Berliner Pride Month: Daddy, Bär, Otter - Glossar zu den Typen der Schwulenszene

Was im Gay-Jargon „Bär“ bedeutet, können Sie erahnen. Aber kennen Sie auch „Cubs“ und „Puppys“, „Otter“ und „Gabis“? Eine kleine Einführung in die Szene.

Wuff wuff: Gleich ein ganzes Rudel „Puppys“ macht die Leipziger Straße in Berlin unsicher.
Wuff wuff: Gleich ein ganzes Rudel „Puppys“ macht die Leipziger Straße in Berlin unsicher.Imago

Der offizielle Pride Month ist in vollem Gange und endet in der kommenden Woche mit dem Christopher Street Day am Sonnabend (23. Juli). Viele Hunderttausend Menschen werden für die große Parade erwartet und natürlich wird auch heftig geflirtet und gefeiert. Traditionell zeigt die LGBTQ+-Community dabei auch, was sie hat, will und ist. Otter treffen auf Bären, Gabis auf Dragqueens und Twinks auf Tops und Bottoms? Nichts verstanden? Wir haben hier für Sie, egal welcher sexuellen Ausrichtung Sie sich zugehörig fühlen, ein kleines Glossar erstellt, mit dem Sie sicher durch den Berliner Pride Month kommen.


1. TOP

Klare Rollenverteilungen erleichtern die Partnersuche. So jedenfalls die gängige Idee hinter dem Prinzip „Top/Bottom“, also „oben/unten“. Die Bezeichnung „Top“ bezieht sich allerdings in der Regel nur auf Sex, mit anderen Worten: Wer im Bett den Ton angibt, muss dies nicht auch automatisch außerhalb des Schlafzimmers tun.

Da sagt jemand, wo’s langzugehen hat: „Halt’s Maul und küß’ mich“, fordert ein dominanter CSD-Besucher.
Da sagt jemand, wo’s langzugehen hat: „Halt’s Maul und küß’ mich“, fordert ein dominanter CSD-Besucher.Imago

2. POWER BOTTOM

Lange Zeit waren die Rollen in der Schwulenszene klar verteilt. Es gab die „Tops“ und die „Bottoms“; jene, die beim Schnackseln aktiv sind, und jene, die den passiven Part genüsslich einnehmen. Das wirkte manchmal auch auf die Rollen außerhalb des Schlafzimmers zurück: Dem möglichst maskulinen „Top“ stand der softere „Bottom“ gegenüber – womöglich war das eine Antwort, die arglose Heteros hören wollten, wenn sie ihre obligatorische Dussel-Frage stellten: „Wer ist eigentlich die Frau in eurer Beziehung?“

Ein bisschen mehr Klarheit bringt seit einigen Jahren der Begriff „Power Bottom“ in die Sache – Klarheit nämlich, dass es ein eindeutiges „Oben“ und „Unten“ im Schwulenbettchen gar nicht gibt: Der „Power Bottom“ ist technisch gesehen passiv, nimmt im übertragenen Sinne aber die Rolle des Aktiven ein, gibt trotz seiner gebückten Haltung den Ton an und sagt, wie der Hase läuft.

Bricht mit den gängigen Rollenbildern: Ein selbstbewusster „Power Bottom“ gibt auf dem CSD die Richtung vor.
Bricht mit den gängigen Rollenbildern: Ein selbstbewusster „Power Bottom“ gibt auf dem CSD die Richtung vor.Imago

3. DADDY

Kaum eine Homo-Kategorie ist so einfach erklärt wie der „Daddy“: Ein „Daddy“ ist ein älterer Schwuler – und damit hat sich das. Aber natürlich gibt es Auslegungs- und Darbietungsformen, die unterschiedliche „Daddy“-Typen ausmachen. Wie in der drögen Hetero-Sprache auch gibt es den „Sugardaddy“, der sich durch finanzielle Zuwendungen und eine generelle Großzügigkeit auszeichnet; außerdem gibt es in der Szene den „Daddy“ mit pädagogischem Anspruch, der sein Gegenüber in bester Zuckerbrot-und-Peitsche-Manier je nach Verhalten belohnt oder bestraft; zudem noch jenen „Daddy“, dem in inzestuösen Pornoszenen ein deutlich jüngerer „Son“ zur Seite gelegt wird.

