Berlin macht Sero-Recycling-System der DDR zum Vorbild: Rückkehr der Müll-Pioniere

Pioniere ziehen mit dem Handwagen durch die Gegend: Sie sammeln Wertstoffe für Sero, das staatliche Recyclingsystem der DDR. Wer seine Kindheit „im Osten“ verbracht hat, der wird sich erinnern. Sero war das Zauberwort, mit dem man Papier und Plaste in Taschengeld verwandelte. Das Sammeln und Wiederverwerten von Altstoffen soll im heutigen Berlin wieder eine größere Rolle spielen: Der Senat ruft jetzt die Zero-Waste-Wochen aus. Sero lässt grüßen!

„Zero Waste“ heißt „null Abfall“. Und wenn es nach Rot-Rot-Grün geht, soll Berlin Zero-Waste-City werden. Also eine Stadt, die möglichst wenig Müll produziert und ihren Abfall möglichst komplett recycelt. Das hat der Senat in seiner letzten Sitzung beschlossen. Auf dem Weg dorthin soll das Umweltbewusstsein der Berliner mit Bürger-Aktionen geschärft werden. In der DDR hieß der passende Slogan: „Sammelt Sekundär-Rohstoffe für die Volkswirtschaft!“

Abkehr von der Wegwerf-Gesellschaft

Eine neue Mitmach-Kampagne von Senat, BSR und der Initiative „Re-Use Berlin“ ruft dazu auf, bis 16. November zum Recyclinghof an der Ruppiner Chaussee 341 zu kommen. Jeder kann gesammelte, gut erhaltene Gegenstände abgeben – etwa Stühle, Textilien und Elektrokleingeräte. „Alles, was zu schade zum Wegwerfen ist“, heißt es.

Während diese Sachen sozialen Einrichtungen zugutekommen, gibt es dort auch eine Altstoff-Annahmestelle. Lernziel ist es laut Senat, „Abfälle vorrangig zu vermeiden und in zweiter Priorität hochwertig stofflich zu recyceln“.

Schon im Frühjahr hatte das Abgeordnetenhaus den Beschluss „Abfallpolitik auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft“ gefasst – und eine Abkehr von der Wegwerf-Gesellschaft gefordert. Bisher werden nur knapp 50 Prozent des Plaste-Mülls in Deutschland recycelt, obwohl technisch 90 Prozent möglich wären.

Immer mehr Elektroschrott

Dabei hätte man ein ausgereiftes Recycling-System schon zur Deutschen Einheit haben können: In der DDR gab es 17.000 Sero-Annahmestellen, also an jeder Ecke. Noch im Wendejahr 1989 wurden 11.000 Tonnen Plastik für die Herstellung von Blumentöpfen und Bierkästen sowie 422.000 Tonnen Schrott für den Bau von Wohnungen und Autos verwertet.

Die Idee, dass das Sammeln auch sozialen Zwecken dienen soll, gab es ebenfalls schon. Erlöse von Schüler-Aktionen wie „Hilfe für den Wiederaufbau in Vietnam“ wurden gespendet.

Aber nicht alles lässt sich vergleichen: Der Grünen-Politiker Georg P. Kössler weist auf das noch recht neue Problem des Smartphone- und PC-Schrotts hin. „Je smarter unser Leben wird, je schneller die technischen Innovationszyklen, desto mehr Elektroschrott fällt an“, sagt er. In dem Abfall schlummern wertvolle Edelmetalle, die aber noch nicht hinreichend zweitverwertet werden. Und es gibt Giftstoffe darin, die lieber nicht im Hausmüll landen sollten.

Das Start-up „Binee“ arbeitet bereits an einer Lösung dafür: Es stellt, etwa in Kooperation mit Supermärkten, werbefinanzierte Boxen auf, in denen Geräte gesammelt werden. Wer etwas dort abgibt, der erhält sofort per E-Mail einen Gut-schein für Online-Shops. Das Prinzip ist exakt wie früher bei Sero, wo man ein paar Mark für seine abgegebenen Wertstoffe bekam – zum Beispiel 0,90 Mark pro Kilo Kupferkabel.

Wer weiß, wo wir beim Ressourcen-Sparen und beim Umweltschutz heute wären, wenn sich nach der Wende Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) durchgesetzt und Sero bundesweit eingeführt hätte. Doch statt dieses Vorbild zu erhalten, wurde das Sero-System abgewickelt. Heute gibt es unter dem Namen Sero nur noch eine Annahmestelle in Oranienburg. Sieht so aus, als müssten wir alles wieder neu lernen – von der DDR.