Berlin-Neukölln: Erschossener Burak B. soll ein Mahnmal bekommen
Berlin - Es ist einer der mysteriösesten Kriminalfälle Berlins der vergangenen Jahre: Am 5. April 2012 wurde der 22-jährige Burak B. in Neukölln auf offener Straße erschossen. Er saß abends mit Begleitern an einer Bushaltestelle gegenüber des Krankenhauses Neukölln, als die Schüsse fielen. Der Täter ist bis heute nicht gefunden. Nun, viereinhalb Jahre später, konkretisieren sich die Pläne, ganz in der Nähe einen Gedenkort für Burak B. einzurichten. Noch bis Ende des Jahres will eine Mahnmalsinitiative dafür 15.000 Euro Spendengeld sammeln. Zum fünften Todestag soll das Fundament stehen, zum sechsten Todestag im Jahr 2018 dann das Gesamtkunstwerk eingeweiht werden.
„Algorithmus für Burak und ähnliche Fälle“ soll das Kunstwerk heißen. Schon der sperrige Name lässt erahnen, dass das Mahnmal eine komplexe und politische Angelegenheit sein soll. Ein Algorithmus ist in der Mathematik eine „eindeutige Handlungsvorschrift zur Lösung eines Problems“. Der Zusatz „und ähnliche Fälle“ weist daraufhin, dass damit mehr als einer Person gedacht werden soll, nämlich „ähnlichen“ Opfern. Das heißt in diesem Fall: Opfern rassistischer Gewalt.
Denn darum handelt es sich bei Burak B. – zumindest aus Sicht vieler politischer Aktivisten, die sich des Falls angenommen haben. Nun ist der rassistische Hintergrund zwar nicht bewiesen, das Gegenteil aber eben auch nicht.
Erinnerung an NSU-Morde
Die Polit-Aktivisten erinnern daran, dass ein halbes Jahr vor den tödlichen Schüssen von Neukölln die Terrororganisation NSU sich selbst enttarnt hatte. Seit Jahren läuft in München der Prozess gegen Beate Zschäpe und Co. wegen Beteiligung an einer lange unaufgeklärten Mordserie an Migranten (sowie einer deutschen Polizistin). Wer wisse denn, ob die Tat an Burak B. nicht in ein ähnliches Schema passe? Passten nicht die tödlichen Schüsse auf den englischen Studenten Luke Holland im September 2015 vor einer Bar in der Ringbahnstraße in Neukölln ebenfalls ins Bild? Und ist jemals ausreichend ermittelt worden, ob der dafür zu elf Jahren und sieben Monaten Haft verurteilte Waffennarr und Ausländerhasser Rolf Z. nicht doch auch der Mörder von Burak B. gewesen sein könnte? Viele Fragen, zu wenige Antworten.
Sicher ist nur, dass die Stimmung im Bezirk aufgeheizt ist. Schon die Beerdigung Buraks führte zu einem Trauermarsch von rund 2000 Berliner Türken auf dem Columbiadamm. Seitdem gibt es regelmäßig Demos und Mahnwachen.
Ebenso sicher ist, dass der Tatort als Gedenkort nicht sonderlich geeignet ist, weil er an der vielbefahrenen Rudower Straße liegt. Einige Meter weiter, an der Kreuzung Möwenweg, befindet sich eine kleine, unbebaute Grünfläche, ein sogenanntes Straßenbegleitgrün, über das der Bezirk Neukölln entscheiden kann. Diese Fläche soll nun umgestaltet werden. Geplant sind neben der Statue auch Sitzmöglichkeiten und Wege.
Nach Worten von Helga Seyb von der Mahnmalsinitiative soll der Ort sowohl für stilles Gedenken als auch für weitere Mahnwachen geeignet sein. Nur eines soll er keinesfalls tun: Von der Suche nach den Tätern ablenken. „Die Familie lebt seit Jahren in der Ungewissheit. Sie hat ein Recht auf Aufklärung“, sagt Seyb.
Während die rot-grüne Zählgemeinschaft und die Linken im Bezirk den Gedenkort befürworten, gibt es Kritik von der CDU. Ihr missfällt die „politische Vereinnahmung“, wie sie es nennt, einer nicht aufgeklärten Tat. Eine Verbindung zum Rechtsradikalismus sei nicht erwiesen. Wenn schon, dann könnte „das Gedenken an Burak B. eingebettet werden in ein berlinweites Mahnmal für die Opfer ungeklärter Morde“, sagt Fraktionschef Gerrit Kringel. „So geht’s jedenfalls nicht.“
Helga Seyb hält dagegen. „Wir wollen das Mahnmal einbetten in das Gedenken an andere rassistische Morde“, sagt sie. Und im Übrigen: „Wir bestimmen, was da gemacht wird.“
Solche Aussagen werden der kommunalen AfD nun gar nicht gefallen. Sie möchte vom Bezirksamt zunächst einmal wissen, wie viele gewaltsame Todesfälle es in den Jahren 2015 und 2016 überhaupt gegeben habe – „und wie viele davon jeweils auf links- beziehungsweise rechtsgerichtete Gewalt sowie auf Banden- und Clangewalt“ zurückgingen. Und dann fragt sie: „In wie vielen Fällen und für wen wurden bei Mord und Totschlag in den letzten fünf Jahren Gedenkorte errichtet?“ Die Antworten stehen noch aus.