Stau und Stress in Köpenick: Verkehrschaos könnte noch Jahre andauern

Fast täglich muss die BVG in der Bahnhofstraße vor den vielen Autos kapitulieren. Jetzt hat der Senat das Stauproblem analysiert. Das Ergebnis lässt nicht hoffen.

Ein ganz normaler Tag in der Bahnhofstraße in Köpenick: Autos und Lieferfahrzeuge stauen sich. Mittendrin stehen Straßenbahnen und Busse. So könnte das noch lange weitergehen.
Ein ganz normaler Tag in der Bahnhofstraße in Köpenick: Autos und Lieferfahrzeuge stauen sich. Mittendrin stehen Straßenbahnen und Busse. So könnte das noch lange weitergehen.Gerd Engelsmann

Der Straßenbahnfahrer brachte es auf den Punkt. „Und täglich grüßt das Murmeltier“, sagte der Mitarbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Genervt forderte er seine Fahrgäste auf, die Bahn vorzeitig zu verlassen und zu laufen.

Es war nicht das erste Mal. Fast an jedem Arbeitstag muss das Landesunternehmen den Straßenbahn- und Busverkehr im Zentrum von Köpenick unterbrechen, weil der Stau in der Bahnhofstraße zu zäh ist. Regelmäßig muss die BVG vor dem Individualverkehr kapitulieren – auch am Dienstag wieder. Die Gefahr besteht, dass das noch jahrelang so weitergehen wird. Der Senat kann entnervten Nahverkehrsnutzern kurzfristig keine Hoffnung machen.

Laufen statt fahren: Das ist für täglich Zehntausende BVG-Nutzer im Berliner Südosten die Devise. Immer wieder fallen die Straßenbahnen der Linie 68 zwischen Freiheit, Rathaus und Hirtestraße aus. Grund: erhöhtes Verkehrsaufkommen. Auch die 63 endet außerplanmäßig in der Altstadt Köpenick. Wer von Adlershof, Grünau oder Schmöckwitz weiter zum S-Bahnhof möchte, sollte Zeit für einen längeren Spaziergang einplanen. Seit Montag hat sich die Situation sogar noch verschärft. Weil die S-Bahn zwischen Schöneweide und Baumschulenweg nicht verkehrt, weichen viele Fahrgäste aus und versuchen, über Köpenick zu fahren. In der Altstadt landen sie dann ebenfalls im Aus.

Ob jung, ob alt, ob mit Rollator, Kinderwagen, Einkaufstaschen oder ohne: Auch Busfahrgäste müssen sich auf eine unfreiwillige Sporteinlage einstellen – oder enorme Verspätungen in Kauf nehmen. „Im Busverkehr gehören Unterbrechungen ebenfalls zum Alltag“, so ein Busfahrer zur Berliner Zeitung. Wenn sich in der Bahnhofstraße zu viele Autos stauen, ordnet die BVG-Leitstelle oft an, dass der Bus 164 aus Schönefeld bereits am Schlossplatz endet. Der S-Bahnhof Köpenick, den die meisten Fahrgäste ansteuern, liegt stramme zwei Kilometer entfernt. Auch die 169 und die X69 werden unterbrochen. Wenn das nicht passiert und sich die Busse am Mandrellaplatz am Stauende anstellen, gebe er den Fahrgästen einen Tipp, sagt der Busfahrer: „Lieber aussteigen und laufen.“

Welche Straßenbahn hätten Sie denn gern? Auch für die Tram ist die Bahnhofstraße in Köpenick eine Staufalle.
Welche Straßenbahn hätten Sie denn gern? Auch für die Tram ist die Bahnhofstraße in Köpenick eine Staufalle.Christian Linow/IGEB

In den Straßen zum S-Bahnhof Köpenick sind also viel mehr Fußgänger unterwegs als früher. Besonders angenehm ist die Wanderung aber nicht, die Luft riecht nach Abgas, und die Fahrer der vielen Autos sind meist schlecht gelaunt. Schon immer waren in der Bahnhofstraße viele Kraftfahrzeuge unterwegs. Mit Mitte oder Friedrichshain-Kreuzberg ist Treptow-Köpenick nicht zu vergleichen. Nach einer Umfrage der Technischen Universität Dresden 2018 verfügten 63 Prozent der Haushalte im Bezirk über mindestens einen Pkw. Fast 31 Prozent der Wege legen die Bezirksbewohner im Auto zurück – das ist ebenfalls ein überdurchschnittlicher Wert für Berlin.

