Protest beim Filmfest: Taxifahrer demonstrieren gegen Berlinale-Sponsor

Der US-Fahrdienstvermittler Uber ist Hauptpartner der Filmfestspiele. Das stößt auf Kritik. Jetzt äußert sich Berlinale-Chefin Rissenbeek zu den Vorwürfen.

Protest gegen die Mobilitätsplattform: eines der Transparente, das am Donnerstag gezeigt wurde.
Protest gegen die Mobilitätsplattform: eines der Transparente, das am Donnerstag gezeigt wurde.Peter Neumann

Am roten Teppich war am Donnerstagabend das Gedränge groß. Doch Klaus Meier und seine Mitstreiter waren nicht ins Viertel rund um den Berlinale-Palast gekommen, um Autogramme zu sammeln. Sie demonstrierten dagegen, dass die US-Mobilitätsplattform Uber bei den 73. Berliner Filmfestspielen als Partner und Geldgeber  auftritt.

„Dem Konzern ist es gelungen, sich als Hauptsponsor der Berlinale ins Scheinwerferlicht zu drängeln“, sagte Meier, der sich als Berliner Taxi-Soziallotse um Taxifahrer kümmert. „Damit stellt sich das Filmfestival auf die Seite des weltweit tätigen Zerstörers von Existenzen. Das kann eigentlich nicht sein und darf sich nicht wiederholen.“

Berlin ist eine von über 10.000 Städten weltweit, in der das Technologieunternehmen Uber per App Fahrten vermittelt. Erstmals tritt es bei einer Berlinale als Hauptpartner auf – und das ärgert den ehemaligen Taxifahrer Klaus Meier. 

„Uber ist der Hauptverantwortliche für systematisches Lohndumping mit einem massiven Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns in Berliner Mietwagen und Taxis“, heißt es auf dem Flugblatt, das die Männer am Rand der Berlinale-Eröffnung verteilen. Uber befördert die Fahrgäste nicht selbst, sondern vermittelt die Aufträge an Partnerfirmen, die für jede Order bis zu 25 Prozent Provision zahlen müssen. Unter diesen Bedingungen sei es rechnerisch nicht möglich, den Fahrern Mindestlohn zu zahlen, lautet die Kritik. So entstand der Vorwurf des Lohn- und Sozialdumpings. Er trifft auch die anderen Berliner Anbieter auf diesem Gebiet, FreeNow und Bolt.

Forderung: „ethisch tragfähiges Beförderungskonzept für die Berlinale 2024"

„Der Konzern will die Berliner Taxibetriebe verdrängen, die wir als Teil des öffentlichen Nahverkehrs und der Daseinsvorsorge brauchen“, so das Flugblatt weiter. „Uber ignoriert weltweit Gerichtsurteile, welche vor dem Verlust der Taxis schützen sollen. Bislang auskömmlich bezahlte Arbeit wird durch Dumpingangebote ersetzt. Das milliardenschwere Unternehmen versucht, lokale Märkte als Monopolist zu übernehmen, um fortan Preise und Arbeitsbedingungen allein zu bestimmen.“ Die Verfasser fordern die Festspielleitung auf, gemeinsam mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), der S-Bahn Berlin, Taxiverbänden und der Gewerkschaft Verdi ein „ethisch tragfähiges Beförderungskonzept für die Berlinale 2024 zu entwickeln“.

„Mach‘ den P-Schein, werde Taxifahrer. Da kannst Du gut verdienen.“ Diesen Rat bekam Klaus Meier einst, kurz nachdem er das Abitur abgelegt hatte. Und so begann der Berliner als Student 1985 damit, Taxi zu fahren. „Ich wollte etwas Sinnvolles tun, nah an der Stadt und ihren Menschen. Da war Taxifahren ideal.“ Damals war die Arbeit lukrativ. „500 Mark an einem Wochenende war normal. 500 Mark brutto gleich netto.“

Taxifahrer gehören zu den „Working Poor“

Doch 2017 war Schluss. „Ich wurde krank“, erinnert sich Meier. „Zu viel Sitzen, zu wenig Bewegung. Außerdem hatte sich Berlin in einer Art und Weise entwickelt, die für mich nicht mehr erträglich war. Das Fass zum Überlaufen brachte der durchgeknallte Radfahrer, der mich durch das geöffnete Seitenfenster schlug.“ Heiligabend 2019 setzte sich Meier noch einmal ans Steuer. Doch er merkte, dass die Verdienstchancen in Berlin längst nicht mehr so gut waren.

