Exklusiv-Umfrage: Ein Drittel der Berliner fühlt sich im Kiez unsicher - Polizeipräsidentin äußert sich nicht
Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Berliner Zeitung ermittelte das Sicherheitsgefühl der Menschen – und wie wenig die Berliner ihrer Polizei vertrauen.

Echte und gefühlte Sicherheit sind verschiedene Dinge. 68 Prozent der Berliner Wahlberechtigten fühlen sich abends in ihrem Bezirk sicher.Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Berliner Zeitung.
Die Forsa-Forscher sehen eine „im Vergleich mit anderen Städten äußerst geringe Zahl“.
Als Vergleich zieht Forsa Bonn heran, wo sich 93 Prozent sicher fühlen. Im Ostteil Berlins fühlen sich dagegen laut Umfrage nur 65 Prozent der Befragten sicher und im Westteil 71 Prozent.
Männer fühlen sich mit 70 Prozent etwas sicherer als Frauen (67 Prozent). Von den Anhängern der SPD wähnen sich in ihrem Bezirk 72 Prozent in Sicherheit, bei den Grünen sind es 87 und bei der Linkspartei 86 Prozent.
Anders sieht es bei Sympathisanten der Oppositionsparteien aus. Bei der CDU fühlen sich 66 Prozent der Befragten in ihrem Bezirk sicher und bei der FDP sogar 80 Prozent. Mehrheitlich nicht sicher fühlen sich Anhänger der AfD.
Dass echte und gefühlte Sicherheit sich mitunter umgekehrt zueinander verhalten, zeigt sich bei der Befragung verschiedener Altersgruppen. Am sichersten fühlen sich junge Menschen im Alter zwischen 18 und 29 Jahren. Dabei ist das die Altersgruppe, in der es die meisten Opfer von Gewaltkriminalität gibt. Laut aktueller „Berliner Polizeilicher Kriminalstatistik“ sind von 100.000 Einwohnern mehr als 2200 Menschen dieser Altersgruppe von „Straftaten gegen die persönliche Freiheit und körperliche Unversehrtheit“ betroffen.
In Berlin vertrauen 61 Prozent der Befragten der Polizei, in Bayern 85 Prozent
Bei der Altersgruppe ab 60 Jahren sind es „nur“ 561. Hier ist das Unsicherheitsgefühl allerdings größer: Laut Forsa fühlen sich 62 Prozent der Befragten über 60 Jahre nicht sicher. Gleichwohl besteht auch für ältere Leute kein Grund, weniger vorsichtig zu sein. Denn gerechnet auf die 3,8 Millionen Einwohner Berlins sind das immer noch rund 21.300 Gewaltdelikte pro Jahr gegen ältere Menschen. Oder anders ausgedrückt: mehr als 58 Übergriffe pro Tag.
Gefragt wurde auch zum Sicherheitsgefühl in Bus und Bahn. Nur 23 Prozent der Befragten würden ihren minderjährigen Kindern erlauben, in Berlin nachts mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Frauen (17 Prozent) sind in dieser Hinsicht viel besorgter als Männer (28 Prozent).
„Das mangelnde Sicherheitsgefühl der Berliner belegt im Übrigen auch, dass im regelmäßig von Forsa durchgeführten Institutionen-Vertrauensranking nur 61 Prozent der Berliner Vertrauen in die Polizei haben“, resümieren die Forscher.
Die Polizei sei dabei normalerweise die Institution, zu der die Bundesbürger insgesamt nach der Ärzteschaft das größte Vertrauen hätten. „In ganz Deutschland und in Hamburg haben jeweils 81, in Bayern gar 85 Prozent großes Vertrauen zur Polizei.“
Bodo Pfalzgraf: „Der Vertrauensverlust wurde rufschädigend herbeigeredet“
Polizeipräsidentin Barbara Slowik will sich vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus zu den Ergebnissen der Umfrage nicht äußern.
Anders dagegen der Berliner Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Bodo Pfalzgraf, der das Vertrauensgefälle in Deutschland als eindeutig und den Vertrauensverlust in die Berliner Polizei als besorgniserregend bezeichnet. Pfalzgraf sieht dafür zwei Ursachen: „Dieser Vertrauensverlust wurde durch eine breite politische Front von staatsfernen Protagonisten systematisch und rufschädigend herbeigeredet. Vertrauen entsteht in einem sicherheitspolitischen Zweiklang von polizeilichen Ermittlungen und zeitnahen sowie spürbaren Justizentscheidungen.“ Dieser sei in Berlin seit Langem gestört, so Pfalzgraf. „Denn es fehlen Personal und Ausstattung auf beiden Seiten. Und das merken die Menschen in Berlin.“
Eine seriöse wissenschaftliche Befragung zum Stand des subjektiven Sicherheitsgefühls der in Berlin lebenden Menschen müsse künftig eine Verpflichtung für jede Innensenatorin sein, so Pfalzgraf. „Und das jährlich.“
Für die Forsa-Umfrage wurden vom 30. Januar bis 3. Februar 1005 nach einem systematischen Zufallsverfahren ausgewählte Wahlberechtigte ab 18 Jahre befragt. Die ermittelte Fehlertoleranz liegt bei +/- 3 Prozentpunkten.