Autofahrer halten sich nicht ans Rechtsabbiegeverbot am S-Bahnhof

Seitdem die Deutsche Bahn (DB) damit begonnen hat, ihre Strecke im Zentrum Köpenicks umzubauen, ist die Bahnhofstraße noch mehr zur Staufalle geworden. Der neuralgische Punkt ist die Brückendurchfahrt am S-Bahnhof. Jan Thomsen, Sprecher der Senatsverwaltung für Mobilität, spricht von einem Engpass. „Die Lage wird jeweils angepasst, aktuell ist sie so: Weil in Fahrtrichtung Nord ein Fahrstreifen entfällt, nutzen Straßenbahn, Bus und Kraftfahrzeuge einen gemeinsamen Fahrstreifen“, erklärt er. „Die betroffenen Ampeln wurden an die geänderte Verkehrssituation bereits angepasst. Eine Reduzierung der Leistungsfähigkeit ist gleichwohl gegeben.“ Eine Umfahrung über die Hämmerlingstraße ist nicht möglich: Die Alternativroute ist gesperrt.

Das Nadelöhr: Unter der Bahnbrücke am S-Bahnhof Köpenick wurde die Durchfahrt der Bahnhofstraße verengt. Bauarbeiter sieht man hinter den Absperrungen so gut wie nie.
Das Nadelöhr: Unter der Bahnbrücke am S-Bahnhof Köpenick wurde die Durchfahrt der Bahnhofstraße verengt. Bauarbeiter sieht man hinter den Absperrungen so gut wie nie.Andreas Kopietz/Berliner Zeitung

Inzwischen hat der Senat die Lage analysiert. „Eine Schwierigkeit sind Kraftfahrzeuge, die aus dem Elcknerplatz rechts in die Bahnhofstraße abbiegen“, so der Sprecher. Sie stauen die Bahnhofstraße auf Höhe der Unterführungseinfahrt zu. „Dies soll durch ein Rechtsabbiegeverbot unterbunden werden.“ Ein Besuch in Köpenick ergab, dass das Verkehrszeichen inzwischen montiert wurde. Doch der Ortstermin am S-Bahnhof zeigte auch, dass sich kaum ein Autofahrer an das Verbot hält. Es wird weiter rechts abgebogen.

In Richtung Süden gebe es ebenfalls eine Neuerung, sagte Thomsen. „Die Nachjustierung der Lichtsignalanlage Bahnhofstraße–Mahlsdorfer Straße/Am Bahndamm–Stellingdamm hat bereits zu einer Verbesserung für den nach Süden fahrenden Verkehr geführt“, berichtete er. „Die nach Norden verkehrenden Straßenbahnen fahren von der Bahnhofstraße nun in eine leere Unterführung ein.“ Dadurch habe sich die Situation vor der Straßenbahneinfahrt deutlich verbessert, so der Sprecher.

„Dennoch sind bei derartig umfänglichen Bauvorhaben und einem stark begrenzten Straßenraum Verkehrsbehinderungen nicht vermeidbar. Und mangels einer geeigneten alternativen Route kann auch eine Vollsperrung für Kraftfahrzeuge an dieser Stelle nicht verfügt werden“, sagt Thomsen.

BVG meldet im Südosten von Berlin Verspätungen von 20 Minuten und mehr

Auch die BVG hat die Situation in der Köpenicker Bahnhofstraße untersucht. Die Lage habe sich seit dem 6. März spürbar verändert, teilt Unternehmenssprecher Jannes Schwentu mit. „Ursächlich ist nach Analyse unserer Fachleute vor allem eine Änderung der Ampelschaltungen durch die Bauarbeiten am S-Bahnhof Köpenick.“ Das führe dazu, dass sich die Straßenbahnen der Linien 62, 63 und 68 sowie die Busse erheblich verspäten – um 20 Minuten und mehr.

So könnte der Bahnhof Köpenick nach dem Umbau aussehen. Links ist der geplante neue Bahnsteig zu sehen. Dort sollen von 2027 an schnelle Regionalexpresszüge halten – aber wie werden die Köpenicker dorthin kommen?
So könnte der Bahnhof Köpenick nach dem Umbau aussehen. Links ist der geplante neue Bahnsteig zu sehen. Dort sollen von 2027 an schnelle Regionalexpresszüge halten – aber wie werden die Köpenicker dorthin kommen?Visualisierung: Vectorvision

„Die Situation wird durch die parallele Sperrung der Hämmerlingstraße verschärft, bleibt aber auch unabhängig davon aus unserer Sicht kritisch“, stellt Schwentu fest. „Um auf den Linien einen zuverlässigen Takt für den Großteil der Fahrgäste zu gewährleisten, haben wir nur die Möglichkeit, auf dem betroffenen Abschnitt einzelne Fahrten aus dem Verkehr zu nehmen. Das ist bedauerlich, aber leider unvermeidlich, um stabilisierend gegenzusteuern. Der Hauptfokus für uns bleibt aber die Verspätungslage, denn die betrifft alle Fahrgäste und Mitarbeitende.“