„Ich musste lange pausieren, um runterzukommen. Ich war arbeitslos“, so der Berliner. Dann erfuhr er von dem Modellversuch mit dem bedingungslosen Grundeinkommen, den der damalige Regierende Bürgermeister Michael Müller ins Leben gerufen hatte. Frank Steger vom BALZ, dem Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise, ermöglichte Meier die Teilnahme. Das Projekt Taxi-Soziallotse entstand. „Das Besondere ist, dass es nicht vorrangig um Arbeitslose geht, sondern um Menschen, die zwar arbeiten, aber kaum das Lebensnotwendige verdienen. Es geht um Working Poor.“

Klaus Meier ist Taxi-Soziallotse. „Früher hatten Taxifahrer etwas von Anarchisten. Taxifahrer waren Individualisten. Heute sind es einfach nur ganz normale ausgebeutete Menschen,“ schätzt der Berliner ein.
Klaus Meier ist Taxi-Soziallotse. „Früher hatten Taxifahrer etwas von Anarchisten. Taxifahrer waren Individualisten. Heute sind es einfach nur ganz normale ausgebeutete Menschen,“ schätzt der Berliner ein.Gerd Engelsmann

Nach seiner Einschätzung hat sich das Berliner Taxigewerbe über viele Jahre „zu einem Musterbeispiel für unregulierten Kapitalismus entwickelt hat. Man kann anhand seiner Geschichte zeigen, was passiert, wenn man den Marktkräften vollkommen freien Lauf lässt“, so Meier.

Berliner Taxi-Soziallotse: „Viele Fahrer arbeiten für Hungerlöhne“

„Viele Fahrer arbeiten für Hungerlöhne. Pro Stunde kommen da meist nur zwischen zwei und fünf Euro rum“, berichtete er. „Die Arbeit war schon prekär, bevor Uber sich breitgemacht hat. Bereits damals kam der Großteil der Taxifahrer nicht auf den Mindestlohn.“ Doch in den vergangenen Jahren wurde die Situation immer schlimmer.

„Wir nehmen die Sorgen der Taxifahrer sehr ernst und arbeiten allein in Berlin mit rund 1000 von ihnen sehr gut zusammen“, entgegnete Tobias Fröhlich, der in Deutschland für Uber spricht. Doch den Vorwurf, dass die Probleme der Taxibranche vor allem auf Mobilitätsplattformen wie Uber zurückgehen, wies er zurück.

Starre Strukturen und unflexible Fahrpreise

„Wir sind davon überzeugt, dass die wirtschaftlichen Herausforderungen der Branche vor allem aus einer niedrigen Auslastung resultieren, die auf starre Strukturen sowie permanent steigende und unflexible Tarife zurückzuführen sind“, gab Fröhlich zu bedenken. „Zudem hat die Corona-Pandemie und steigende Energiepreise viele Unternehmen belastet. Vor allem darunter leiden die Taxifahrer, nicht unter Mietwagen mit Chauffeuren, die den Mobilitätsmix für alle erweitern.“

Der Uber-Sprecher äußerte sich auch zum Dumpingvorwurf. „Uber arbeitet in Deutschland auch mit lizenzierten Mietwagenfirmen zusammen, deren Fahrer sind angestellt und verdienen mindestens den Mindestlohn, aber häufig auch mehr, da gute Fahrer gesucht sind“, erläuterte Fröhlich.

Und was sagt die Leitung der Berliner Filmfestspiele? „Wir wählen unsere Sponsoren im Vorfeld sorgfältig aus und unterziehen sie einer Prüfung mit umfangreichen Recherchen“, teilte Berlinale-Chefin Mariëtte Rissenbeek der Berliner Zeitung mit.

Berlinale-Chefin spricht mit der Innung des Berliner Taxigewerbes

„Die Berlinale arbeitet nur mit Unternehmen zusammen, die sich an die rechtlichen Standards in Deutschland halten. Die geltende Rechtslage sieht vor, dass Uber in der Stadt legal operieren darf. Uber hat uns glaubwürdig versichert, dass die Geschäftspraktiken ihrer Anfangsjahre nicht mehr existieren und sie sich klar davon distanziert haben“, berichtete sie. Nicht nur Uber halte sich an die rechtlichen Vorgaben, auch die Uber-Mietwagen-Partner werden einer genauen Prüfung geltender Regularien unterzogen, betonte Rissenbeek.

Die Filmfestspiele freuten sich darüber, „dass wir mit Uber zur 73. Berlinale ein modernes und nachhaltiges Mobilitätskonzept mit neuester Wasserstofftechnologie zur Beförderung der anwesenden Filmteams umsetzen können“, so die Geschäftsführerin. Der Berlinale Shuttle, der die Filmstars und Crews zum roten Teppich sowie zu den Pressekonferenzen chauffiert, wird mit umweltfreundlichen Wasserstoffautos betrieben. Doch Uber decke nicht den gesamten Mobilitätsbedarf ab, betonte Rissenbeek. „Neben zusätzlichen und eigens finanzierten Fahrservicekapazitäten nutzt die Berlinale Taxi-Voucher für Transfers ihrer Gäste.“

Der überwiegende Teil des Berlinale-Publikums nutze einen breiten Angebotsmix an öffentlichen Verkehrsmitteln, teilte sie weiter mit. „Auch ist unsere Geschäftsführung bereits direkt mit der Berliner Taxi-Innung in Kontakt getreten, um im persönlichen Dialog zu versichern, dass die Berlinale dem Taxigewerbe mit dieser Entscheidung nicht den Rücken kehrt, sondern dieses nach wie vor eine wichtige Säule des Berlinale-Verkehrsmix' darstellt.“