Keine Maskenpflicht mehr in Bus und Bahn: „Ich werde sie aus Gewohnheit weiter tragen“
Sie nervt! Sie schützt! Sie ist wie Knast! Zur FFP2-Maske hat jeder eine andere Meinung, ab Donnerstag gilt die Maskenpflicht nur noch im medizinischen Bereich.

Bei einer Drogerie am Alexanderplatz gilt gerade ein Rabatt von 20 Prozent auf alle Mund-Nasenschutz-Artikel, und in der Apotheke am Hauptbahnhof müssen Kunden die FFP2-Masken in den Regalen selbst suchen. Sie stehen nicht mehr wie sonst an prominenter Stelle gleich am Eingang. Das sind nur zwei kleine Zeichen dafür, dass die Maskenpflicht im Berliner ÖPNV ihrem Ende naht, genauer: An diesem Donnerstag ist es so weit. Fast drei Jahre nachdem die Maskenpflicht in Bus und Bahn am 27. April 2020 angeordnet wurde, verliert diese Regelung ihre Gültigkeit. Für Besucher im Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeheimen bleibt sie vorerst bestehen.
Das ist zumindest die offizielle Version. Bei vielen Bürgern ist dieses Datum noch nicht angekommen. Die frühere Rücknahme der Maßnahmen wurde noch auf Titelseiten begrüßt. Doch ausgerechnet bei der Maskenpflicht, die eigentlich bei jeder Fahrt im ICE irgendwo zu einer Grundsatzfrage führte, wissen viele nicht Bescheid.
Charlotte Sattler, eine Fotografin aus Leipzig, entgegnet im Berliner Hauptbahnhof angesprochen auf die Maskenpflicht: „Die gibt’s schon nicht mehr, oder?“ Sie ist keine Ausnahme. Laut Angaben der BVG tragen nur rund 60 Prozent der Fahrgäste tatsächlich eine Maske in den öffentlichen Verkehrsmitteln. „Ich hatte mich schon gewundert, wie viele Menschen immer noch eine Maske tragen“, sagt Sattler. Hinter ihr steigen gerade Menschen aus der S5. Geschätzt vier von fünf tragen eine Maske.
In Sachsen gilt die Maskenpflicht bereits seit Mitte Januar nicht mehr; warum immer mehr Bundesländer dem jetzt folgen wollen, versteht Charlotte Sattler nicht. „Ich finde es schon komisch, damit im Winter aufzuhören“, sagt sie. Schließlich gebe es immer noch eine große Welle anderer Erkrankungen wie Grippe und Erkältungen, das Gesundheitssystem sei schon belastet. „Ich habe keine Lust darauf, alle zwei Wochen wieder krank zu werden.“

Das Land Berlin hat aktuell eine Sieben-Tage-Inzidenz von 56,7 – so viele aktive Corona-Erkrankungen gibt es pro 100.000 Bürger. Über das Wochenende wurden keine neuen Fälle gemeldet, auch keine Todesfälle – die gesundheitliche Lage ist also weit entfernt von der Spitze der Pandemie vor einem Jahr, als die Inzidenzen der Berliner Bezirke zu den höchsten in ganz Deutschland gehörten. Jetzt sei es an der Zeit, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), mehr auf „Eigenverantwortung und Freiwilligkeit“ zu setzen.
„Es ist pure Respektlosigkeit, keine Maske zu tragen“
Es ist eine Richtung, über die sich viele freuen – unter anderem Serah Ngugi aus Prenzlauer Berg. Die gebürtige Kenianerin ist aktuell in Elternzeit von ihrer Arbeit als Pflegerin – findet die Aufhebung der Maskenpflicht trotzdem die richtige Entscheidung. „Es freut mich sehr, dass auch aus gesundheitlicher Perspektive alles sein Ende gefunden hat“, sagt die 36-Jährige. „Jetzt können wir wieder normal leben – die ganze Zeit eine Maske tragen zu müssen, das ist wie im Knast zu sein.“

Wenn sie ab Donnerstag in einem vollen Zug sitzt, werde sie erst mal immer noch ihre Maske aufsetzen, sagt sie. „Aber so lang will ich das nicht noch machen“, so Ngugi. „Das wäre einfach zu stressig.“ Auch Wolfgang Sparrer, ein Mitfahrer in der U5, freut sich auf das Ende der Maskenpflicht in Berlin – ebenso wie in Nordrhein-Westfalen, wo er herkommt. Bis dahin will der 65-Jährige sich an die Regeln halten. „Keine Maske trotz Pflicht zu tragen, das ist einfach die pure Respektlosigkeit – mir gegenüber, und auch für die Regeln.“
Das Coronavirus mag für die meisten Menschen nicht mehr so präsent sein wie früher – aber nicht nur davor schützen Masken. Erst am Donnerstag letzter Woche wurde die Winter-Grippewelle für beendet erklärt, Ende 2022 waren zahlreiche Bereiche des öffentlichen Lebens von einer weitreichenden Erkrankungswelle betroffen. Muss man nach Aufhebung der Maskenpflicht mit so was erneut rechnen?
Die 53-jährige Birgit Böttger aus Hellersdorf findet es zwar richtig, dass man mit dem Ende der Maskenpflicht mehr Selbstverantwortung übernehmen muss. „Die Erkältungen kommen aber sicher jetzt wie eine Welle“, sagt sie. „Menschen tragen einfach immer die Gefahr mit, irgendwas zu übertragen.“ Auch deswegen ist sie noch nicht bereit, ab Donnerstag ihre Maske für immer abzulegen. „Ich bin einfach daran gewöhnt“, sagt sie. Um das Handgelenk trägt sie eine blaue medizinische Maske.
„Entweder konsequent oder gar nicht“
Neben Berlin und Nordrhein-Westfalen fällt am Donnerstag die Maskenpflicht auch in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern – in mehreren anderen Bundesländern ist sie aber bereits Geschichte. Ab Donnerstag sind Masken auch im Fernverkehr kein Muss mehr, so Gesundheitsminister Lauterbach vor zwei Wochen. Das ist aber noch zu früh für Boris Peeff aus München; am Montag reiste er mit seinem Sohn Enno nach Hause nach einem dreitägigen Besuch in Berlin.

Als Fünfjähriger ist Enno von der Maskenpflicht befreit, für den 45-jährigen Boris heißt das aber vier Stunden im Zug mit einer FFP2-Maske auf – was für ihn längst keinen Sinn mehr ergibt. „Wenn man in einem Restaurant essen geht, dann sitzen überall Menschen ohne Masken“, sagt der 45-Jährige. „Man muss das entweder konsequent machen oder gar nicht.“ Im bayrischen ÖPNV gilt seit dem 10. Dezember keine Maskenpflicht mehr.
Bei seiner Zugreise nach München wird Boris Peeff den Regeln nachkommen und seine Maske tragen – wenn auch etwas widerwillig. „Auf der Fahrt hierhin haben die meisten gar keine Maske getragen, dafür wurden sie auch nicht bestraft“, sagte er. „Es ist so ein Mist.“ Die Maske von der Hinfahrt hat er inzwischen verloren. Vor der Heimfahrt musste er sich eine von der Apotheke am Hauptbahnhof besorgen. Pro Stück 1,95 Euro.