Autofreier Tag: Nur der gute Wille allein reicht nicht aus

Es hätte sicher nicht geschadet, den freiwilligen Verzicht auf das eigene Auto attraktiver zu machen, etwa durch kostenlosen Nahverkehr.

Ob das Beispiel Friedrichstraße Schule machen wird? Immerhin bei gutem Wetter scheint die Verkehrsberuhigung ein Erfolg zu sein.
Ob das Beispiel Friedrichstraße Schule machen wird? Immerhin bei gutem Wetter scheint die Verkehrsberuhigung ein Erfolg zu sein.Gerd Engelsmann

Berlin-Der autofreie Tag sah vergangene Woche wie ein Abbild jedes anderen Wochentages aus. Es hätte sicher nicht geschadet, den freiwilligen Verzicht auf das eigene Auto attraktiver zu machen, etwa durch kostenlosen Nahverkehr. Andererseits: Da die Infektionszahlen steigen, hätten wohl auch dann die meisten Autofahrer ihr eigenes Vehikel vorgezogen. Während der Verkehr also floss oder stand wie eh und je, waren ein paar kleinere Straßen tatsächlich für den Autoverkehr gesperrt und als Spielstraßen freigegeben.

Das liegt derzeit ziemlich im Trend. In Friedrichshain-Kreuzberg, immerhin einem der am dichtesten besiedelten Viertel Europas, entstanden während des Lockdowns eine Vielzahl temporärer Spielstraßen, auch weil die Spielplätze wochenlang gesperrt waren. Warum es dort verboten war, miteinander zu spielen, dafür aber völlig ok, sich auf der Straße direkt vor dem Spielplatz zu treffen, bleibt wohl auf ewig ein Mysterium der vergangenen Monate.

Das Ganze hat in Berlin eine gewisse Tradition, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Nach dem Krieg (und natürlich erst recht davor) waren die Straßen die Refugien der Kinder, die dort den ganzen Tag Hopse spielten, ohne von einem relevanten Autoverkehr gestört zu werden. Seitdem haben sich Stadtbild, Individualverkehr und Bevölkerungszahl dramatisch verändert. Im Kampf um Freiräume ist heute schon ein gesperrter Straßenabschnitt ein Erfolg.

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Neulich schoss ein ehemaliger Arbeitskollege auf so einem Stück mit seinem Nachwuchs einen Ball hin und her. Beim Schuss des Kindes blieb der immer in einer Pfütze hängen, die sich an einer der vielen Stellen gebildet hatte, an denen der Asphalt aufgeplatzt ist und das Kopfsteinpflaster freilegt. In der Parallelstraße gibt es einen Fußballplatz mit Tartan-Belag, auf dem es sich angenehmer spielen lässt. Aber gut, muss jeder selbst wissen.

Ein paar Straßen sind sonntags immer noch für Autos gesperrt, aber ihre Anziehungskraft ist weitgehend verlogen. Die Spielplätze machen ihnen längst wieder Konkurrenz. So sitzen die Kiezpaten in ihren grellgelben Westen tatenlos vor den mobilen Absperrschranken, dahinter eine menschenleere Straßenflucht.