BER – Rainer Schwarz: Gericht spricht Berlins Ex-Flughafenchef eine Million Euro zu
Berlin - Jede Sache kann man so und so sehen – auch den Erfolg, den der langjährige Flughafen-Chef Rainer Schwarz am Donnerstag im Landgericht errungen hat. „Diejenigen, die das Desaster am BER verschuldet haben, kommen ungeschoren davon. Nun muss der Steuerzahler für beides aufkommen, für einen unfähigen Geschäftsführer und einen nicht fertiggestellten Flughafen“, kommentierte die Linken-Abgeordnete Jutta Matuschek, die im Gerichtsaal war.
Die fristlose Kündigung sei nicht wirksam erfolgt, sagte dagegen Björn Retzlaff, Vorsitzender Richter der 93. Kammer für Handelssachen. Rainer Schwarz habe einen Anspruch auf Fortzahlung seiner Bezüge bis zum Ende seines Vertrags im Mai 2016 – insgesamt 1.026.860,37 Euro. Dazu kommen 139.661 Euro für die Unterstützungskasse, zur Vorsorge fürs Alter.
Wäre Rainer Schwarz im Gericht gewesen, hätte er sich ein breites Lächeln, wie man es von ihm kennt, wahrscheinlich nur mit Not verkneifen können. So blieb es seinem Anwalt Peter Rölz vorbehalten, den Sieg auszukosten. „Das Gericht ist unserer Darstellung gefolgt“, sagte er im Gerichtsgebäude Littenstraße.
Rölz hätte auch sagen können: Die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB), gegen die deren einstiger Geschäftsführer geklagt hatte, ist vor Gericht krachend gescheitert.
Der Streit begann voriges Jahr. Nachdem immer mehr Pannen am BER ans Licht gekommen waren, beschloss der Aufsichtsrat auf Betreiben des Bunds am 12.Juni 2013, Schwarz fristlos zu kündigen. Doch dann kam es zu einem Patzer. Rölz: „Die Zwei-Wochen-Frist wurde nicht eingehalten.“ So lange hat ein Arbeitgeber Zeit, um eine fristlose Kündigung zuzustellen. Das Land Brandenburg, dessen damaliger Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) als Aufsichtsratschef für den Rauswurf zuständig war, ließ es aber ruhig angehen. Sehr ruhig, denn erst am 24. Juni 2013 gab es einen Zustellversuch – der dann auch noch abgebrochen wurde. Seitdem Schönefeld-Gegner vor Schwarz’ Wohnung unweit des Griebnitzsees in Potsdam-Babelsberg demonstriert hatten, trugen weder Klingelschilder noch Briefkästen seinen Namen. Am 25. Juni ließ die Staatskanzlei einen weiteren Anlauf starten, bei dem in alle Briefkästen Kündigungen gesteckt wurden. Am 26. Juni fuhr dann noch ein Obergerichtsvollzieher in das Nobelviertel. Schwarz war die ganze Zeit nicht da.
Richter Retzlaff hatte den Termin-Wirrwarr im September erstaunt zur Kenntnis genommen. Als er am Donnerstag die Entscheidung verkündete, spielte ein weiteres Thema die Hauptrolle: Hat Schwarz seine Pflichten so schwerwiegend verletzt, dass eine Fortführung des Vertrags unzumutbar war? Nein!
Es ging zum einen um die Pflicht, stets den Aufsichtsrat zu informieren. „Hier dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren, was der Aufsichtsrat schon wusste“, sagte Björn Retzlaff. Seit Februar 2012 sei dem Gremium klar gewesen, dass der Flughafen im Juni nicht mit dem regulären, sondern allenfalls mit einem behelfsmäßigen Brandschutzkonzept in Betrieb gehen kann. „Der Aufsichtsrat wusste, dass das Vorhaben in einer kritischen Phase war und dass es nur mit der Brechstange klappt.“
Vielleicht habe Schwarz nicht klar genug auf die Schreiben der Beratungsfirma McKinsey hingewiesen, die vor ernsten Problemen am BER gewarnt hatte. Am 1. November 2012 lagen die Briefe dem Gremium vor, doch bis zur fristlosen Kündigung verging auch hier zu viel Zeit. Mit ihnen ließe sich kein außerordentlicher Rauswurf begründen.
Auch bei der Erfüllung der Geschäftsführerpflichten sah das Gericht keinen Fehler. Zwar habe Rainer Schwarz seit März gewusst, dass sich die Situation immer weiter zuspitzte. Er hätte die für den Juni geplante BER-Eröffnung absagen und „das eine oder andere Sümmchen“ sparen können. Es stand aber in seinem Ermessen, den Kampf um die Einhaltung des Termins fortzusetzen. „Objektiv war der Kampf verloren. Im Nachhinein sind wir immer schlauer“, sagte der Vorsitzende.
„Das grenzt an einen Freibrief für Tagträumerei und Selbstbedienung“, sagte Jutta Matuschek. Es gibt immer mehrere Meinungen.