Umweltschützer angeln Elektroroller aus der Spree: „Es ist ein Fass ohne Boden“

Freiwillige von der Initiative Spree:publik schippern mit ihrem Floß über die Spree und ziehen Schrott aus dem Wasser. Unsere Autorin hat sie begleitet.

Berlin: 19.02.2023: Jan Ebel (roter Anzug) und seine Besatzung von Spree:publik sind mit der Rockfisch in Mitte an der Museumsinsel unterwegs und fischen Unmengen von Schrott aus der Spree.
Berlin: 19.02.2023: Jan Ebel (roter Anzug) und seine Besatzung von Spree:publik sind mit der Rockfisch in Mitte an der Museumsinsel unterwegs und fischen Unmengen von Schrott aus der Spree.Gerd Engelsmann

Der orangefarbene Overall von Jan Ebel ist bis unter den Bauchnabel braun vor Schlamm. Mit einer langen Metallstange zieht er gerade den vierzehnten Elektroroller aus der Spree. Sein Kollege umfasst die mit Muscheln besetzte Lenkstange und hievt den Roller auf das kleine Holzboot.

Ausgerüstet mit Gummistiefeln, wasserdichten Hosen und blauen Plastikhandschuhen fischen die vier Mitglieder der gemeinnützigen Organisation Spree:publik schon seit einer Stunde nach Müll in der Spree, zwei weitere filmen und fotografieren. Vorwärts gekommen sind sie gerade mal fünfzehn Meter. Die Aktion an diesem Sonntag läuft unter dem Motto „Schwerpunkt Elektroroller“. Spree:publik ist ein Zusammenschluss aus Kunst- und Kulturflößern, die auf dem Wasser Konzerte, schwimmende Ateliers oder Integrationsprojekte veranstalten.

Schrott aus der Spree: Insgesamt wurden 25 Elektroroller am Sonntag aus dem Fluss geholt.
Schrott aus der Spree: Insgesamt wurden 25 Elektroroller am Sonntag aus dem Fluss geholt.Gerd Engelsmann

Das Floß ist selbstgebaut, auf dem Dach sind eine Solarzelle, ein Kanu und zwei Reifen-Schwimmringe befestigt. In der Kajüte stehen Kaffeetassen neben einer Sitzbank mit großen Kissen – die Bank benutzt heute aber niemand. Die Freiwilligen sind eifrig beschäftigt mit Angeln.

Seit drei Jahren ziehen sie ehrenamtlich Müll aus der Spree, größere Aktionen finden alle zwei Monate statt, kleinere fast jedes Wochenende, sagt Ebel. Heute sind sie zwischen der S-Bahn-Brücke am Hackeschen Markt und der Monbijoubrücke unterwegs. Geplant sind vier Stunden, wahrscheinlich wird es länger dauern.

„Lasst den Einkaufswagen wieder frei!“

„Vor allem die Lithiumbatterien sind gefährlich für die Umwelt“, sagt Ebel. Das Wasserschifffahrtsamt sehe dagegen keinen akuten Handlungsbedarf, meint er. Auch die Leihunternehmen führten selbst keine Aktionen durch. „Das Einzige, was die Rollerfirmen leisten, ist, dass sie die Leihroller an der Mercedes-Benz-Arena abholen“, sagt Ebel, löst den Haken vom Geländer und zieht das Boot etwa zwei Meter weiter. Er hätte schon einmal höflich um eine Spende gebeten, die Antwort: Bedingung sei, dass sie dies für die Pressearbeit nutzen dürften. „Greenwashing“ nennt Ebel das, er lehnte das Angebot ab.

Manchmal mietet Spree:publik auch einen Container für sonstigen Schrott, wie auf dem Instagram-Kanal zu sehen ist. „Lasst den wieder frei“, ruft Ebel heute, als die Angler einen Einkaufswagen am Haken haben. Das Deck ist schon halb voll gestellt mit Fahrrädern und Rollern. Sobald man den Müll herausgeholt hat, sei man auch für die Entsorgung verantwortlich, sagt Ebel.

Die Spree ist trüb, weil es am Vortag geregnet hat – an dieser Stelle sehen die Aktivisten normalerweise, was sie herausholen, bevor es an Deck ist. „Richtig schlechte Bedingungen sind das“, sagt Ebel. Mithilfe der Enterhaken gelingt es den Spree:publikanern trotzdem laufend Roller aus der Spree zu ziehen. „Dit is die Erfahrung“, sagt einer von ihnen und lacht.

Kopfschüttelnde Zuschauer

Am Ufer sammeln sich immer mehr Zuschauer, zehn bis fünfzehn Menschen lehnen sich interessiert an das Geländer und stellen hin und wieder Fragen. Die Sonne scheint, es ist Sonntag, sie haben keinen Zeitdruck und unterbrechen ihre Spaziergänge durch die Stadt für so ein Spektakel gerne. Unter der S-Bahn-Brücke spielt ein Straßenmusiker Saxophon, die seichten Klänge werden vom Platschen der Haken und Surren der S-Bahn unterbrochen.

Viele Eltern mit Kindern bleiben stehen. „Eine Sauerei ist das!“, sagt eine Mutter mit Kinderwagen. Sie findet die Aktion „richtig toll“. Ein Vater ist mit seinem siebenjährigen Sohn unterwegs. „Wir entdecken bei unseren Stadtwanderungen oft interessante Sachen“, sagt einer. Die Angler haben die beiden schon öfter beobachtet. „Da sind schon Weltkriegswaffen zum Vorschein gekommen“, sagt der Mann. Das sei einer der Gründe, warum Magnetangeln nicht erlaubt seien und auch die Haken seien eigentlich nur Hilfsmittel zu den langen Stangen, erklärt Ebel. Es sei außerdem nicht erlaubt, archäologische Funde aus dem Bezirk zu entfernen. Ein Zuschauer schüttelt bei diesen Aussagen verständnislos den Kopf. „Unglaublich“ findet er das.

Am Ende der Aktion sind es 25 Elektroroller, die nebeneinander dreckig am Rande der Spree stehen. Und das sind nur die, die aus einem kleinen Teil der Spree stammen. Warum die Roller in der Spree landen? „Betrunkenes Partyvolk“, vermutet Ebel. Immer wieder räumen sie an den gleichen Stellen auf. „Das ist ein Fass ohne Boden“, sagt er und seufzt.