Beisetzung in Schöneberg: Familie und Fans nehmen Abschied von Graciano Rocchigiani

Auch noch Viertel nach zwölf, als die Trauerfeier in der Kapelle des Alten St. Matthäus Kirchhofs längst angefangen hatte, strömten noch Menschen durch das Friedhofstor in Schöneberg. Sie standen in Grüppchen vor den Stufen, an deren Fuß der Sargwagen für Graciano Rocchigiani bereitstand. Männer mit Rocky-T-Shirts, mit schwarzen Lederwesten vom Motorradclub Rolling Wheels Berlin, welche mit glitzerndem Totenkopf auf dem Pullover und der Aufschrift „Hauptstadtrocker“. Die Polizei musste zeitweise die Zufahrt sperren.

Nicht alle Trauerkränze hatten Platz in der Kapelle gefunden. So flatterte das Band, auf dem „Carsten von der Ritze, Hamburg“ stand, ebenso im Herbstwind, wie der letzte „Gruß von Tattoo Chris“. Knapp 1000 Menschen waren am Sonnabend zur Mittagszeit von überallher gekommen, um den früheren Box-Weltmeister auf seiner letzten Runde zu begleiten.

Im Alter von 54 Jahren war Graciano Rocchigiani am 1. Oktober bei einem Unfall auf Sizilien gestorben. Dort, wo er noch mal eine neue Liebe gefunden und eine neue Familie gegründet hatte. Ein Smart erfasste ihn auf einer Schnellstraße bei Belpasso, einem Vorort von Catania. Rocky, der zu Fuß unterwegs gewesen war, starb noch an der Unfallstelle. In Schöneberg war der Boxer aufgewachsen, seine Mutter Renate lebt hier. Sie wollte, dass ihr Sohn auf dem Friedhof beerdigt wird, auf dem auch Rio Reiser und die Gebrüder Grimm begraben sind.

Ein Paar Boxhandschuhe neben dem Sarg

In der Kapelle lag ein Paar roter Boxhandschuhe neben dem aufgebahrten Sarg. Rechts thronte ein Schwarz-Weiß-Portrait von Rocky auf einem Sockel. Es roch nach Weihrauch, als die Sargträger den verstorbenen Boxer bei Glockengeläut die Treppen hinuntertrugen. Dann setzte sich der Trauerzug in Bewegung, ganz vorne: Rockys Eltern, seine Schwester, seine älteste Tochter, sein Bruder Ralf, etwas weiter hinten: die Boxer Dariusz Michalczewski, Henry Maske und Sven Ottke, der Boxtrainer Ulli Wegner, der Promoter Wilfried Sauerland.

Die Menschen begannen leise, respektvoll zu klatschen. Ein letzter Applaus zwischen Friedhofsbirken für einen Boxer, der das Leben geliebt, gelebt und oft über die Maße genossen hat.

Am Grab sagte Kaplan Johannes Rödiger von der Katholischen Kirchengemeinde St. Matthias: „Der Erde bist du genommen, zur Erde kehrst du zurück. Der Herr schenke dir deinen Frieden.“ Henry Maske, der sich zweimal im Ring mit Rocchigiani duelliert hatte sagte: „Durch unsere beiden Kämpfe haben wir uns sehr intensiv gekannt und sehr wohl schätzen gelernt. Es ist ein würdiger Abschied, weil so viele gekommen sind. Ich werde ihn nicht vergessen.“

„Es war sehr emotional“

In der Trauerrede hatte Bild-Sportchef Walter M. Straten auch die humorvolle Seite von Rocky erwähnt, „seine Schoten“, wie Trainer Ulli Wegner es nannte. „Es war sehr emotional“, sagte der Berliner Kulttrainer. Aktuelle Boxer wie Marco Huck oder Arthur Abraham waren gekommen, um sich zu verabschieden. Frühere Boxer wie Cengiz Koc, der später hin und wieder in TV-Serien als Schauspieler auftrat, sagte: „Rocky war wirklich ´ne ehrliche Haut. Gerade im Boxgeschäft, wo es so viele unehrliche Menschen gibt, ist das etwas Besonderes.“

Die Schlange der Trauernden am Grab war lang. „Ich bin zwar nur aus Mallorca angereist, nicht aus Südafrika. Aber die Welt wäre zu klein, um nicht zu kommen“, sagte Boxpromoter Wilfried Sauerland. „Es ist schön, dass so viele hier sind.“ Er hatte die Trauergäste zum Leichenschmaus ins Maritim-Hotel in der Friedrichstraße eingeladen.

Rockys Stammkneipe Cumulus

Jimmy, ein Berliner mit Baseballmütze und schwarzer Ballonseidenjacke, machte sich da auf den Weg, um sein Trauerbier in Rockys Stammkneipe Cumulus unweit des Kudamms zu trinken. „Ich habe Rocky schon in den Siebzigerjahren kennengelernt“, erzählte er. „Im Flashpoint, einer Disko im Kudamm-Karree und im Sugar Shack. Er ist ja mit so vielen um die Häuser gezogen.“ Jimmy trat seine Zigarette auf dem Friedhofsweg aus.

Dann schaute er hinauf auf den Hügel, wo Rocky unter Birken und Eichen seine letzte Ruhestätte gefunden hat. „Er war immer direkt. Er hatte ein gutes Herz. Er hat viele einfach berührt, weil er so ehrlich war.“