Senat bedauert: Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht

Die Stellungnahmen von Senat und BVG wirken nicht so, als ob mit einer kurzfristigen Verbesserung zu rechnen sei. In der Tat: Allenfalls mittelfristig könnte sich die Lage ändern, gesteht Jan Thomsen ein. „Künftig soll in der Bahnhofstraße kein Durchgangsverkehr, sondern nur noch Anlieger-, Versorgungs- oder Lieferverkehr erlaubt sein“, erklärt er. Der Durchgangsverkehr soll dann über die Umfahrungsstraßen, die rund um die Bahnhofstraße geplant sind, geführt werden.

„Damit wird nach Fertigstellung des Gesamtprojekts samt Umfahrungen erreicht, dass unter der Brücke deutlich weniger Kfz-Verkehr stattfindet und damit auch die Straßenbahnen und Busse gut vorankommen können“, teilt der Sprecher der Senatsverwaltung mit. So werde der BVG-Verkehr beschleunigt. Die planerischen Vorbereitungen dafür laufen. Doch ein Blick in den Zeitplan schafft keine gute Laune.

Die Westumfahrung der Bahnhofstraße könnte in fünf Jahren fertig werden

So will der Senat die aktualisierte Planfeststellungsunterlage für die Westumfahrung, die an der Straße An der Wuhlheide beginnen und nördlich des S-Bahnhofs enden soll, in diesem Jahr einreichen. Wenn alles gut geht, kommt die Genehmigung 2025 – aber dann muss die Straße noch gebaut werden. Zuletzt hieß es, dass die Westumfahrung der Bahnhofstraße 2028 fertig werden könnte.

Allerdings besteht nicht nur dort das Risiko, dass Klagen von Anwohnern die Projekte verzögern. Die geplante Ostumfahrung der Bahnhofstraße stößt bereits jetzt auf Kritik. Die übergeordnete Hauptverkehrsstraße soll mitten durch das autoarme Neubauviertel mit 1800 Wohnungen führen, das auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Köpenick entstehen soll. Auch dort besteht also Konfliktpotenzial.

Auf jeden Fall zeichnet sich ab, dass die Bahnhofstraße noch jahrelang stauträchtig bleibt. Die Bahn hat mitgeteilt, dass der Umbau der Bahnanlagen bis zum Sommer 2027 dauern wird. Bis dann soll auch der Bahnsteig für Regionalzüge fertig sein, der Köpenick schnelle Regionalexpressverbindungen bescheren wird. Die zu erwartenden Zeitvorteile werden allerdings wieder dahinschmelzen, wenn die Anfahrt zum Bahnhof zeitraubend bleibt und Straßenbahnen sowie Busse unzuverlässig sind.

SPD, Grüne und Linke fordern Vorrang für Straßenbahnen und Busse

Die Bahnhofstraße ist nun Thema in der Bezirksverordnetenversammlung, die an diesem Donnerstag ab 16.30 Uhr im Rathaus Treptow tagt. Auf der Tagesordnung steht ein Antrag der SPD, der Grünen und der Linken: „Dem Bezirksamt wird empfohlen, sich gegenüber dem Senat dafür einzusetzen, dass während der Baumaßnahmen der Deutschen Bahn AG am Bahnhof Köpenick den Fahrzeugen des ÖPNV Vorrang auf der Bahnhofstraße eingeräumt wird, die Ampelschaltungen in diesem Bereich regelmäßig nachgesteuert werden und die Polizei die Beachtung der angeordneten Verkehrszeichen überprüft und Verstöße ahndet.“ Die Fraktionen fordern mehr Polizeikontrollen.

Der Berliner Fahrgastverband IGEB bekräftigte seine Forderung, die Bahnhofstraße jetzt schon für den Durchgangsverkehr zu sperren. „Autos müssen von der Lindenstraße kommend über die Puchan- und Borgmannstraße zum Elcknerplatz umgeleitet werden, um Platz für Straßenbahn, Bus, Rad- und Fußverkehr zu machen“, sagt IGEB-Mitglied Christian Linow. „Unverzüglich muss mit einer Pförtnerampel vor der Kinzerallee der öffentliche Verkehr zum Pulkführer werden“ – dann würde die BVG den Autos voranfahren. Ein weiteres Konzept wäre die Einrichtung einer ÖPNV-Spur, auf der Tram und Bus am Stau vorbeifahren können, erklärt Linow.

So viel stehe fest: „Die Kapitulation des Umweltverbundes vor dem motorisierten Individualverkehr in Köpenicks Bahnhofstraße ist nicht länger hinnehmbar.“


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