Schnuffi, Maulkorb, Fratzenlatz: 5 persönliche Abschiede von der Maskenpflicht

In nur wenigen Stunden ist es so weit: Die Maskenpflicht fällt für Berliner. Zeit, sich gebührend zu verabschieden vom „Schnutenpulli“. Kommentare aus der Redaktion.

Ab dem 2. Februar sind Masken im ÖPNV keine Pflicht mehr. 
Ab dem 2. Februar sind Masken im ÖPNV keine Pflicht mehr. Sabine Gudath

In der Nacht auf den 2. Februar endet um Mitternacht die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie hat zu Streit, Prügeleien und Geldstrafen geführt, sie hat das Flirten erschwert und vielleicht auch Leben gerettet. Auf jeden Fall deutet einiges darauf hin, dass der Übergang fließend sein wird. Nicht alle wollen ab Donnerstag die Maske fallen lassen und nicht alle können die vergangenen drei Jahre so einfach hinter sich lassen. Hier fünf verschiedene Abschiedsgrüße an die Gesichtsmaske.

Zum Schluss war es nur noch Folklore

In meinem Bus war bereits am Mittwoch der 2. Februar. Die meisten trugen keine Masken mehr – es ist ja auch schwer zu begreifen, dass die Maskenpflicht nicht am Monatsersten endet. Ich habe kurz überlegt und die FFP2-Maske dann doch aufgesetzt. Ich hatte sie eben griffbereit. Aber in dem Moment dämmerte mir, dass sich eine fast dreijährige Gewohnheit nicht so schnell ablegen lässt. Dabei fand ich es oft genug nervig hinter dem Stofffetzen in der Bahn zu sitzen, besonders im Sommer. Das Make-up kann man danach dann auch vergessen. In der Pandemie war die Maskenpflicht schon in Ordnung, sie hat sicherlich viele vor Ansteckung bewahrt. Aber jetzt zum Schluss war es doch mehr Folklore, bei der viele auch nicht mehr mitgemacht haben, was man ihnen nicht verdenken kann. Natürlich sitze ich jetzt noch auf einem ganzen Berg von FFP2-Masken, die ich gehortet habe, als die Preise gesunken sind. Vielleicht brauche ich sie in Erkältungszeiten auf. Aber viel Lust habe ich nicht. Christine Dankbar

Die Freiheit, Dönergeruch ungefiltert einatmen zu dürfen

Ehrlich gesagt, mir ist es egal, ob jemand in Bus, Bahn oder Flugzeug Mund und Nase bedeckt. Von mir aus soll jeder selbst entscheiden, ob er eine medizinische Maske, eine FFP2-Maske, die Karnevalsversion von Munchs „Schrei“ oder nichts außer Bartstoppeln im Gesicht trägt. Wenn sich jemand im Falle einer Erkältung nicht schämt, die Atemluft anderer Menschen mit ausgehusteten und geschnieften Keimen anzureichern –  Topchecker und Übermenschen müssen sich nun einmal für nichts rechtfertigen. Wenn jemand Freiheit so versteht, die Ausdünstungen seiner Mitmenschen, mitreisender Hunde oder mitgeführter Döner eins zu eins einatmen zu dürfen – bitte gern!

Trotzdem werde ich die Maskenpflicht vermissen. Denn sie schuf ein Umfeld, in dem zu meidende Mitreisende schneller als bisher identifiziert werden konnten. Jugendliche im Aggressor-Modus, Fußballfans, Touristen, die Berlin mit dem Ballermann verwechseln: Als Maskenlose waren sie leicht wie nie von Weitem auszumachen, sodass man nach dem Einsteigen rasch einen anderen Teil des Wagens ansteuern konnte. Nicht zu vergessen die älteren Herren mit dem missbilligenden Besserwisserblick, die jede kleine Bitte um soziales Verhalten grundsätzlich für „Gehirnwäsche“ und Freiheitsberaubung halten: Auch ihnen konnte man in Zeiten der Maskenpflicht einfacher als sonst fernbleiben.

Bald gibt es die Pflicht nicht mehr. Dabei ist der Nutzen einer physischen Barriere gegen Keime evident, auch wenn sie nicht 150-prozentig korrekt getragen wird. Aber nun darf wieder jeder selbst entscheiden, ob er sich den Zuständen im öffentlichen Verkehr mit oder ohne Schutz aussetzen will. Meine Entscheidung steht fest. Peter Neumann

Die Besseren und die Nicht-Besseren

Neulich sagte jemand in einem Gespräch über das Ende der Maskenpflicht in Berliner ÖPNV folgenden Satz: „Zwei Jahre lang brauchte man sich nur in die U-Bahn setzen, um zu wissen, wer ein A***loch ist oder nicht.“ Nicht, dass ich einen weiteren Grund gebraucht hätte, das Ende der Maskenpflicht in Bus und Bahn zu begrüßen, aber nach diesem Gespräch freue ich mich umso mehr auf die Rückkehr zur Normalität. Das mag trotzig klingen, ist es vielleicht auch ein bisschen – aber im Erst: Diese Arroganz nervt.

