Dragoner-Areal: Erste Abrissarbeiten für das neue Stadtquartier
Die ersten 240 Wohnungen sollen zwischen 2025 und 2027 in Kreuzberg entstehen. Ein Großteil soll als Sozialwohnungen angeboten werden.

Betonbrocken türmen sich meterhoch, rostige Stahlträger ragen in die Höhe. Auf dem Dragoner-Areal in Kreuzberg haben Abrissarbeiten begonnen. Sie sind der Auftakt zur Umgestaltung des jetzigen Gewerbegebiets zu einem am Gemeinwohl orientierten neuen Stadtquartier mit bezahlbaren Wohnungen, kulturellen Angeboten und neuen Gewerbeflächen – unter Einbeziehung von Anwohnern und Gewerbetreibenden in einem kooperativen Prozess. Die Umgestaltung des Areals gilt deswegen auch als Modellprojekt.
„Fünf größere Wohnhäuser sollen hier zwischen 2025 und 2027 entstehen“, sagte Christina Geib, Chefin der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), am Montag bei der Vorstellung der aktuellen Pläne. Die landeseigene WBM will den Großteil der Wohnungen beisteuern. In einem ersten Bauabschnitt sollen 240 Wohnungen errichtet werden. Mindestens 50 Prozent sind als Sozialwohnungen geplant, die mit Förderung des Landes Berlin errichtet werden. Höchstwahrscheinlich wird der Anteil der preiswerten Wohnungen aber noch höher liegen. Geib sagte, bei einer Untersuchung sei festgestellt worden, dass es im Umfeld einen Bedarf an 80 Prozent geförderten Wohnungen gebe. Die Gespräche zum Anteil der Sozialwohnungen laufen noch. Insgesamt sind fast 500 Wohnungen auf dem Dragoner-Areal geplant.
Das rund 47.000 Quadratmeter große Dragoner-Areal liegt im sogenannten Rathausblock zwischen Yorckstraße, Mehringdamm, Obentrautstraße und Großbeerenstraße. Im 19. Jahrhundert entstand auf dem Gelände die Garde-Dragoner-Kaserne – daher kommt der Name.
Der Bund wollte das Grundstück an den Meistbietenden verkaufen
Das Areal steht beispielhaft für das Bemühen Berlins, ein bundeseigenes Filetgrundstück im öffentlichen Besitz zu halten. Bereits 2012 wollte der Bund die Fläche für 22 Millionen Euro privatisieren. Doch der Deal platzte, nachdem der Käufer den Kaufpreis nicht aufbringen konnte.
Nach einem neuen Bieterverfahren verkaufte der Bund das Grundstück im Februar 2015 an ein Unternehmen mit Sitz in Wien, das 36 Millionen Euro geboten hatte. Zwar stimmte der Haushaltsausschuss im März 2015 zu, doch wurde das Geschäft im September 2015 im Bundesrat auf Initiative von Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) gestoppt. Beim Hauptstadtfinanzierungsvertrag von 2017 kamen Berlin und der Bund überein, dass das Dragoner-Areal im Zuge eines Grundstückstauschs an Berlin gehen sollte. 2019 war es so weit.
Das Dragoner-Areal soll auf Grundlage des städtebaulichen Entwurfs der Planungsgemeinschaft SMAQ Architektur und Stadt mit Man Made Land und Barbara Schindler entwickelt werden. Sie haben sich 2020 in einem Wettbewerb mit ihrem Konzept durchgesetzt.
16-geschossiges Wohnhochhaus soll in der Mitte des Areals errichtet werden
Dieses sieht vor, die denkmalgeschützten Gebäude des Areals zu erhalten und um neue Häuser zu ergänzen. Großzügige offene Räume sind als Begegnungsorte der Nachbarschaft geplant. Ein 16-geschossiges Wohnhochhaus soll in der Mitte des Areals entstehen. Die gewerbliche Nutzung wird in dem Konzept überwiegend im nördlichen Teil des neuen Stadtquartiers untergebracht – unter anderem in einem langen Gewerberiegel. In den vergangenen zwei Jahren wurde das Konzept überarbeitet. Eines der Ergebnisse ist, dass der Gewerberiegel einige Einschnitte erhalten soll, um durchlässiger zu werden.
Zu den Gewerbetreibenden auf dem Areal gehören bisher Autowerkstätten, eine Polsterei, der Club Gretchen, ein Biomarkt und ein Getränkehändler. Sie sollen bleiben dürfen, selbst wenn sie in dem neuen Stadtquartier vielleicht einen neuen Platz erhalten, sagte die Sprecherin der Gewerbetreibenden und Chefin des Clubs Gretchen, Pamela Schobeß.
Nicht jeder kann jedoch auf dem Dragoner-Areal gehalten werden. So das Marmorwerk, das Natursteine verarbeitete. Es habe aber ein Ausweichquartier ganz in der Nähe gefunden, wodurch es weiter für die Kunden aus der Umgebung erreichbar sei, so Schobeß. Drei weitere Betriebe, die ihre Räume wegen der nun laufenden Abrissarbeiten verlassen müssen, hätten ebenfalls Ausweichquartiere erhalten. Von einst 14 Betrieben seien damit vier weg.
Realisierungszeitraum bis zum Jahr 2030, vielleicht sogar noch länger
Probleme könnte es wegen der neuen Nachbarschaft von Wohnungen und Gewerbe geben. Es gehe in den nächsten Schritten nicht nur darum, Wohnungen durch Schallschutzfenster vor Lärm abzuschirmen, sagte WBM-Chefin Geib. Es gehe auch „darum, gemeinsam auszuhandeln, wer zu welcher Zeit welchen Lärm machen darf“. Dem kooperativen Prozess stehen also noch Lektionen in gegenseitiger Rücksichtnahme und Toleranz bevor. Ohnehin dürfte die Gestaltung des Quartiers ein längerer Prozess werden. WBM-Chefin Geib sagte, man spreche über einen Realisierungszeitraum bis 2030, möglicherweise sogar noch darüber hinaus.
Die Planungen für das Dragoner-Areal laufen zwar schon seit Jahren, doch manche Frage ist noch ungeklärt. So verwies die Geschäftsführerin der Berliner Immobilienmanagement-Gesellschaft (BIM) Birgit Möhring darauf, dass die Finanzierung des Gewerberiegels noch nicht gesichert sei. Im Haushalt sei dafür „keinerlei Vorsorge getroffen“ worden. Spätestens wenn über den Bau des Wohnhochhauses nachgedacht werde, müsse die Finanzierung des Gewerberiegels geklärt sein. Denn dieser diene auch als Schallschutz zwischen den Gewerbeflächen im Norden und den Wohnungen im Süden des Areals.
Die Pläne zum Dragoner-Areal sind ab sofort für circa zwei Monate in einer Ausstellung am Zaun hinter dem Finanzamt Friedrichshain-Kreuzberg am Mehringdamm 20–30 zu besichtigen. Es ist eine Freiluftausstellung, die Präsentation ist also 24 Stunden am Tag zugänglich.