Berlin und Potsdam sterben die Bäume weg: Was jetzt zu tun ist

Der Klimawandel macht dem Grün unserer Städte schwer zu schaffen. Doch es gibt kleine Aktionen, mit denen auch Sie gegensteuern können. Unsere Kolumnistin klärt auf.

Damit Berlin schön grün bleibt, muss jetzt etwas getan werden.
Damit Berlin schön grün bleibt, muss jetzt etwas getan werden.Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten e.V.

Während ich ungeduldig auf wärmere Tage warte und mir die Zeit mit dem Schreiben dieser Kolumne vertreibe, sitze ich in einer zum Büro umgebauten Abstellkammer. Mein Blick fällt durch das winzige Fenster hinunter in den Garten, Schneeregen pladdert in langen Strippen auf den Rasen, und unser Apfelbaum reckt seine knorrigen Äste anklagend in mein Blickfeld. „Guck nicht so, Alter. Ich hab das Wetter auch nicht bestellt!“, denke ich zu ihm runter.

Wenn ich hier fertig bin (und das Wetter es zulässt), sollte ich rausgehen und dem alten Mann eine kräftige Portion Kompost um den Stamm drapieren; vielleicht hebt das unser beider Laune. Wussten Sie, dass man alten Bäumen auf diesem Weg neues Leben einhauchen kann? Jedes Jahr werfe ich die Siebtrommel an und verteile schaufelweise Kompost zwischen den Stauden, unter den Rosen und im Vorgarten. Auf die recht naheliegende Idee aber, meinen alten Apfelbäumen eine Ladung abzugeben, bin ich bislang nicht gekommen. Ziemlich dämlich, wie ich mittlerweile weiß. Auch erwachsene Bäume freuen sich nämlich über eine Portion Kompostdünger. Mehr vielleicht als alles andere im Garten.

Diese für mich neue Erkenntnis zum Thema „Baumpflege“ kam übrigens genau hier, in dieser Abstellkammer, auf mich zu. Es ist schon einige Wochen her, da erreichte mich eine Pressemitteilung, oder besser: ein Hilferuf. „Welterbe retten – gemeinsam für eine grüne Zukunft“ lautete die Überschrift. Der Freunde der preußischen Schlösser und Gärten e.V. hatten eine Rundmail versandt. Und auch wenn ich als Gartenreporterin so einiges an Post bekomme und mir allzu oft das ein oder andere durchrutscht – diese Überschrift hatte mich sofort am Haken. „In den Gärten und Parks sind die Folgen des sich ändernden Klimas bereits deutlich sichtbar, und der Erhalt der Anlagen ist existenziell gefährdet“, hieß es in dem Schreiben.

Regenwasser fließt zu schnell ab, sodass es die Wurzeln nicht erreicht

„So schlimm?“, dachte ich. „Ja, so schlimm“, sagte man mir, als ich telefonisch Kontakt aufnahm. Die Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten sind ein eingetragener Verein, ehrenamtlich engagieren sich rund 1300 Mitglieder für den Erhalt und die Restaurierung der ehemals königlichen Schlösser und Gärten. Ich finde das ziemlich großartig! Immerhin konnten in der Vergangenheit bereits diverse Förderprojekte durch große und kleine Spenden verwirklicht werden. Sollten Sie, liebe Leserinnen und Leser, also ein paar Groschen übrighaben und preußische Schlösser und Parks Ihnen obendrein am Herzen liegen, wissen Sie nun, was zu tun ist …

Aber weiter im Text: Der Verein verknüpfte mich mit Sven Hannemann, einem der drei Parkleiter in Potsdam Sanssouci. An einem ähnlich nieselverregneten Morgen wie heute war ich mit ihm auf der hügeligen Westseite des Parks verabredet. „Hier oben setzt die Trockenheit den Bäumen besonders stark zu“, sagte Hannemann, und wir blieben vor einem abgesägten Baumstumpf stehen. „Das Regenwasser fließt so schnell ab, dass es die Wurzeln nicht erreicht.“ Der Gärtner deutete mit dem Finger den Hügel hinauf. „Sie können hier richtig sehen, wie die Sonne eine Schneise in die Bäume frisst.“ Tatsächlich waren von vielen Bäumen auf dem Hügel nur noch die Stümpfe übrig.

Der Hallimaschpilz zerstört das Gewebe zwischen Rinde und Holz.
Der Hallimaschpilz zerstört das Gewebe zwischen Rinde und Holz.Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten e.V.

„Wie viel des Baumbestands auf dem Gelände ist denn betroffen?“, fragte ich. „Von den 26.000 Bäumen des Parks sind rund ein Drittel krank. Und etwa zehn Prozent haben wir schon gefällt.“ Ich hörte diese Zahlen, und mein Hirn brauchte ein paar Sekunden, ehe die Information tatsächlich ankam. Rund ein Drittel krank? Jeder Zehnte gefällt? Das kann doch gar nicht sein! Hannemann schaute in mein ungläubiges Gesicht und sagte: „Der Klimawandel ist nicht irgendwo, Frau Platz. Er ist längst hier. Mitten unter uns.“ Ich schluckte.

