„Es gibt kaum ein besseres Zeichen“: Der Panzer vor der russischen Botschaft

Der zerstörte Panzer erinnert an den Jahrestag der Invasion der Ukraine. Bei seinem Besuch hat der ukrainische Botschafter klare Worte zu Friedensdemos.

Ein Panzerwarck aus Ukraine steht vor russischer Botschaft
Ein Panzerwarck aus Ukraine steht vor russischer BotschaftGerd Engelsmann

Es ist ein Bild, das viele Vorbeigänger zum Schweigen, andere zum Reden bringt: der Anblick eines verrosteten Panzers. „Eine bessere Aktion könnte es an diesem Tag nicht geben“, sagt ein älterer Mann. Damit meint er den ersten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar 2022.

Es ist eine Aktion, die seit fast einem Jahr geplant wurde. Organisiert wurde sie von Enno Lenze und Wieland Giebel, Macher des Museums Berlin Story Bunker; inspiriert wurde sie von ähnlichen Ausstellungen zerstörter russischer Panzer auf den Straßen Kiews. „Wir wollten die Grausamkeit des Krieges vermitteln – ohne die Schockbilder von schwer verletzten Kindern, wobei die Menschen einfach nur weggucken“, so Lenze. Menschen haben gelbe und blaue Blumen auf dem Panzer niedergelegt, auch eine Kerze hat man neben ihm angezündet. Wenn man dicht neben dem Panzer steht, riecht man Rost und gebranntes Metall. Der Panzer wurde Ende März 2022 durch eine Panzerabwehrmine am Rande des Dorfes Dmytrivka bei der Schlacht um Kiew zerstört; Enno Lenze weiß nicht, ob die russischen Soldaten darin dabei gestorben sind.

Der Brite Leigh Sanderson ist zu Besuch in Berlin. „Es gefällt mir schon, so einen russischen Panzer in diesem Zustand zu sehen“, sagt er. Sein Opa war Ukrainer – „meine Liebe für dieses Land brennt aber ganz stark in meinem Herzen“, sagt der 50-Jährige. Er wusste gar nicht, dass hinter ihm die russische Botschaft liegt. „Das macht die Aktion sogar besser“, sagt er, als er das begreift. „Es gibt kaum ein besseres Zeichen dafür, dass Russland eigentlich nicht die militärische Großmacht ist, wie es immer vorgemacht hat.“

Botschafter Makeiev: Panzer sei eine Mahnung für viele in Deutschland

Leigh Sanderson sagt, die Emotionen dieses Tages haben ihn noch nicht wirklich betroffen – aber er hatte heute Morgen schon Angst, sagt er, sein Handy zu öffnen und die Nachrichten zu lesen. In den Wochen vor dem Jahrestag wuchs unter vielen Ukrainern die Angst, dass der russische Staatspräsident Wladimir Putin diesen Tag als Anlass für verstärkte Bombardierungen ukrainischer Städte oder eine erneute Großoffensive nutzen könnte. 

Der ukrainische Botschafter Oleksii Makejew
Der ukrainische Botschafter Oleksii MakejewGerd Engelsmann

Kurz nach 13.30 Uhr kam der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev vorbei, um den Panzer zu besichtigen – direkt nach seiner Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung im Schloss Bellevue mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Mit starrem Blick und angespanntem Kiefer starrte der Botschafter den Panzer ein paar Augenblicke lang an, bevor er reden konnte. „Das ist eine Mahnung für viele hier in Deutschland“, sagte er. „Die Ukraine tut alles dafür, dass keine russischen Panzer mehr durch Europa rollen.“ Er sei Deutschland sehr dankbar für den Leopard- und Marder-Panzer, mit denen diese Aufgabe besser gelingen werde.

Mit dabei war Ptaschka, eine Sanitäterin im Asow-Regiment der ukrainischen Armee. Vier Monate lang saß sie in russischer Gefangenschaft nach der Verteidigung des Stahlwerks Azovstal in der fast komplett zerstörten Hafenstadt Mariupol. Ptaschka ist ihr Signalname, auf Deutsch bedeutet das so was wie Vöglein. „Unsere Aufgabe ist es, alles dafür zu tun, auch auf diplomatische, menschliche und Informationsebene, dass die Ukraine diesen Krieg schnellstmöglich gewinnt“, sagte sie. Sie findet, die Ausstellung der Panzer in Berlin leiste einen wichtigen Beitrag dazu.

Nur noch bis Montag wird der Panzer hier stehen; danach muss der Trailer, auf dem er sitzt, zurück in die Ukraine, um Hilfsgüter und Ausrüstung zu liefern, so Enno Lenze. Dass der Panzer so aufgestellt ist, dass das Rohr direkt auf die russische Botschaft gerichtet ist, sei nicht absichtlich geschehen; in der Tat hätten die Organisatoren ihn in Verkehrsrichtung aufstellen wollen. Das sei aufgrund von Vorschriften des Bezirksamts Mitte wegen der Gewichtsverteilung des Panzers nicht möglich gewesen. „Wer die Richtung nicht mag, sollte vielleicht keine Angriffskriege beginnen“, sagt Patrick Heinemann, der als Anwalt Enno Lenze und Wieland Giebel bei der Umsetzung des Projekts unterstützt hat.

Tausende erwartet bei Friedensdemo am Sonnabend

Lebendige Szenen begleiteten den ersten Ausstellungstag des Panzers: Direkt neben ihm, vor dem dauerhaften Mahnmal für die ukrainischen Opfer des Krieges vor der russischen Botschaft, versammelte sich am Nachmittag eine kleine Friedensdemonstration. Es gibt Fahnen von der Linkspartei, ein Demonstrant schwenkt eine blaue Fahne mit einer Friedenstaube darauf. Auch der Kultursenator Klaus Lederer ist da. Die Aktion kommt nicht unbedingt gut an. „Arschlöcher, verpisst euch“, ruft ein vorbeigehender Mann. „Ihr verbreitet hier Putin-Propaganda.“

Am Samstag kommt eine noch größere Friedensaktion in Berlin; Tausende werden bei der von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer angeführten Demo erwartet. Für sie hat Botschafter Makeiev klare Worte, bevor er zum nächsten Termin fuhr. „Ich würde diese Menschen sehr gerne auf diesem Platz vor dem Panzer sehen, damit sie klar der russischen Botschaft sagen: Russland, stoppt diesen Krieg“, sagt er. „Wenn Sie für Frieden sind, das sind wir in der Ukraine auch – aber Frieden fällt nicht vom Himmel. Frieden muss erkämpft werden.“