Ich oute mich jetzt: Ich trage schon seit einigen Wochen keine Maske mehr – so wie meine Freunde, die in Paris und Barcelona leben, oder meine Familie in Florenz. Alles A***löcher?

Ich schreibe das als jemand, der nicht ein einziges Mal das Wort „Freiheitbeschränkung“ in den Mund genommen hat, wenn es um Masken ging. Ich gehörte sogar zu den Ersten in Berlin, die so was trugen, da bin ich ziemlich sicher – es war Anfang 2020. Als Covid-19 hier in Deutschland noch kein Thema war und niemand sich auch nur entfernt hätte vorstellen können, eine Maske im Alltag tragen zu müssen, landete eine Ladung bunter, selbstgenähter Stoffmasken zugeschickt in meinem Briefkasten. Aus Italien, wo meine Familie lebt und wo bereits Anfang 2020 klar war, dass das Virus zu einem großen Problem wird.

Der Satz über die A***löcher fasst für mich zusammen, was in der Corona-Debatte schiefgelaufen ist – in einem Wort: alles. Zwei Jahre Angst-Berichterstattung haben dazu geführt, dass die Corona-Maßnahmen – ob Maskenpflicht, Ausgangsperren, Schulschließungen bis hin zur Impfung – nicht mehr als das betrachtet wurden, was sie waren, nämlich Mittel zum Zweck. Sie wurden zum politischen und moralischen Bekenntnis, zu etwas, woran man eben misst, wer „gut“ und wer „schlecht“ ist.

Ich werde die maskentragenden Fahrgäste in Bus und Bahn nicht vermissen. Ich befürchte allerdings, dass sie ihre moralische Überlegenheit nach Ende der Maskenpflicht noch mehr inszenieren werden, denn jetzt ist es ihre freie Entscheidung, eine Maske zu tragen: Sie, die „Besseren“, brauchen dazu keinen Zwang. Wir, die „Nicht-Besseren“, freuen uns nicht nur auf das Ende der Maskenpflicht, sondern aufs Fahrradfahren im Frühling. Federica Matteoni

Endlich wieder Ruhe

Ein guter Freund aus den USA beschreibt jedes Mal, wenn er in Berlin ist, Szenen des Zurechtweisens – er nennt es Deutsching. Ich deutsche, du deutschst, wir deutschen. Und richtig, auch in Berlin gibt es viele Menschen, die es lieben, vollkommen distanzlos die Nachbarn in der U-Bahn auf irgendetwas hinzuweisen, die Maskenpflicht war die beste Gelegenheit dafür.

Erst neulich saß ich im vollbesetzten Regionalexpress, neben den Sitzen standen die Menschen mit Koffern, es war sehr warm. Ich nahm einen Schluck aus meiner Wasserflasche, zog dafür kurz die Maske übers Kinn und hatte das Wasser noch im Mund, da zischte der Mann von gegenüber: „Maske auf!“ Wie gern hätte ich ihn nach der aktuellen Höhe der Inzidenz gefragt oder ob es ihm Freude mache, ständig andere Menschen auf Regeln hinzuweisen. Warum mussten Deutsche immer deutschen? Aber ich wusste auch: Er hatte recht und ich zog den Schnuffi schnell wieder über den Mund.

Schnuffi, das ist das Wort, das meine Eltern in Dresden für die Maske erfunden hatten. Sie erinnerten einander auf dem Weg nach draußen immer: Hast du deinen Schnuffi dabei? Niemals sagen sie Maulkorb oder Gesichtslappen, wie es im Erzgebirge oft genannt wurde. Ich bin mir sicher, wenn sich Schnuffi deutschlandweit durchgesetzt hätte, wäre das Sprechen darüber automatisch leichter gewesen. Achso, und Corona haben sie bisher nie bekommen. Sören Kittel

Kleineres Übel

Ich bin dreimal geimpft und mittlerweile zweimal genesen. Das erste Mal war die Infektion nicht schlimmer als eine mittelschwere Erkältung. Beim (hoffentlich) letzten Mal lag ich flach, Fieber, Schüttelfrost etc. Nach einer Woche war ich wieder gesund, aber auch nicht so richtig.

Das war im vergangenen Oktober und ich brauchte bis nach Weihnachten, um mich wieder vollständig auf der Höhe zu fühlen. Ständig war ich schlapp, erschöpft und gereizt. Mein Herz raste, meist dann, wenn ich selbst zur Ruhe kam. Ich hörte es bedrohlich laut hinter meinem Trommelfell pochen, auch nachts.

Ich bekam Bluthochdruck. Die Ärztin meinte, das könnte von der Infektion kommen, grundsätzlich aber könnte man nach jedem Infekt erhöhten Blutdruck haben. Ich trage nun wieder Maske im Supermarkt, und wenn ich mit den Öffentlichen fahre, werde ich zukünftig wieder konsequent zu dem nervigen Atem- und Mundschutz greifen. Ich bin kein übervorsichtiger Mensch, aber ich habe das Gefühl, dass eine weitere Infektion mit einer Coronavirus-Variante nicht so glimpflich ablaufen könnte wie die letzte. Und die war schon sicherlich mehr als nur ein herkömmlicher Infekt. Marcus Weingärtner