Berlin Tegel: Die Schließung des Flughafens rückt näher
Sollten einige „Tegel-Retter“ aus Berlin noch Hoffnung gesetzt haben in den Egoismus des Nachbarlands Brandenburg, so müssen sie diese jetzt begraben: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ließ am Montag keinerlei Zweifel daran, dass seine rot-rote Landesregierung einen Weiterbetrieb des Berliner City-Airports Tegel auch dann ablehnt, wenn er Entlastung für lärmgeplagte Anwohner des künftigen BER im brandenburgischen Schönefeld bedeuten würde.
Bei dem Thema Lärmbetroffenheit sei im Planfeststellungsbeschluss – der Baugenehmigung für den Flughafen BER als einzigem Airport der Region – ausführlich zwischen den Belastungen in Berlin und denen in Schönefeld und Umgebung abgewogen worden, sagte Woidke nach der gemeinsamen Kabinettssitzung mit dem rot-rot-grünen Senat in Potsdam. Aber sind ihm Brandenburger nicht näher als die Berliner? „Mir ist wichtig, dass sich die Region insgesamt gut entwickelt“, antwortete Woidke fast salomonisch.
„Es gibt keine veränderte Haltung Brandenburgs“
Damit rückt die Schließung Tegels, die ein Berliner Volksentscheid im September mit gut 56 Prozent der Stimmen abgelehnt hatte, ein weiteres Stück näher. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte das Thema Tegel-Weiterbetrieb am Montag in der gemeinsamen Sitzung angesprochen – und stellte nun fest: „Es gibt keine veränderte Haltung Brandenburgs.“
Sein Senat aus SPD, Linken und Grünen will Tegel bekanntlich ohnehin schließen. „Wir sehen große juristische und finanzielle Risiken“, sagte Müller. Er hatte aber nach dem gegenteiligen, wenn auch nicht verbindlichen Volksvotum eine „sorgfältige Prüfung“ zugesagt. Sie hätte aber unabhängig vom Ergebnis keine Folgen, wenn die beiden Flughafen-Mitgesellschafter Brandenburg und Bund nicht mitziehen.
Der vom Senat beauftragte unabhängige Tegel-Gutachter Stefan Paetow, ein ehemaliger Bundesrichter und Verkehrsrechtsexperte, wird seine Analyse der juristischen Konsequenzen einer Offenhaltung nach Aussage von Müller erst im Januar vorlegen. Sollten sich dann tatsächlich Optionen für einen Weiterbetrieb ergeben, erläuterte der Regierende Bürgermeister am Montag, würde Berlin erneut Brandenburg konsultieren, um das Thema anzusprechen und „gegebenenfalls neu zu entscheiden“.
Allein: Nach den mehrfachen Stellungnahmen des Bundes und Brandenburgs, am Single-Flughafen BER festzuhalten, gibt es dafür wenig Raum.
„Das ist kein Kuhhandel“
In Sachen Fluglärm hatte Brandenburg schon vor gut einer Woche um erneute Prüfung gebeten, ob das bisher geplante, strenge Nachtflugverbot am BER von null bis fünf Uhr nicht bis sechs Uhr morgens ausgeweitet werden könne. Die Flughafengesellschaft FBB prüft dies nun auf Veranlassung ihrer drei Anteilseigner, insbesondere geht es um die wirtschaftlichen Konsequenzen.
Woidke lobte diesen Schritt am Montag ausdrücklich. Berlin komme Brandenburg sehr entgegen, sagte der Ministerpräsident. Bisherige Versuche in diese Richtung waren komplett gescheitert, obwohl es in Brandenburg 2014 ein Volksbegehren für mehr Nachtruhe gegeben hatte, das der Landtag dann übernahm.
Bahnt sich da also etwa eine Einigung im beiderseitigen Interesse an? Etwa so: Brandenburg lehnt konsequent die Tegel-Offenhaltung ab und bekommt dafür ein bisschen mehr Nachtruhe, wenigstens aber eine wohlwollende Prüfung? „Nein“, sagte Berlins Senatschef Michael Müller. Es gehe insgesamt darum, einen Kompromiss zwischen teils widersprüchlichen Interessen zu finden. „Das ist kein Kuhhandel.“
Entscheidung von einer Million Berlinern pro Offenhaltung
Der Regierende stellte auch klar, dass er keinesfalls – wie von den Tegel-Offenhaltern aus FDP, AfD und CDU erwogen – die gemeinsame Landesplanung mit Brandenburg einseitig kündigen werde, um dann von Berlin aus weiter mit Tegel zu planen, wenn Brandenburg nicht zustimmen wolle. „Das wird es mit mir nicht geben.“ Die Region brauche dringend die enge Abstimmung in der Regionalentwicklung, insbesondere was Mobilität und Wohnen angehe. „Die gemeinsame Landesplanung hat einen hohen Wert.“
Die beiden Kabinette verabredeten am Montag denn auch, die bisherigen Siedlungsstrukturen entlang der vorhandenen Schienenwege im Umland fortzusetzen und einen „Wildwuchs“ zu verhindern. Neu in den Plan sollen drei weitere Siedlungsachsen – von Berlin aus nach Nordwest (Oberkrämer) und Nordost (Wandlitz und Werneuchen) – aufgenommen werden.
Die Ergebnisse der gemeinsamen Kabinettssitzung stießen bei Berlins Tegel-Befürwortern aus FDP und CDU auf scharfe Kritik. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja sagte, die Entscheidung von einer Million Berliner pro Offenhaltung werde vom rot-rot-grünen Senat „verächtlich abgetan“. Müller habe eine weitere Bewährungsprobe nicht bestanden, obwohl die Gelegenheit zur Kurskorrektur ideal gewesen sei.
Auch CDU-Amtskollege Florian Graf zeigte sich enttäuscht. Statt handfeste Maßnahmen für eine dauerhafte Offenhaltung Tegels in die Wege zu leiten, spiele der Regierende Bürgermeister auf Zeit. Müller untergrabe so den Glauben in eine handlungsfähige Politik, die den Bürgerwillen ernst nehme, sagte Graf. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Frank-Christian Hansel, warf Müller vor, den erklärten Willen der Berliner zu ignorieren. Er forderte einen Sonderausschuss zur Offenhaltung Tegels im Abgeordnetenhaus.