Nach 44 Jahren: Berliner Tanzschule „Die Etage“ ist insolvent
Die Privatschule ging seit 1978 einen interdisziplinären Weg. Nun ist sie Geschichte. Warum musste sie schließen?

Der frühere Schulleiter, Thomas Zimmermann, gibt sich keine Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. Zimmermann übernahm im Jahr 2017 die Schulleitung der Tanzschule „Die Etage“. Aber zu ihrer Insolvenz will der ehemalige Leiter jetzt nichts mehr sagen. Er sehe keinen Sinn darin, überhaupt noch über „Die Etage“ zu sprechen. Senat und Stadt interessierten seine Probleme ohnehin nicht. Berlin habe mit der Schließung der Schule am 31. Januar eine „einzigartige“ Einrichtung verloren, die sich in der internationalen Kulturszene einen Namen gemacht habe, fügt Zimmermann hinzu.
Es gab viele Abteilungen an einer Schule
Eine 44-jährige Geschichte und ein Experiment gehen mit der Insolvenz der privaten Schule für darstellende Künste zu Ende. Es begann damit, dass der tschechische Pantomime Nils-Zdeněk Kühn im Jahr 1978 eine Fabriketage an der Anhalter Straße anmietet, um Kurse zu geben. Er wollte einen neuen Typ von Schule schaffen, in der alle darstellenden Künste unterrichtet werden. Ein Konzept, das bis dahin völlig neu war, und es bleibt auch nach der Gründung der „Etage“ konkurrenzlos in Berlin.
Die interdisziplinär arbeitende Schule musste in den vergangenen Jahrzehnten mehrmals umziehen. Sie bezog zuletzt in der Kulturbrauerei an der Schönhauser Allee Quartier. Ein gemeinnütziger Verein trug die Schule seit 1985. Rund 100 Schüler lernten im Durchschnitt in der dreijährigen Ausbildung an der Schule und verließen die Schule mit einem Abschluss als staatlich geprüfte Künstler in ihrem jeweiligen Fach. Sie hatten während ihrer Zeit an der „Etage“ allerdings Gelegenheit, sich mit verwandten Disziplinen vertraut zu machen.
Die Pandemie setzte der Schule zu
Der Insolvenzverwalter, die Kanzlei Münzel und Böhm, schildert, dass die Einnahmen aus dem Schulgeld zuletzt die Ausgaben der Schule nicht mehr decken konnten. Die „Etage“ habe während der Corona-Pandemie und auch danach einen Rückgang an Schülern verzeichnet, der auch ein immer größeres Loch im Budget hinterließ, erklärt ein Vertreter der Kanzlei. Inflation und steigende Ausgaben für Energie und Heizung dürften den finanziellen Druck auf die Schule noch verstärkt haben.
Die Schüler der „Etage“ können ihre Ausbildung an zwei anderen Privatinstituten fortsetzen. Die Ballettschule Danceworks in den Osramhöfen nimmt die Tanzabteilung der „Etage“ auf. Schüler der übrigen Abteilungen können ihre Ausbildung im Schulungszentrum Seneca Intensiv an der Georg-Knorr-Straße in Marzahn fortsetzen.
Schüler können Ausbildung fortsetzen
Inga Gross vom Schulungszentrum Seneca Intensiv sagt, dass die Integration der ehemaligen „Etage“-Schüler durchaus eine organisatorische Herausforderung sei. Gleichzeitig sei es selbstverständlich gewesen, den Auszubildenden eine Perspektive zu bieten. Auch Honorarlehrkräfte der „Etage“ könnten nun dort ihren Unterricht fortsetzen.
Das sind aber nicht die schlechteren Künstler.
Auch Gross beklagt die Schließung der „Etage“. Eine Alternative zu staatlichen Angeboten sei in Berlin nötig. Die „Etage“ habe eine diverse und im Vergleich zu staatlichen Angeboten oft ältere Klientel in darstellenden Künsten ausgebildet. „Es handelte sich um Menschen, die erst erwachsen werden mussten, bevor sie Artist werden wollten. Das sind aber nicht die schlechteren Künstler“, sagt Gross.
Schülerschaft fühlt sich verunsichert
Stephanie Day ist 32 Jahre. Sie war im zweiten Jahr ihrer Ausbildung im zeitgenössischen Tanz, als sie im Dezember 2022 von der Insolvenz erfuhr. Day schildert, dass viele Schüler sich trotz der Übernahme durch andere Schulen verunsichert fühlten. Die Atmosphäre an der „Etage“ fehle. Ihr habe der Unterricht Spaß gemacht.
Es hat einfach Spaß gemacht.
Auch Day ist überzeugt, dass Berlin ein Angebot wie die „Etage“ wieder dringend benötigt. „In Berlin gibt es Tanz- oder Theaterausbildung“, sagt sie, „aber beides zusammen an einem Ort gibt es jetzt nicht mehr.“
Es gab Probleme im Management
Die Leiterin der Tanzabteilung, Saskia Asohoto, macht sich um ihre eigene berufliche Zukunft nach der Schließung der Schule keine Sorgen. „Es öffnen sich neue Türen“, sagt sie. Sie sei aber traurig über das Ende der „Etage“. Ihrem Eindruck nach wagten nach der Pandemie und in Krisenzeiten weniger Menschen den Schritt in die in der Regel mit freier Berufstätigkeit verbundenen künstlerischen Berufe. „Seit Corona ist die Nachfrage gesunken“, sagt sie. Probleme beim Betrieb der Schule habe es auch gegeben, weil Mitarbeitern mit einem künstlerischen Hintergrund oft die Erfahrungen im Management gefehlt hätten. „Das ging schon ans Limit“, sagt Asohoto.
Auch Asohoto beklagt, dass mit der Schließung der „Etage“ nun eine wichtige Ergänzung zu staatlichen Angeboten fehle, um neue Talente auszubilden. „Berlin sollte sich fragen, ob es so etwas nicht braucht“, sagt sie.