Bela B im Interview: „Starke Frauen bestimmen mein Leben“

Bela B (54), auch bekannt als Steh-Schlagzeuger der Berliner Band Die Ärzte, hat aus seinen drei Leidenschaften Trashkino, Musik und Comics eine einzige gemacht. Mit Gästen wie Peta Devlin (früher Die Braut haut ins Auge), Stefan Kaminski (Geräuschemacher und Sprecher u.a. für Kermit der Frosch), Oliver Rohrbeck (Sprecher u.a. für Justus Jonas aus „Die drei ???“) sowie der Band Smokestack Lightnin’ bringt er den Spaghetti-Western „Sartana – noch warm und schon Sand drauf“ von 1970 als „Live-Hörbuch in Concert“ auf die Bühne. Der Tourstart ist am heutigen Dienstag am Theater am Kurfürstendamm. Und auch auf seinem gerade erschienenen neuen Album „Bastard“ geht es wie im Wilden Westen zu. Im Interview spricht der Wahl-Hamburger über Schnodder-Deutsch, das schwache Geschlecht und seine Fertigkeiten am Colt.

Bela, gibt es in Berlin eine gute Trashfilm-Szene?

Ich denke schon, dass es immer noch genug Kinobetreiber gibt, die gerne auch mal Trash anbieten. Als ich Ende der Neunziger nach Hamburg zog, war die offene Kinoszene eigentlich das, was ich am meisten an Berlin vermisst habe. Allein in Westberlin gab es über 60 Off-Kinos,  also Kinos jenseits des Mainstream. Die oft kleinen Kinos zeigten Retrospektiven, Filme abseitiger Genres, Double- und Triple-Features oder ganze Nächte lang Zeichentrickfilme. Als Farin Urlaub und ich zusammen in Charlottenburg gewohnt haben, sind wir oft zusammen bei solchen Nächten gewesen. In Gehweite gab es das „Filmkunst 66“, wo wir am häufigsten waren. Ich glaube, wir haben dort in einem Doppelprogramm die ersten beiden „Django“-Filme mit Franco Nero zusammen gesehen. Das muss so 1981 gewesen sein, in dem Jahr lernten Farin und ich uns auch kennen. Inzwischen zeigen viele dieser kleinen Kinos eher anspruchsvollere Filmkunst, aber ich bin sicher, wenn man sucht, wird man auch fündig.

Wo treiben Sie sich heutzutage rum, wenn Sie in der Hauptstadt sind?

In Berlin gehe ich oft ins Kino, aber auch wahnsinnig viel auf Konzerte, weil es immer noch deutlich mehr Gigs und auch mehr abgefahrene Lokalitäten gibt als in anderen Städten. Ich gehe sehr gerne in den Bassy Cowboy Club, auf dessen Bühne, die eigentlich viel zu schmal für eine Band ist, ich selber schon gespielt habe. In dem Club habe ich schon krasse Bands erlebt.

Gibt es einen Comicladen, in dem Sie gerne stöbern?

Klar. Der Comicladen meiner Jugend, in den ich mein erstes selbstverdientes Geld getragen habe, heißt „Grober Unfug“. Der ist heute in der Torstraße. Die Leute, die dort arbeiten, sind selbst Künstler,  es ist nach wie vor ein super Laden und richtig groß inzwischen. Der hat jetzt auch eine Kinderbuchabteilung, damit man seinen Nachwuchs für das Thema begeistern kann.

Wie sind Sie auf den Spaghetti-Westernhelden „Sartana“ gekommen?

Der Hörspiel-Regisseur Leo Koppelmann wollte mit mir ein szenisches Hörspiel für die Bühne machen. Erst dachten wir an Frankenstein, Dracula oder eine klassische Horrorgeschichte – eben typisch Bela B. Aber irgendwie sind wir dann auf Spaghetti-Western gekommen. Der Zufall wollte es, dass ich mir zwei Tage vorher den eher unbekannten Film „Sartana – Noch warm und schon Sand drauf“ angeschaut hatte.

Was ist das Tolle daran?

In Deutschland wurden 50 Prozent der Spaghetti-Western von Rainer Brandt synchronisiert. Er hat mit seiner Firma das Synchron-Buch zu „Sartana“ geschrieben, das voll ist mit Schnodderdeutsch-Zoten. Auch die Filme mit Bud Spencer und Terence Hill hat er synchronisiert. Die wurden am Ende nur noch für den deutschen Markt mit irgendwelchen Quatsch-Dialogen gedreht, weil man wusste, Rainer Brandt schreibt die besseren Dialoge dazu. Es ist natürlich eine Ehre, dass wir ihn als Erzähler für die „Sartana“-Hörspiel-Aufnahme gewinnen konnten.