Wie Paniermehl zerbröselt die Rinde zwischen den Fingern

Während mein Kamerakollege die Drohne steigen ließ und sich später in den Bildern aus Vogelperspektive das Ausmaß der massiven Schäden noch deutlicher offenbarte, gingen der Parkleiter und ich ein Stück den Hügel hinauf. Er blieb stehen, steckte seine Hand in den abgesägten Stumpf einer Rotbuche und holte eine matschige, braune Masse hervor. „Schauen Sie, das hier ist der Hallimasch“, erklärte er. „Wäre der Baum gesund gewesen, hätte er sich abschotten können. Geschwächt aber hatte er keine Chance.“ Der Hallimaschpilz, lernte ich, zerstört das Kambium, also das Gewebe zwischen Rinde und Holz. „Das Kambium eines Baumes ist ähnlich wie die Haut für uns Menschen. Wenn die großflächig verbrannt ist, sterben auch wir.“

Hannemann drückte leicht an den Rand des Baumstumpfes, und sofort bröselte die Rinde durch seine Finger, als wäre sie Paniermehl. „Über 150 Jahre stehen diese Bäume schon hier, die haben zwei Weltkriege überlebt“, sagte er verbittert, „und jetzt sterben sie in einer Geschwindigkeit, die einfach nur Angst macht.“ Schuld an dem rasanten Baumsterben sind vor allem die immer trockener werdenden Sommer. Rotbuchen, wie sie auf der Westseite des Parks stehen, verdunsten bis zu 1000 Liter Wasser am Tag. In „normalen“ Sommern fällt bis zu 700 Liter Regen pro Quadratmeter. In den trockenen Sommern 2018 und 2022 waren es in Berlin und Brandenburg nur rund 300 Liter, also weniger als die Hälfte! Viel zu wenig für die riesigen Bäume. „Alles, was in Süd- und Westlagen steht, ist gefährdet“, sagte Hannemann, „das ist nicht nur bei uns im Park so. Das sehen Sie überall.“

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Um die Verkehrssicherheit für die Besucherinnen und Besucher zu gewährleisten, inspizieren der Gärtner und seine Kollegen regelmäßig den gesamten Park. Bei starkem Befall bleibt nur der Griff zur Säge; allein in diesem Jahr stehen bis zu einhundert Fällungen an. „Das gesamte Erscheinungsbild des Parks wird sich verändern,“ sagte Hannemann, während wir in Richtung Ruinenberg spazierten, „damit müssen wir alle irgendwie klarkommen.“ Peter Josef Lenné würde wahrscheinlich übel werden, wenn er wüsste, wie seine alte Wirkungsstätte gerade vor die Hunde geht. Immerhin hat der große Gartenkünstler mehr als ein halbes Jahrhundert lang die Potsdamer Kulturlandschaft mitgestaltet. Er machte aus dem Gelände einen romantisch geprägten Landschaftspark mit Sichtachsen, geschwungenen Wegen und explizit ausgesuchten Gehölzen.

Die Esskastanie könnte eine gute Alternative zum aktuellen Bestand sein

Seit 1990 ist das Gelände in Sanssouci als Teil der Berliner-Potsdamer Parklandschaft zum Weltkulturerbe erklärt. Wenn der Klimawandel allerdings in derart großen Schritten voranschreitet, wird von dem Erbe bald nicht mehr viel übrig sein. Auf dem Ruinenberg kamen wir an einem riesigen, runden Wasserbecken vorbei. Der Alte Fritz hat das Wasserreservoir eigens für die Bewässerung der Anlage anlegen lassen, es speist sich aus der Havel. Es war bis zum Rand gefüllt, und doch: „Damit können wir nicht das gesamte Gelände wässern.“ Hannemann schüttelte den Kopf. „Erstens dürfen wir gar nicht so viel Wasser aus der Havel entnehmen, und zweitens haben wir gar kein Personal.“

Um der dramatischen Situation etwas entgegenzusetzen, entwickelt sich der Arbeitsplatz der rund 60 Gärtnerinnen und Gärtner des Schlossparks zunehmend in eine Art Labor, in dem mit Klimapflanzen experimentiert wird. Hannemann verschwand in einem Gewächshaus und kam mit einem kleinen Topf zurück, in dem ein etwa 30 Zentimeter hohes Bäumchen steckte. „Das hier ist eine Esskastanie. Die können deutlich besser mit Hitze umgehen als unsere alten Linden, Eichen oder Buchen.“ Die genaue Herkunft von Esskastanien ist nicht bekannt, vermutlich stammen sie aus Spanien und Portugal. Fakt ist – die Kastanien könnten eine Alternative sein. Ihr Holz ist widerstandsfähig, sie bevorzugen milde Winter und warme Sommer. Bis aus dem kleinen Hoffnungsträger allerdings ein großer Baum gewachsen ist, dürften Herr Hannemann und ich längst unter der Erde liegen. Sei’s drum.

Was jeder Einzelne von uns für Bäume tun kann, fragte ich den Parkleiter zum Abschied. „Wenn es im Sommer sehr heiß wird, hängen Sie dem Baum vor Ihrer Haustür doch mal einen Wassersack um. Solche Säcke geben die Feuchtigkeit über viele Stunden langsam ab, für Straßenbäume ist das ideal.“ Und was mache ich mit meinem alten Apfel im Garten? „Der bekommt bitte regelmäßig eine Ladung Rohkompost. Großflächig um den Stamm verteilt, wird er es Ihnen danken.“ Auf diese naheliegende Idee, dachte ich, hätte ich auch wirklich selbst kommen können.

Spenden für den Erhalt der Bäume in Berlin und Potsdam können Sie direkt über www.freunde-psg.de oder an:
Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten
Weberbank Actiengesellschaft
IBAN DE98 1012 0100 6164 0040 04

Sabine Platz arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Fernsehjournalistin beim ZDF. Dort produziert sie unter anderem für die Rubrik „Platz im Garten“ im „Morgenmagazin“ regelmäßig Berichte rund um das Thema Natur, Garten, Ökologie und Nachhaltigkeit. Im Oktober 2021 erschien ihr Buch „Im Garten: Zwischen Knolle und Kompost liegt das ganze Leben“.