Ausstellung im früheren SA-Gefängnis: Späte Ehrung
Seinen Großvater väterlicherseits hat Ulrich Ebel (72) nie kennengelernt. Doch dessen Grab auf dem Parkfriedhof Lichterfelde hält die Familie seit acht Jahrzehnten in Ehren. Der Sozialdemokrat Max Ebel war Leiter der Ambulatorien der Berliner Krankenkassen. Er starb am 11. April 1933 im Alter von 54 Jahren im SA-Gefängnis Papestraße.
Am Donnerstag wird in dem roten Backsteinbau, der die offizielle Adresse Werner-Voß-Damm 54 a trägt, eine Dauerausstellung eröffnet. Sie ist den Opfern des NS-Terrors gewidmet. „Das ist auch für meinen Großvater eine späte Ehrung“, sagt Ulrich Ebel. Sein Opa wurde am 23. März 1933 verhaftet, ins Gefängnis Plötzensee gebracht, kurz danach wieder freigelassen.
„Am 10. April wurde er erneut verhaftet und dann in die Papestraße verschleppt. Er starb nur einen Tag später. Der Familie wurde gesagt, er habe sich das Leben genommen, mit drei zusammengeknüpften Taschentüchern.“ Geglaubt habe das niemand. „Großvater galt als Mann, der nicht schnell aufgab.“
500 Menschen waren inhaftiert
Das Gefangenenlager der SA in der Papestraße war in einer ehemaligen Kaserne der Preußischen Eisenbahnregimenter eingerichtet worden, es wurde von März bis Dezember 1933 betrieben. Im Keller des Gebäudes wurden politisch Andersdenkende, Juden und andere vom NS-Regime Verfolgte verhört und gefoltert. Forschungen des Bezirksmuseums Tempelhof-Schöneberg haben ergeben, dass knapp 500 Personen in der Papestraße in Haft waren. „Rund 30 Menschen kamen während der Haft oder wegen ihrer unmittelbaren Folgen ums Leben“, sagt Irene von Götz, die Kuratorin der Ausstellung.
Laut Museumsleiterin Petra Zwaka ist der Kasernenkeller, der später lange als Lagerraum genutzt wurde, der einzige historische Ort in Berlin, wo sich noch authentische Spuren des NS-Terrors aus dem Jahr 1933 finden lassen – beispielsweise ein in die Wand geritztes Hakenkreuz mit den Initialen FJK III B. Sie stehen für Feldjägerkorps, wie die SA-Einheiten zunächst hießen, die römische Drei und der Buchstabe B bezeichnen die für Berlin zuständigen Einheiten. „Das stammt vermutlich von den Wachmännern“, sagt Kuratorin von Götz.
Seit zwei Jahren schon können die Kellerräume besichtigt werden. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Gebäudeeigentümer hat sie dem Bezirk mietfrei zur Verfügung gestellt, für einen Erinnerungsort. Mit der neuen Dauerausstellung, die mit 200 000 Euro von der Lottostiftung gefördert wurde, ist nun viermal statt zweimal wöchentlich geöffnet. Künftig soll es sonntags auch eine Führung durch die Ausstellung geben. Besucher können sich anhand von Fotos, Schrift- und Tondokumenten über das SA-Gefängnis informieren, viele Schulklassen werden erwartet. In einem kleinen Archiv finden sich Haftberichte und die Namen aller Internierten sowie Prozessakten.
Lange wurde darum gerungen, den Terrorkeller als Gedenk- und Lernort zu gestalten, erinnert sich Ulrich Ebel, Sozialdemokrat wie sein Großvater. Der Wirtschaftswissenschaftler, lange in der Senatswirtschaftsverwaltung tätig, war vor der Bezirksfusion Bezirksverordneter in Tempelhof. „Bereits damals hatten wir uns für eine Gedenkstätte eingesetzt.“ Der Anstoß dafür kam von Initiativen aus dem Bezirk: der Geschichtswerkstatt Papestraße und dem Förderverein Gedenkstätte Papestraße. 2003 erfolgte dann ein entsprechender Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg.
Verschollen geglaubte Dokumente
Durch die Forschung für die Ausstellung wurden auch längst verschollen geglaubte Dokumente entdeckt. „Unsere Familie hatte nie eine Sterbeurkunde für den Großvater erhalten“, sagt Ulrich Ebel. Kuratorin von Götz habe diese nun im Landesarchiv gefunden. Der Tod von Max Ebel war bereits einen Tag später beurkundet worden. „Er sei in der Einrichtung tot aufgefunden worden, heißt es in dem Schriftstück lapidar“, sagt Ulrich Ebel.
Früheres SA-Gefängnis Papestraße, Werner-Voß-Damm 54 a. Eröffnung der Ausstellung 14. März, 18 Uhr (im Haus Werner-Voß-Damm 62). Danach geöffnet: Di–Do u. So 14–18 Uhr. Für Gruppen bei Voranmeldung unter Tel. 90 277 61 63 auch Mo–Fr von 10–14 Uhr. Eintritt frei.
Im Internet unter www.gedenkort-papestraße.de