Wird er auch bei der anstehenden Tour mit dabei sein?

Wir werden ihm die Abende widmen und ihn hochleben lassen, das ist klar. Aber seine Stimme kommt vom Band. Dafür sind Peta Devlin, Oliver Rohrbeck und Stefan Kaminski sowie die Band Smokestack Lightnin’ mit dabei. Wir bringen das Hörspiel auf die Bühne und die Musik des Albums, die im weitesten Sinne Indie, Country und Americana ist. Der befreundete Comiczeichner Robert Schlunze liefert Illustrationen für die Leinwand, auf der auch kleine Filmchen zu sehen sein werden. Und ich habe mir eigens die Kunst des Coltdrehens angeeignet. Das Ganze nennen wir „Live-Hörspiel in Concert“ und ist eigentlich mehr Theaterspektakel denn Lesung.

Die Dialoge strotzen nicht immer vor politischer Korrektheit. Wie sehen Sie das als jemand, der sonst politisch korrekt ist?

Ich sehe mich gar nicht als so politisch korrekt. Ich denke natürlich auf der richtigen Seite zu stehen, wobei das aber wahrscheinlich ein AfD-Politiker auch von sich  behaupten würde. Politische Korrektheit ist immer wahnsinnig langweilig. Aber gerade in diesen Zeiten mache ich mir schon viele Gedanken darüber. Es hat einen Beigeschmack, wenn Sartana zu dem chinesischen Casino-Chef sagt: „Werfen Sie Ihr Geschlitztes mal da drauf.“ Oder ihn mit „Du Gelbei“ anspricht. Aber es war eine andere Zeit. Und es ist dem Humor dienlich.

Auf Ihrem dazugehörigen Album „Bastard“ wird dafür mit einigen Western-Klischees aufgeräumt, wie beispielsweise im Lied „Das schwache Geschlecht“.

Im Spaghetti-Western ist die Rolle der Frau viel diffiziler. Sie strotzen dort vor Stärke und Selbstbewusstsein und dürfen auch immer Schurkin sein! Die Typen, die sie als Sexobjekt sehen, beißen meist ziemlich schnell ins Gras. Frau und Mann stehen sich auf Augenhöhe gegenüber und legen sich gegenseitig aufs Kreuz.

Finden Sie das anziehend?

Ja, natürlich. Starke Frauen bestimmen mein Leben. Insofern habe ich gar keinen Bock auf diese Klischee-Western wie „12 Uhr mittags“, wo sich Gary Cooper am Schluss für die blonde Lehrerin entscheidet und die dunkelhaarige Bardame natürlich leer ausgeht.

Gibt es denn ein klassisches Western-Duell bei „Sartana“?

Wir haben zwar einen „Showdown“ auf der Platte, aber im Spaghetti-Western finden Duelle gar nicht so oft statt. Moralisch geht es darin zwielichtiger zu, was so einen Film ja auch viel interessanter macht. Es wird eher von hinten gemordet. Gerade Sartana macht da keine Ausnahme.

In einem Lied singen Sie von laktosefreier Milch. Wie passt das zusammen?

Es ist ja nicht nur die Musik zum Hörspiel, sondern auch ein Bela-B-Album, das für sich stehen soll. Ich wollte eine Verbindung ins Jetzt schaffen. Der Traum vom Großstadt-Cowboy zerbirst schon morgens bei den Pflichten eines Familienvaters. Dies ist nicht der  Wilde Westen, Django, und das Kind muss gefrühstückt haben, bevor es zur Schule geht ...

Ihre „Ode an das Bahnhofskino“ ist eine Liebeserklärung an das Trash-Kino. Haben Sie wirklich in Ihrer Jugend Frauen abgecheckt, ob die Ihr Nerdtum aushalten, wie Sie im Textes des Liedes singen?

Ich hatte tatsächlich mit 18 eine Freundin – Britt hieß sie – mit der ich ins Kino ging, um drei Werwolf-Filme hintereinander zu sehen. Beim zweiten Film ist sie nach 20 Minuten aus dem Kino gerannt und schrie: „Ich halt das nicht aus!“ Ich bin sitzengeblieben. Ich hatte ja für drei Filme bezahlt. Deshalb widmete ich ihr die Zeilen: „Wo ist die Frau, die einen Werwolf-Marathon mit mir gemeinsam durchsteht?“

Das Gespräch führte Katja Schwemmers.