BER Flugrouten-Prozess: Bis ins kleinste Detail

In der Klägerliste trägt Konrad K. die Nummer 9. Aufmerksam verfolgt der 50-jährige Bauingenieur jede Minute der Verhandlung über die Müggelsee-Flugroute, die am Mittwoch vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg fortgesetzt wurde. Konrad K. hat ein besonderes Interesse an dem Fall. Er hatte 1995 in Müggelheim ein Einfamilienhaus gebaut, das er 15 Jahre später verkaufte. Da war endgültig klar, dass Müggelheim vom Fluglärm nicht verschont bleiben wird, wenn der Hauptstadtflughafen in Betrieb geht. 2010 zog K. deshalb mit seiner Familie nach Friedrichshagen, dort hat er noch einmal gebaut. 30 Prozent Wertverlust habe er beim Verkauf seines alten Hauses hinnehmen müssen. Doch dafür glaubte er, den Fluglärm hinter sich gelassen zu haben.

Es kam anders, und so erlebte K. am Mittwoch, wie der Vorsitzende Richter Roger Fieting versuchte, die vielen Aspekte der Flugroutenplanung durchschaubar zu machen, die auch Ks. Leben durcheinander gewirbelt haben. Lärmbelastung, Vertrauensschutz, Alternativrouten – Fieting wollte es bis ins Detail wissen. Am Freitagnachmittag soll das Urteil verkündet werden.

"Doppelbelastung vermeiden"

Erfolglos blieb der Antrag des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung (BAF), das die Flugrouten im Januar 2012 festgelegt hat. Es wollte auch die Flughafengesellschaft und das Brandenburger Infrastrukturministerium in die Verhandlung einbeziehen. Sie sollten auch die Frage beantworten helfen, ob der Planfeststellungsbeschluss Tabuzonen für das Überfliegen bestimmter Gebiete ausweist, wie etwa die Müggelseeregion, für die die Umweltverträglichkeit nicht untersucht wurde. Dagegen richtete sich die Klage von neun Bürgern und den Naturfreunde Berlins. Das BAF ging davon aus, dass selbst beim Überflug geschützter Gebiete in 600 Meter Höhe „keine zusätzlichen Umweltbelastungen zu erwarten sind“, wie der BAF-Anwalt Tobias Marsing sagte. Der Flugroutenplaner bei der Deutschen Flugsicherung, Robert Ertler, machte zudem darauf aufmerksam, dass mit der Müggelsee-Route eine Doppelbelastung von Müggelheim vermieden werden sollte. Der Köpenicker Ortsteil wird bereits von allen aus Richtung Osten kommenden Flugzeugen beim Landeanflug überflogen. Die Müggelsee-Route war im Sommer 2011 auch von der Fluglärmkommission favorisiert worden.

Ob den Klägern ein aktuelles Schreiben aus dem Bundesverkehrsministerium helfen wird, das Anwältin Franziska Heß präsentierte, muss sich noch zeigen. Das Schreiben vom Dienstag ist gerichtet an den Vorsitzenden des Bundestags-Verkehrsausschusses, Anton Hofreiter (Grüne). Der Ausschuss diskutierte am Mittwoch das angekündigte Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission wegen der Festlegung von Flugrouten. In dem Brief heißt es, dass umweltrelevante Abschnitte der Flugverfahren grundsätzlich nur innerhalb des im Planfeststellungsverfahren geprüften Bereichs festgelegt würden. „Sollen umweltrelevante Abschnitte von Flugverfahren jenseits dieses Bereichs festgelegt werden, bedarf es einer ergänzenden Planfeststellung“, für die auch die Umweltfolgen geprüft werden müssten. Genau das wollen die Kläger. Allerdings: Neue relevante Umweltauswirkungen seien für die festgelegten Flugrouten am BER nicht zu erwarten, heißt es in dem Dokument.