Befreiung der KZ Ravensbrück und Sachsenhausen: 160 Überlebende gedenken der Befreiung der Konzentrationslager

Oranienburg/Fürstenberg - Sie sind aus vielen Ländern angereist, um an den Ort zurückzukehren, an dem sie unvorstellbares Leid erlitten haben. „Es ist wahrscheinlich das letzte Mal, dass ich hierherkomme“, sagt Herta Iris Avri aus Israel. Als das Konzentrationslager Ravensbrück (Oberhavel) vor 70 Jahren befreit wurde, gehörte sie zu den jüngsten Häftlingen.

„Heute bin ich eine der Ältesten“, stellt die 85-Jährige fest und lässt ihren Blick über das Areal des einst größten Frauenlagers der Nazis auf deutschem Gebiet schweifen. Rund 1 500 Gäste aus aller Welt sind am Sonntag hierher gekommen, um der Opfer zu gedenken. Besonders stark vertreten sind Polen und Franzosen, viele im jugendlichen Alter.

"Das Böse lauert überall"

Avri sieht die Präsidentin des Internationalen Ravensbrück-Komitees, Annette Chalut, in der Pflicht: „Es obliegt den kommenden Generationen, diese Erinnerung zu bewahren.“ Sie fordert Wachsamkeit: „Das Böse lauert überall. Wir müssen es rechtzeitig erkennen.“ Voller Sorge beobachten die Überlebenden des Nazi-Terrors eine neue Welle von Rassismus und Antisemitismus.

Roger Bordage, Präsident des Internationalen Sachsenhausen-Komitees, betont bei der Gedenkveranstaltung im früheren KZ Sachsenhausen am gleichen Tag: „Aus diesem Grund werden wir, die Überlebenden, niemals nachlassen, den jungen Generationen Europas über die Geschichte dieser Orte Zeugnis abzulegen.“

Die Niederländerin Selma van de Perre wird nicht müde, den jungen Generationen von ihrem Schicksal zu berichten. Die 92-Jährige lebt in London. Regelmäßig kehrt sie nach Deutschland zurück, um von ihrem Schicksal zu berichten. „In fünf Tagen bin ich wieder hier für einen Workshop mit Studenten“, sagt sie.

Aus mehr als 40 Ländern stammten die Gefangenen von Ravensbrück. Mehr als 25.000 Frauen und 2500 Männer starben nach Angaben der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Im KZ Sachsenhausen waren rund 204.000 Menschen interniert, mehrere 10.000 starben.

Schwere Rückkehr an diesen Ort

Den Überlebenden ist anzusehen, wie schwer die Rückkehr fällt. Mit roten Nelken oder Rosen, Gebeten und Gesängen gedenken sie ihrer toten Mithäftlinge. Sie sind einen langen Weg gegangen, um in ihr Leben vor dem Konzentrationslager zurückzukehren. Viele sind bis heute nicht angekommen. Unter dem Titel „Ravensbrück 1945: Der lange Weg zurück ins Leben“ berichtet die Gedenkstätte davon. 21 Biografien dokumentieren die Erlebnisse der Frauen auf dem Heimweg.

Das beginnt bei der schwierigen Suche nach Nahrung und Unterkunft, geht über sexuelle Belästigungen und Vergewaltigungen bis hin zur ernüchternden Heimkehr. So stellte die Berliner Sängerin Eva Busch nach ihrer Rückkehr fest: „Seit kurzer Zeit war ich unter normalen Menschen. Ich gehörte nicht mehr zu ihnen.“

Auch Herta Iris Avri lässt die Erinnerung nicht los: „Ich träume immer noch davon - und dann schreie ich.“ Trotzdem ist sie erneut nach Ravensbrück gekommen. „Ich will mich verabschieden“, sagt die im Rollstuhl sitzende Frau leise. (dpa)