BER-Debakel: „Platzeck hat gnadenlos versagt“

Berlin - Als einzige Partei im Landtag verlangen die Bündnisgrünen den Verzicht von Ministerpräsident Matthias Platzeck auf beide Ämter: Statt am Mittwoch den Vorsitz im Aufsichtsrat des Flughafens zu übernehmen, soll er auch als Regierungschef abtreten.

Vor der Vertrauensabstimmung im Landtag an diesem Montag begründet Grünen-Fraktionschef Axel Vogel im Interview der Berliner Zeitung diese Forderung.

Herr Vogel, warum soll Platzeck als Ministerpräsident zurücktreten?

Platzeck selbst verbindet die Vertrauensfrage als Ministerpräsident mit dem künftigen Aufsichtsratsvorsitz und wirft damit die Frage auf, ob man ihm für beides das Vertrauen aussprechen kann. Wir sagen Nein. Er hat als Vizevorsitzender des Aufsichtsrates für die Flughafengesellschaft gnadenlos versagt. All das, was er jetzt plötzlich tun will, hätte er längst anschieben können. Wieso alles besser werden soll, wenn er mit Chefaufseher Klaus Wowereit den Platz tauscht, steht in den Sternen.

Welche Vorwürfe machen Sie Platzeck im Einzelnen?

Er hat alle Entscheidungen im Aufsichtsrat mitgetragen und damit zu verantworten, dass Flughafenchef Rainer Schwarz nicht spätestens nach der Eröffnungsabsage im Mai 2012 gefeuert wurde. Dann hätte die Chance bestanden, mit einem neuen Geschäftsführer eine Bestandsaufnahme und einen Kassensturz zu machen, einen realistischen Zeitplan aufzustellen und durchzustarten. Platzeck hatte es auch bis jetzt abgelehnt, Experten in den Aufsichtsrat zu berufen.

Das spricht für den Rückzug aus dem Kontrollgremium – wieso soll er aber als Regierungschef gehen?

Weil er sich bis heute herauszureden versucht. Schuld trägt ja nicht nur Wowereit. Platzeck hat dem Land finanziellen Schaden von mehreren hundert Millionen Euro zugefügt und den Ruf der Region Berlin-Brandenburg geschädigt. Er stellt die Vertrauensfrage nur, um seine Regierungskoalition auf Kurs zu bringen. Der Ministerpräsident missachtet damit das Parlament und missbraucht die Verfassung, – allein das wäre Grund für eine Rücktrittsforderung.

Ist es nicht gut für das Land, den Aufsichtsratschef für den Flughafen Berlin-Brandenburg zu stellen?

Ein Ministerpräsident hat überhaupt nicht die Zeit, diese Aufgabe voll auszufüllen. Die Wissenschaft geht davon aus, dass ein Aufsichtsratsvorsitz zwei bis drei Tage wöchentlich in Anspruch nimmt. Wenn er das befolgt, muss Platzeck seine Pflichten in der Landesregierung schleifen lassen. Er hat praktisch nur die Wahl, sich um den Flughafen oder um das Land Brandenburg zu kümmern.

#image1

Ein wichtiges Ziel der Regierung ist es, ab 2014 ohne neue Schulden auszukommen. Ist das zu halten?

Auf keinen Fall. Der Flughafen wird kontinuierlich hohe Kosten verursachen. Der bisherige Rahmen für Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro ist vollständig ausgeschöpft. Es ist kein Puffer mehr da, alle weiteren Kosten müssen die Gesellschafter zuschießen. Brandenburg muss auch den Ausbau des Flughafens Tegel mitbezahlen, damit dort weiter geflogen werden kann. Und die erwarteten Steuermehreinnahmen bleiben aus – ohne Nachtragshaushalt und neue Schulden wird es also auch 2014 nicht gehen.

Warum hat die Popularität Platzecks bisher so wenig gelitten, im Gegensatz zu der Wowereits? Sind die Brandenburger unempfindlicher?

Die Umfragen sagen: Zwei Drittel der Brandenburger finden Platzeck zwar sympathisch, aber genauso viele glauben ihm kein Wort mehr, was den Flughafen anbelangt. Vielleicht dauert es etwas länger, aber die Brandenburger werden sich umso deutlicher positionieren.

Wenn die Grünen ab 2014 mitregieren würden, was würden sie anders machen am Flughafen?

Wir sind für eine Begrenzung der Kapazitäten und sehen daher keine Notwendigkeit für ein zweites Terminal. Ein Flughafen muss kein internationales Drehkreuz sein, um wirtschaftlich zu funktionieren. Wir können nicht einem unbegrenzten Wachstum huldigen, zu Lasten der Anwohner und der Umwelt. Der innerdeutsche Verkehr gehört auf die Schiene, die deutschen Flughäfen müssen sich die Aufgaben vernünftig teilen. Alle anderen Parteien wollen aber die Ausweitung des Flugverkehrs – insofern wäre das neben der Braunkohle ein Streitthema für Koalitionsverhandlungen, wenn es die jemals geben sollte.

Das Gespräch führte Gerold Büchner