Beate Zschäpe, Lina E., „Terror-Oma“: Das ist der härteste Frauenknast Deutschlands

Die drei berühmtesten Gefängnisinsassinnen Deutschlands sind in der JVA Chemnitz untergebracht. Ihre Unterstützer und Gegner treffen sich auf dem Parkplatz.

Von B nach C, Ostbesuch, 263 km
Von B nach C, Ostbesuch, 263 kmBerliner Zeitung/Pajović/Amini

Atemlos, einfach raus. Singt Helene Fischer. Schallt es aus den Boxen auf dem Gefängnisparkplatz. So laut, dass sie es hören müssten. Da hinten, keine zweihundert Meter entfernt, wo die beiden grauen Gebäuderiegel der Justizvollzugsanstalt Chemnitz stehen. Wo bis zu 261 Frauen und unter ihnen manchmal auch ein paar Mädchen leben, puzzeln, in Arbeitstherapiegruppen Windlichter aus Ton basteln, auf Entlassung warten, hoffen. Weil ein Staat die Grundrechte einschränken kann, die Hoffnung aber nicht. Mehrere Fenster sind jetzt offen. Winkt da jemand? Ist es die Insassin, die sich Helene Fischer gewünscht hat?

Das anarchistisch-feministische Anti-Knast-Bündnis hat diese Kundgebung auf dem Gefängnisparkplatz angemeldet. „Kein Knast, kein Staat, kein Patriarchat“, heißt es auf einem Transparent. Auf einem anderen: „Unsere Solidarität ist stärker als jede Mauer.“ Ein Gefängnis, sagt eine Demonstrantin, das sei ein Strudel aus Ausbeutung, Isolation und sozialer Ausgrenzung. Niemandem zumutbar. Etwa einhundert Menschen sind gekommen, trotz Regens. Sie halten Redebeiträge, erfüllen Musikwünsche der Insassinnen. An einem Stand kann man ihnen Postkarten schreiben und diese in die JVA schicken lassen: „Halte durch! Wir sehen uns in Freiheit!“ Atemlos, einfach raus, bald.

Die drei berühmtesten Gefängnisinsassinnen Deutschlands, auch sie sind da hinten irgendwo. Die Rechtsextremistin Beate Zschäpe, 48, Mitglied der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), die ihre lebenslängliche Freistrafe seit vier Jahren in der JVA Chemnitz verbüßt. Die Reichsbürgerin Elisabeth R., 75, „die Terror-Oma“, der die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird. Sie soll die Entführung von Karl Lauterbach und einen Umsturz geplant haben. Im vergangenen Oktober wurde Elisabeth R. in der Nähe von Chemnitz verhaftet, nun wartet sie auf ihren Prozess. Und dann ist da noch Lina E., 27, deren Fall seit Herbst 2021 in Dresden verhandelt wird. Vorwurf: gezielte Angriffe auf Neonazis, Bildung einer linksextremistischen kriminellen Vereinigung.

Auf dem JVA-Parkplatz ist Lina E. eine Heldin. Weil sie sich gewehrt hat, wo andere zu oft wegschauen, nichts tun gegen Rechts. Selbstjustiz ist kein Verbrechen. Es gibt gute Gewalt. So in etwa sehen sie das hier. Und aus der Box kommt die passende Anwendungsempfehlung: „Dem Patriarchat mit Anlauf die Kniescheibe raushauen.“

„Halt’s Maul, Wichser! Verpiss Dich!"

Versammlungen vor der JVA Chemnitz finden öfter statt. In der vergangenen Woche forderten die rechtsextremen „Freien Sachen“ die sofortige Freilassung einer Ärztin. Was grundsätzlich keine schlechte Idee ist angesichts des Ärztemangels. Allerdings soll die Frau in mindestens 162 Fällen falsche Corona-Impfatteste ausgestellt und bundesweit vertrieben haben. Und am 30. Mai 2021 stand auch mal Sven Liebich auf dem Knastparkplatz, laut Verfassungsschutz einer der „bekanntesten Einzelakteure der rechtsextremistischen Szene im südlichen Sachsen-Anhalt“. Um sich Gehör zu verschaffen, rief er in einen Verkehrskegel hinein: „Lina E. darf nie wieder dieses Gefängnis verlassen als lebende Person! Gebt Lina E. eine ordentliche Abreibung, wenn ihr sie erwischt!“ Das Video landete auf Telegram und Liebich vor Gericht.

Ob die akustische Verstärkung ausreichte, darüber musste der Richter entscheiden. Denn hätte man Liebichs Worte auch jenseits der Gefängnismauern verstanden, wäre es ein Aufruf zu - guter, böser, egal - Gewalt gewesen. Ein Gutachten kam zu keinem klaren Fazit. Die Prozessbeteiligten einigten sich kürzlich auf eine Einstellung des Verfahrens. Einzige Auflage: Liebich musste 1200 Euro zahlen. Was schon seltsam ist.

Auf dem Video ist nämlich noch eine zweite Stimme zu hören, sie kommt aus dem Gefängnis, vielleicht aus einem offenen Fenster. Eine Frau ruft: „Halt’s Maul, Wichser! Verpiss Dich!" Beate Zschäpe oder die „Terror-Oma“ waren es eher nicht.


In der Kolumne „Ostbesuch“ berichtet Paul Linke alle zwei Wochen aus seinem Zwischenleben in Chemnitz und Umgebung. Sachsen sucks? Von wegen!