Weniger gängig ist übrigens der Begriff „Dad“ oder das eher im spanischsprachigen Raum gebräuchliche „Papi“ – was wiederum bitte nicht mit dem „Puppy“ zu verwechseln ist!

Nach oben hin offen: Die Übersteigerung des „Daddys“ nennt man im Schwulenjargon „Granddaddy“.
Nach oben hin offen: Die Übersteigerung des „Daddys“ nennt man im Schwulenjargon „Granddaddy“.Imago

4. TWINK

Dem amerikanischen Küchlein Twinkie entlehnt, bezeichnet „Twink“ einen oft jungen, aber immer sehr schlanken, zumeist devoten Mann, der beim Sex zumeist den passiven bis devoten Part für seinen „Daddy“ einnimmt. Mehr Klischee geht dann aber auch schon nicht mehr, kann aber noch in verschiedenen Rollenspielen erweitert werden, etwa Polizist, Doktor, Lehrer, Priester und so weiter.

Hält wahrscheinlich Ausschau nach potenziellen „Daddys“: ein einsamer „Twink“ am Rande der CSD-Parade.
Hält wahrscheinlich Ausschau nach potenziellen „Daddys“: ein einsamer „Twink“ am Rande der CSD-Parade.Imago

5. BÄR

Ursprünglich ein amerikanisches Phänomen, bezeichnet der Bär mittlerweile auch bei uns einen stämmigen, zumeist ordentlich behaarten schwulen Mann mit Vollbart. Man sieht: Bodypositivity ist in schwulen Kreisen mitnichten ein Fremdwort. Wo es früher in Kontaktanzeigen immer hieß „Bitte kein BBB “ (Bauch, Bart, Brille), wird heute explizit nach Bären gesucht. Eine Position beim Sex lässt sich daraus indes nicht ableiten: Der Bär kann den aktiven als auch passiven Part übernehmen. Oder natürlich beides, was als „Versatile“ bezeichnet wird.

Ein Bärchen kommt selten allein: Zwei haarige Exemplare streifen über den Christopher Street Day.
Ein Bärchen kommt selten allein: Zwei haarige Exemplare streifen über den Christopher Street Day.Imago

6. CUB

Der „Bär“ ist sozusagen das Ur-Tier der Schwulenszene; die erste gängige animalische Beschreibung eines schwulen Stereotypen. Weil vom klassischen Schwulenbären aber eher „Daddy-Vibes“ ausgehen, er also gemeinhin zu den älteren Semestern gehört, musste irgendwann ein neues Wörtchen her. Denn es gibt ja auch jüngere behaarte Typen. Und die heißen heutzutage „Cub“, was übersetzt so viel wie „Jungtier“ oder „Welpe“ bedeutet. „Cubs“ sind junge Bären, haarig, rundlich, aber eben nicht so alt wie das bärenbraune Muttertier.

In freier Wildbahn zu beobachten ist häufig, dass der „Cub“ sein Verhalten maßgeblich vom Gegenüber, von den anderen possierlichen Tierchen im Schwulenzoo abhängig macht: Mit einem softeren Phänotypen konfrontiert, einem „Twink“ zum Beispiel, kann der „Cub“ zum mächtigen Macho-Männchen avancieren; ist hingegen ein herangewachsener „Bär“ zugegen, muss sich der „Cub“ der Herdenhierarchie beugen und eine untergeordnete Rolle einnehmen.

Drei Bären-Generationen in trauter Dreisamkeit: Vom älteren „Daddy-Bear“ links bis zum „Cub“ ganz rechts.
Drei Bären-Generationen in trauter Dreisamkeit: Vom älteren „Daddy-Bear“ links bis zum „Cub“ ganz rechts.Imago

7. OTTER

Das Onlineportal mit dem schmissigen Namen „Schwulissimo“ stellt völlig richtig fest: „Die Otter sind in der Natur nicht die ersten verwandten der Bären, aber in der schwulen Welt ist eben alles etwas anders.“ Und so pflegen die „Bären“ und die „Otter“ im Bereich der Gayclubs und Schwulensaunen tatsächlich eine enge Verwandtschaft: Der „Otter“ ist sozusagen ein „Bär“, der sein Gewicht besser unter Kontrolle hat, haarig-männlich, aber drahtig statt dick – kurzum: ein schlankerer „Bär“.

