„Einbrechys Auto fliehet“: Wie ich mit meiner Enkelin die Sprache reformiere
Über die Sprache kann man ewig streiten. Sie enthält zu viele widersprüchliche Details, und dann noch das Gendern! Dabei könnte man alles so schön vereinfachen.

Meine zweijährige Enkelin entdeckt die Sprache. Ich beobachte das fasziniert. Sie hat unter anderem eine eigene Vergangenheitsform entwickelt. „Ich habe den Ball geworfen“ heißt bei ihr: „Ich Ball werfet.“ Sie sagt: „Ich hinsetzet“ – „Ich aufesset“ – „Ich Opa Sand smeißet.“ Diese Form ist grandios – kurz, effizient, elegant. Wie schnell lässt sich auf diese Weise ein OP-Bericht erstellen: „Mann hinleget, Bauch aufsneidet, Blinddarm rausnehmet, alles zunähet.“
Über Sprache könnte ich stundenlang reden. Denn das Deutsche ist voller Überraschungen. Und zugleich verwirrend. Um in Streit zu geraten, muss man gar nicht erst Themen wie das Gendern bemühen. Dafür reichen schon kleine Dinge, zum Beispiel Präpositionen wie „an“, „auf“ und „bei“. Die beliebte österreichische Band Wanda (Österreichisch ist ja auch irgendwie Deutsch) singt zum Beispiel: „Kein Haus am Land für mich, oh je. Ich weiß genau, dass du verstehst.“
„Kein Haus am Land?“ – was soll denn das heißen?
„Keen Haus am Land?“, meckert mein innerer Berliner sofort los. „Is doch janz klar, dette keen Haus mehr krichst, wenn de nich uffs Land ziehst, sondern nur ans Land. Wenn alle am Rand wohnen, isset janz schnell übafüllt.“ Und als neulich ein Schweizer Freund schrieb, er gehe „in einer halben Stunde in München auf den Zug“, lautete die Antwort: „Haste drin keen Platz mehr jekricht? Musste uffm Dach mitfahren? Zieh da warm an!“
Aber man muss gar nicht bis nach Österreich oder in die Schweiz gucken. Neulich war ich in Eberswalde. Das dortige Museum erwähnt als eine Besonderheit der Gegend das „Eberswalder Kanaldeutsch“, eine Art Berlinisch mit Sonderblüten. Zum Beispiel sagt man „widder“ statt „wieda“ oder „damit“ statt „dass“. Also etwa: „Ick seh ein, damit det schwer zu verstehn is“ – oder: „Du weeßt schon, damit de als Berliner jar keen Jrund hast, dir lustich zu machen!“
„Jeh mal bei die Tante!“ – das ist auch kein richtiges Deutsch
Letzteres stimmt. Alle Kritik kehrt wie ein Bumerang zurück, wenn man sich das Berlinische anguckt, so, wie ich es noch von meinen alten Großtanten kenne. Da findet man unter anderem ein einziges Präpositions-Chaos! Beispiele: „Jeh mal bei die Tante!“, „Ick muss ze Hause“, „Jehste noch mal nach’n Bäcker?“ Vielleicht eröffnet dieses ganze Kuddelmuddel an Formen aber auch eine Chance, die Sprache zu vereinfachen. Wir streiten uns nicht mehr, sondern lassen einfach künftig alle Präpositionen weg. Dazu nutzen wir die geniale Vergangenheits-Form meiner Enkelin. Jeder, der künftig Deutsch lernt, wird begeistert sein.
Der Satz „Die Kita-Erzieherin hat mit den Kindern geschimpft“ würde künftig lauten: „Kita Tante Kinder simpfet.“ Um die Genderei müssen wir uns auch nicht mehr streiten. Wir nutzen einfach die Form, wie sie der österreichische Aktionskünstler Hermes Phettberg seit 30 Jahren verwendet. Aus „der Leserin“ und „dem Leser“ machte dieser einfach „das Lesy“, zusammen: „die Lesys“. Weitere Beispiele: „das Arzty“ und „die Ärztys“, „das Rauchy“ und „die Rauchys“.
Der Satz „Die Einbrecher:innen sind mit dem Auto geflohen“ heißt dann also im Polizeibericht: „Einbrechys Auto fliehet.“ Ich merk schon, ich bin ein bisschen zu viel mit meiner Enkelin zusammen. Aber das ist ja auch das Beste, das man in dieser Zeit machen kann.
Neuerscheinung: Torsten Harmsen: Berlin brummt – Geschichten aus dem Hauptstadt-Kaff. BeBra-Verlag (ersch. 29. September). Buchpremiere: Mittwoch, 5. Oktober 2022, 20 Uhr, im Pfefferberg-Theater, Schönhauser Allee 176, 10119 Berlin.