche Auslegung der Unterlagen, die im zweiten Quartal 2022 beginnen sollte, lässt auf sich warten. „Als Folge der Reaktivierung gehen die Planer von rund 800 Personenfahrten je Werktag aus, auf Teilabschnitten von mehr als tausend“, so Jan Thomsen, Sprecher von Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne). Erwartet wird, dass jährlich 5,3 Millionen Kilometer zusätzlich mit dem Nahverkehr zurückgelegt werden.

Mit Diesel betrieben, aber dreiteilig: ein Dieseltriebwagen vom Typ Talent nordöstlich von Berlin. Mit solchen  Fahrzeugen wird der Betrieb auf der Heidekrautbahn seit zwei Jahrzehnten abgewickelt. 2024 soll Schluss sein.
Mit Diesel betrieben, aber dreiteilig: ein Dieseltriebwagen vom Typ Talent nordöstlich von Berlin. Mit solchen Fahrzeugen wird der Betrieb auf der Heidekrautbahn seit zwei Jahrzehnten abgewickelt. 2024 soll Schluss sein.Christian Bedeschinski, NEB

„Wir sind stolz darauf, mit der Heidekrautbahn das erste Netz in der Region Berlin-Brandenburg zu betreiben, auf dem Wasserstoff-Brennstoffzellenzüge zum Einsatz kommen werden“, sagte Detlef Bröcker, der Vorstand der Niederbarnimer Eisenbahn, am Montag. „Mit einer technologisch und ökologisch erneuerten Eisenbahn möchten wir die Energie- und Verkehrswende aktiv fördern und zudem die Attraktivität des Nahverkehrs für Berufsverkehr und Tourismus steigern.“

Der Einsatz auf der Heidekrautbahn ist Teil eines vom Bund sowie den Ländern Berlin und Brandenburg geförderten Pilotprojektes zum Aufbau einer regionalen, nachhaltigen Wasserstoff-Infrastruktur. Das Gas soll durch Elektrolyse mit Strom aus Windenergie erzeugt werden. Partner sind die Firma Enertrag und die Kreiswerke Barnim.

Zu groß? Alstoms Wasserstoffzug gewann die Ausschreibung nicht

Die Firma Siemens Mobility, die mit der Bestellung aus Berlin den ersten Serienauftrag für eine Wasserstoffflotte bekommt, hatte sich bei dem Vergabeverfahren gegen andere Anbieter durchgesetzt. So kam der Bahnhersteller Alstom, der seinen iCoradia Lint vor drei Jahren auf der Heidekrautbahn vorgeführt hatte, nicht zum Zuge. Dessen Wasserstoff-Fahrzeug sei „zu groß“ und könne nicht verkürzt werden, hieß es in Bahnkreisen. Der Alstom-Zug bietet ungefähr genauso viel Kapazität wie die rund 20 Jahre alten Dieseltriebwagen vom Typ Talent, die heute auf dem Netz der Heidekrautbahn unterwegs sind. Die Dreiteiler haben 156 Sitzplätze und 150 Stehplätze.

In den Mireo-Zweiteilern, die ab Ende 2024 nordöstlich von Berlin rollen sollen, können dagegen nicht so viele Menschen mitfahren. Bei Siemens ist von 128 Sitzplätzen pro Zug die Rede. „Die Zahl der Sitz- und Stehplätze steht noch nicht endgültig fest“, teilte eine NEB-Sprecherin der Berliner Zeitung auf Anfrage mit. „Es wird voraussichtlich zwischen 128 und 140 Sitzplätze pro Zug geben.“ Die Kapazitäten würden derzeit noch mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) abgestimmt. Im Mehrzweckbereich könnten voraussichtlich bis zu zwölf Fahrräder befördert werden, hieß es weiter.

Wie passt das zu dem Ziel, mehr Nutzer für den Nahverkehr zu gewinnen?

Die neuen Fahrzeuge werden also kleiner sein als die heutigen Züge auf dem Netz der Heidekrautbahn. Wie passt das zu dem Ziel, mehr Nutzer für den Nahverkehr zu gewinnen? Müssen die Fahrgäste enger zusammenrücken? „Es stimmt, dass die Talente auf der RB27 heute 156 Sitzplätze haben“, bestätigte die Sprecherin. „Die Wasserstoffzüge werden jedoch planmäßig häufiger in Doppeltraktion fahren.“ Das bedeutet: Zwei Triebwagen werden gekuppelt und verkehren zusammen – das schafft bei diesen Fahrten die doppelte Kapazität. Außerdem wird es mit der Stammstrecke künftig einen weiteren Streckenast nach Berlin geben, so VBB-Sprecher Joachim Radünz.

Nach der Kalkulation des Verkehrsverbunds werde die Gesamtkapazität der Heidekrautbahn von und nach Berlin in zweieinhalb Jahren auf jeden Fall steigen. Heute gibt es tagsüber zwei Fahrten pro Stunde nach Berlin-Karow, montags bis freitags in Stoßzeiten verkehren außerdem Züge nach Berlin Gesundbrunnen. Damit fahren in Spitzenstunden außerhalb des Wochenendes drei Talent-Triebwagen nach Berlin, insgesamt 468 Menschen können zu diesen Zeiten in diesen Zügen im Sitzen reisen.

Ab Ende 2024 sieht die Rechnung für die Stunden mit dem größten Zugangebot dann so aus: Ein Zug nach Berlin-Wilhelmsruh, ein Zug nach Berlin-Gesundbrunnen, beide fahren in Einzeltraktion. Außerdem zwei Züge pro Stunde nach Berlin-Karow – von denen einzelne Fahrten in Doppeltraktion gefahren werden. Unterm Strich kommt für die Spitzenstunden montags bis freitags eine Kapazität von 640 Sitzplätzen heraus, so der VBB. Fahrgäste berichten aber, dass der Andrang auch am Wochenende groß ist.

NEB setzt sich für Halbstundentakt nach Klosterfelde ein

Es werde weitere Verbesserungen geben, ergänzte die Sprecherin der Niederbarnimer Eisenbahn. „Das Mehrzweckabteil der neuen Züge wird stärker an die Fahrgastbedürfnisse, wie wir sie heute erleben, angepasst“, sagte sie. „Zudem setzt sich die NEB für Angebotsverbesserungen auf der RB27 ab 2024 ein.“

Wie berichtet wäre es nach Angaben des Unternehmens ohne größere zusätzliche Kosten möglich, nach Wandlitz, Wandlitzsee und Klosterfelde einen 30-Minuten-Takt anzubieten. Nach Groß Schönebeck könnte es einen 60-Minuten-Takt geben. In beiden Fällen würde dies eine Verdoppelung des Zugangebots darstellen, so das Unternehmen. Der andere Streckenast könnte nach Zehlendorf verlängert werden.