Berlin in historischen Aufnahmen : Hier wächst die Oberbaumbrücke
Die Silhouette der Baugerüste macht das Erkennen nicht schwer: Es gibt nur eine Brücke in Berlin mit solchen Türmen - die bei Berlinern und Besuchern beliebteste

Berlin - Dass die Oberbaumbrücke zu den beliebtesten Fotomotiven der Stadt gehört, verdanken wir Architekten und Baumeistern, die sich von der Geschichte des Ortes inspirieren ließen. Sie bauten die Brücke als Stadttor. An den Gerüsten auf dem Foto erkennt man schon die künftige Silhouette.
Seit 200 Jahren schon war zu jener Zeit das Stralauer Tor der östliche Eingang zur Stadt gewesen. Der Oberbaum versperrte an dieser Stelle als Wassertor die Einfahrt der Schiffe in die Stadt. Im Mittelalter hatte er noch einige Kilometer flussabwärts an der Spreeinsel in der Nähe der Jannowitzbrücke gelegen. Da wurde, wie der Name schon sagt, ein dicker, mit Eisennägeln bewehrter Stamm ins Wasser versenkt.
Mit der Erweiterung des Stadtraums und dem Bau der Akzisemauer wanderte die Einlasskontrolle nach Osten. 1723 ordnete Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, an, den Oberbaum durch eine hölzene Brücke mit Klappen für den Schiffsverkehr zu ersetzen. Hier wurden die ankommenden Schiffe kontrolliert und vor allem: Hier war der Zoll zu entrichten- eine direkte Verbrauchssteuer auf eingeführte Waren.

Zu beiden Ufern setzte an den Brückenenden seit 1724 die Akzisemauer an, die Berlin etwa zur Mitte des 18. Jahrhunderts dann vollständig umschloss. Diese Mauer ersetzte die früheren Befestigungen der Stadtgrenze, die sich eng um den Altstadtkern gelegt hatten.
Die heutige Oberbaumbrücke ersetzte die alte hölzerne nachdem die Firma Siemens&Halse 1893 die Genehmigung erhalten hatte, an dieser Stelle eine Eisenbahnbrücke zu errichten. Es war die Zeit, als das Bürgertum der Stadt viel auf die Geschichte von Stadt und Region hielt. So entschied man sich für die Referenz an die alte Funktion als Stadttor mit Türmen und regionaltypischen Backsteinfassaden. Der mittelalterliche Mitteltorturm der Stadtmauer von Prenzlau inklusive Wehrgängen diente als Vorbild. Hinter der historisierenden Oberfläche steckte allerdings eine moderne Ingenieurkonstruktion aus Beton und Stahl.

Die neue Landmarke enstand zwischen 1894 und 1896 im neugotischen Stil. 1902 ging auf der oberen Ebene die erste Beliner U-Bahn-Linie (heute U1) in Betrieb. Unter den Hochbahngleisen verlief ein geschützter Fußgängerweg, der einen mittelalterlichen Kreuzgang nachahmt. Neben dem überdachten Fußweg führt die Straße über die Spree.
Nach der Reparatur des stark kriegsgeschädigten Bauwerks verband dieses bis zum Mauerbau die Bezirke Friedrichshain und Kreuzberg. Am 13. August 1961 wurde die Oberbaumbrücke für den gesamten Verkehr einschließlich der U-Bahn gesperrt. Das Viermächteabkommen erlaubte ab 1972 die Nutzung durch Fußgänger mit entsprecehenden Passierscheinen.
Nach der Wiedervereinigung wurde die Brücke für insgesamt 70 Millionen Mark umfassend instandgesetzt. Man entschloss sich auch diesmal für eine ästhetisch hochwertige Rekonstruktion: Der Architekt Santiago Calatrava errichtete den zerstörten Mittelteil als schwungvollen Bogen. Seit 1995 fahren wieder U-Bahnen, Autos und Fahräder (letztere nicht konfliktfrei) über die Brücke.