Allerdings kommt’s hierbei auf die Feinheiten an: Nicht jeder normalgewichtige Mann mit Brusthaaren kann als „Otter“ gelten; wie beim tierischen Vorbild ist auch die schlaksige Haltung und das putzige Schnäuzlein entscheidend. „Otter“ sind so etwas wie die Vollsympathen im schwulen Game um die Tiernamen, das Altherren-Gehabe der „Bären“ liegt ihnen fern, sie sind weniger aggressiv-aufdringlich als die „Wölfe“, aber selbstbewusster als der „Cub“. Einfach tolle Typen.

Ah, ein äußerst seltenes Mischwesen: Dieser „Otter“ ist zugleich ein „Daddy“ – und obendrein Schotte!
Ah, ein äußerst seltenes Mischwesen: Dieser „Otter“ ist zugleich ein „Daddy“ – und obendrein Schotte!Imago

8. PUPPY

Eine besondere sexuelle Spielart bezeichnet den Fetisch „Puppy“, zu Deutsch: „Welpe“. Ein „Puppy“ ist meist ein „Twink“ in einer Art Hundeverkleidung und bezeichnet im Grunde damit auch den unterwürfigen Part in einer Beziehung, was nicht automatisch auch Sex mit einschließen muss – und umgekehrt. Entlehnt wurde das Phänomen dem Cosplay und vermischt hier eine Verkleidung mit Anleihen aus dem SM. Natürlich gibt es zum „Puppy“-Fetisch längst das passende oft recht kostspielige Outfit, inklusive handgefertigter Hundemaske aus Leder, Fressnapf, und Buttplug in Stummelschwänzchenform.

Angeleint: Hierbei handelt es sich unschwer zu erkennen um einen Hundespiel-begeisterten „Puppy“.
Angeleint: Hierbei handelt es sich unschwer zu erkennen um einen Hundespiel-begeisterten „Puppy“.Imago

9. DRAGQUEEN

Eigentlich längst in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist der Begriff der „Dragqueen“, der wesentlich mehr bezeichnet als der überkommene Begriff des „Transvestiten“. Denn eine Dragqueen ist zumeist noch mit einer gehörigen Portion Sendungs- und Selbstbewusstsein ausgestattet. Vorbehalten ist die Bezeichnung indes nicht mehr nur Männern in Damenklamotten, sondern meint oft auch jede andere Imitation. Einen tollen Überblick darüber liefert bis dato die fantastische Dokumentation „Paris is burning“ von 1990, die die facettenreiche Subkultur in einer wunderbaren und zu Herzen gehenden Weise erklärt.

Ist schon selbst total verwirrt: Eine „Dragqueen“ auf dem CSD zwischen „Bären“, „Twinks“ und „Geeks“.
Ist schon selbst total verwirrt: Eine „Dragqueen“ auf dem CSD zwischen „Bären“, „Twinks“ und „Geeks“.Imago

10. GABI

„Gabi“ ist im Schwulenjargon weniger eine verallgemeinernde Bezeichnung für die Frisöse an der Ecke oder die schluderige Supermarkt-Kassiererin. Als „Gabi“ wird eine Frau bezeichnet, die dem schwulen Mann im Allgemeinen sehr nahesteht, im Speziellen eng mit ihm befreundet sein kann.

Dabei handelt es sich um einen durchaus ambivalenten Begriff: Eine „Gabi“ kann die beste Freundin sein, mit der man zwischen Schwulenbars und Shoppingläden die beste Zeit seines Lebens verbringt. Ein bisschen abschätzig kann als „Gabi“ aber auch eine heterosexuelle Single-Frau bezeichnet werden, die sich verzweifelt an ihre schwulen Freunde klammert, weil im zielorientierten Dating-Game für sie ansonsten nichts abfällt. Ebenso gebräuchlich ist der Begriff „Fag Hag“, der sich aus „Fag“ für Tunte und „Hag“ für Weib zusammensetzt.

Gabi am Limit: Freundinnen und andere Frauen, die Schwule allzu gern in ihrem Schwulsein unterstützen.
Gabi am Limit: Freundinnen und andere Frauen, die Schwule allzu gern in ihrem Schwulsein unterstützen.Imago