Berlin: Immobilienlobby lobt Michael Müller nach Kritik an Enteignungs-Initiative
Berlin - Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat für seine ablehnende Haltung zur Enteignung großer Immobilienunternehmen Applaus vor allem von einer Seite bekommen: von der bundesweiten Immobilienwirtschaft. Seite an Seite mit den Lobbyisten – zumindest ein ungewohntes Bild.
Die Aussage sei „nach den irritierenden Äußerungen und Handlungen führender Berliner Politiker“ ein „erstes positives Signal dafür, dass doch noch Vernunft einkehren könnte“, erklärt Andreas Mattner, Präsident vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), dem Spitzenverband der Immobilienwirtschaft.
Müller hat sich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) klar gegen Enteignungen ausgesprochen. Das sei nicht sein Weg und seine Politik. Solche Diskussionen „helfen den Mietern jetzt überhaupt nicht“, so Müller. Stattdessen unterstütze er die Idee einer Deckelung von Mieten, die von der Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten Eva Högl vorgeschlagen wurde. Im Gespräch ist dabei eine Begrenzung der Mieten auf sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter.
Berlins Bürgermeister Michael Müller zu Enteignung: „Meine Bürgermeisterkollegen sind auch keine Kommunisten“
Obwohl noch umstritten ist, ob ein einzelnes Bundesland überhaupt einen solchen Deckel einführen darf, versuchte Müller sofort den Vorwurf einer möglicherweise ideologiegetriebenen Politik zu entkräften: „Das hat auch nichts mit Planwirtschaft zu tun, sondern hat sich in den 80er-Jahren in West-Berlin schon einmal bewehrt“, zitiert die FAZ den Regierungschef. Eine sozialpolitische Debatte habe im Übrigen „nichts mit DDR-Romantik zu tun. In Paris und Los Angeles werden exakt die gleichen Debatten geführt wie bei uns. Und meine Bürgermeisterkollegen sind auch keine Kommunisten“, sagte Müller.
Rouzbeh Taheri, Sprecher der Enteignungsinitiative, wirft dem Regierungschef vor, er übernehme „die Argumentation der Immobilienlobby“. Es sei merkwürdig, dass Müller die Wohnungen der ehemals landeseigenen GSW zum Marktwert ankaufe wolle, gleichzeitig aber den Vorschlag der Initiative für die Vergesellschaftung der Deutsche Wohnen und anderer Unternehmen ablehne, „obwohl das viel weniger kosten würde, da die Entschädigung deutlich unter dem Marktwert erfolgen kann“, so Taheri. Der Regierende hatte im Januar erklärt, er wolle die privaten Bestände der GSW zurückkaufen. Dabei geht es um rund 51.000 Wohnungen, die inzwischen der Deutsche Wohnen gehören.
Auch der Berliner Mieterverein (BMV), Interessenvertretung von 170.000 Mietern in der Stadt, unterstützt die Initiative für ein Volksbegehren. Sie sei „ein Bestandteil einer Kommunalisierung und Rekommunalisierung großer privater Wohnungsbestände“, sagt Geschäftsführer Reiner Wild. Man werde die Mitglieder bitten, „den Antrag mit ihrer Stimme zu unterstützen.“ Doch selbst auf die ZIA kann sich Müller nicht vorbehaltlos verlassen – wenn er es denn wollte. Während der Verband den Regierenden Bürgermeister in seiner Haltung zu Enteignungen noch unterstützt, lehnt er den Mietendeckel als „unverantwortlichen Eingriff in das Eigentum“ ab.
ZIA-Präsident Andreas Mattner über Immobilienwirtschaft: „Wir müssen bauen, bauen, bauen"
Nach ZIA-Präsident Mattner haben „Schnellschüsse und Zwang“ ausgedient, gefragt seien soziale Marktwirtschaft und innovative Lösungen. Wie die aus seiner Sicht aussehen sollten, sagt Mattner auch: „Wir müssen bauen, bauen, bauen – und das Land muss die dafür notwendigen Flächen zur Verfügung stellen.“ Dass dabei in den vergangenen Jahren vor allem teure und damit für Berlin größtenteils ungeeignete Wohnungen entstanden, verschweigt der Lobbyist geflissentlich. Zur Senatsstrategie gegen die rasant ansteigenden Mieten gehört nicht erst seit Müllers GSW-Idee auch der Ankauf von Wohnungen. Doch auch dieses Vorgehen ist umstritten.
Wie die Berliner Morgenpost berichtet, will der Landesrechnungshof die Käufe jetzt untersuchen. Zuletzt hatten vor allem der Ankauf von Wohnungen in der Karl-Marx-Allee und im Kosmosviertel in Altglienicke für Aufsehen gesorgt. „Es handelt sich um eine finanziell sehr bedeutsame Angelegenheit, die wir mit großer Aufmerksamkeit verfolgen“, sagte Rechnungshof-Präsidentin Karin Klingen in dem Zeitungsbeitrag.
„Wir legen dabei Wert auf eine Gesamtstrategie.“ Man wolle auch alle landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften untersuchen. Die dafür notwendige Prüfgenehmigung habe die Finanzverwaltung in Aussicht gestellt. „Wir wollen erst mal sehen, nach welchen Maßstäben Senat und Bezirke handeln, welches Finanzvolumen dafür eingeplant ist und nach welchen Kriterien die Wohnungen ausgesucht werden“, sagte Klingen.