Ausgerechnet Hildegard Kneefs sarkastisch-schönen Song „Ich brauch’ Tapetenwechsel…“ haben die Leute vom Schwulen Museum, sozusagen als Leitmotiv, für ihre Jubiläumsschau gewählt. Jene Geschichte von der Birke, die sich in der Dämmerung auf den Weg macht, um endlich gesehen zu werden und aufzutreten, mitzumischen in der Welt.
30 Jahre alt wird soeben das Schwule Museum Berlin, diese Errungenschaft fürs Coming out und die Emanzipation all derer, die eben anders sind und anders lieben. Und es hat inzwischen ziemlich gut mitgemischt in der Gesellschaft, ist immer selbstbewusster aufgetreten, ist längst akzeptiert, beliebt, geschätzt, also angekommen in der Normalität.
Homosexualität jahrhundertelang tabuisiert
Eine Normalität, die besagt: Mann und Frau, Mann und Mann, Frau und Frau. Die Liebe ist vielfältig. Bei jedem Besuch in diesem Museum, auch in dessen Außenwirkung in die Stadt, spürt man den Wandel in der ideologischen Gemengelage um das jahrhundertelang tabuisierte, diffamierte Thema Homosexualität.
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Das einst Trotzige, Provokante, Spontane, mit dem das Schwule Museum noch wenige Jahre vor dem Mauerfall vor allem für die Rechte schwuler Männer startete, ist abgelöst von einem profilierten, professionellen Ausstellungskonzept und wissenschaftlicher wie gesellschaftspolitischer Öffentlichkeitsarbeit hinsichtlich der Geschlechterfragen und der Regenbogengesellschaft. An diesem Montag wird gefeiert und alle sind willkommen: die schwule, lesbische, transsexuelle Community der Stadt, ebenso die Heteros.
Vor zwei Jahren erst war das Museum seinen dürftigen Räumen am Mehringdamm entronnen und mietete sich in ein vormaliges Druckereigebäude mit großem Gewerbehof in der Lützowstraße ein. 1600 Quadratmeter Fläche hat das Museum, allein 720 Quadratmeter für Ausstellungen, der große Rest für Archiv, Büros, die öffentliche Bibliothek. Alle Räume auf drei Etagen sind barrierefrei.
Mit eher bescheidenen 600.000 Euro wurde das Projekt realisiert. Das Geld kam aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und von der Deutschen Klassenlotterie. In ganz Europa findet sich keine vergleichbare museale Instanz, die sich der Emanzipation, der Gleichstellung, dem Respekt und der Toleranz anderer Lebensweisen und deren Erforschung verschrieben hat.
Zeit für eine große Rückschau
„Tapetenwechsel“, sagt Kurator Wolfgang Theis über die Jubiläumsschau, „ist ja viel mehr als Tünche, es ist eine Veränderung, die aber doch nur einen neuen Hintergrund für das vorhandene Inventar abgibt.“ Er und seine Kollegen feiern den Geburtstag also bewusst nicht mit einer weiteren speziellen künstlerischen Sonderschau, sondern holten stattdessen einmal die weithin unbekannten Sammlungsbestände in ihrer Vielfalt ans Tageslicht.
In den letzten 30 Jahren nämlich entstanden Kontakte. Erstaunliche Objekte tauchten auf, etwa bei Künstlern, in Antiquariaten, auf Auktionen und Flohmärkten. Vieles brachten Sammler und Besucher ins Haus, Sponsoren verhalfen dem Museum zu Ankäufen. Künstler schenkten ihre Werke. Die Sammlung wuchs. Nach dreißig Jahren, so beschloss das Museumsteam mit seinen 40 ehrenamtlichen Mitarbeitern, ist es Zeit für eine große Rückschau.
Eine Mammutaufgabe, meint Theiß, denn: „Wir befreien all die Dokumente, Fotos, Kunstwerke aus dem Archiv, füllen damit Wände, Vitrinen, Sockel und unsere Gespräche und Debatten. Wir erzählen endlich einmal die Geschichten all der Dinge: woher sie kamen, wie wir sie erwarben, wie wir sie vor dem Vergessen retteten.“