Burgermeister: Sebastian Czaja von der FDP verteilt gratis McDonald’s-Burger in Zehlendorf

Es läuft nicht für die FDP. Also greift sie zum simpelsten aller Mittel: Bestechung. In Zehlendorf lädt sie zu Burger und Pommes bei McDonald’s.

Sebastian Czaja mit Fans vor einem McDonald’s in Berlin-Zehlendorf
Sebastian Czaja mit Fans vor einem McDonald’s in Berlin-ZehlendorfPaul Gäbler

Es ist Freitagnachmittag und Sebastian Czaja, Spitzenkandidat der Berliner FDP, sitzt umringt von seinen Fans im McDonald’s an der Zehlendorfer Clayallee und versucht, Burgernähe herzustellen. Nicht zu den Wählerinnen und Wählern, das gelingt ohnehin schon ganz gut, sondern zu einem Cheeseburger, den er gerade aus dem dünnen Papier befreit.

Er habe noch fast nichts gegessen, hatte er kurz vorher erklärt, als ich ihn um ein Foto mit Burger gebeten habe. Also setzt er sich kauend zu den anderen gut gekleideten Teenagern an den Tisch und hört zu. Zumindest für ein paar Minuten, dann muss er weiter zur nächsten Gruppe, die sich bereits nach einem Selfie erkundigt hat. Redebedarf gibt es in der Stadt eben immer.

Wer hat, der hat, lautet eine alte Zehlendorfer Weisheit

Es ist Wahlkampf, schon wieder. Und weil es nicht so wirklich läuft für die Liberalen, nutzt man die volle Bandbreite – auch einfache Bestechung. Von 15 bis 17 Uhr werden hier 500 Coupons verteilt, mit denen man Anrecht auf zwei Cheeseburger sowie eine kleine Pommes mit Getränk erhält.

Die Schlange reicht zwischenzeitlich bis auf die Straße und Czaja befürchtet, die vorbereiteten Gutscheine könnten nicht reichen. Was mache man mit dem 501. Bewerber? „Dem gebe ich den Cheeseburger persönlich aus“, verspricht der 39-Jährige. Hier wird niemand zurückgelassen. Ungefähr 4000 Euro werden hier an einem Nachmittag unters Volk gebracht. Wer hat, der hat, lautet eine alte Zehlendorfer Weisheit.

Schmeckt es? Sebastian Czaja bei McDonald’s.
Schmeckt es? Sebastian Czaja bei McDonald’s.Paul Gäbler

Die richtige Gegend für die FDP

Als Zehlendorfer kennt man diesen Ort natürlich und auch ich habe zwangsläufig mindestens einmal meinen Fuß in diese Filiale gesetzt, einfach schon, weil es nicht so viel anderes gibt, was man in Zehlendorf machen könnte. Außer vielleicht noch in die Innenstadt hineinzufahren.

Gegend und Restaurant sind für den heutigen Anlass natürlich nicht zufällig gewählt. Das goldene M, so alltäglich wie abstoßend, bekannt für minderwertiges Essen zu überzogenen Preisen, wird hier für die FDP zu Bekenntnis und Mittelfinger zusammen. Bekenntnis zum sogenannten kleinen Mann, dem die FDP für gewöhnlich kurz vor einer Wahl besonders imponieren möchte. Der Mittelfinger aber geht Richtung links-grüne Berliner Blase, die im A-Bereich der Stadt wohnt und um McDonald’s sonst nur naserümpfend einen Bogen macht.

„Wir müssen dahingehen, wo die Leute sind“

Er hätte auch lieber andere Läden bevorzugt, erklärt mir Tobias Bauschke, der sich erneut als Direktkandidat für Dahlem bewirbt. Die Auswahl in Steglitz-Zehlendorf sei eben nicht so wie in der Innenstadt. Er finde Burgermeister auch persönlich leckerer. „Wir müssen dahingehen, wo die Leute sind“, sagt Sebastian Czaja und manchmal sei das eben ein McDonald’s-Restaurant in der Vorstadt. Wirklich zu fassen bekommt man ihn an diesem Tag nicht, generell sind Politiker im Wahlkampf meistens in einer anderen Welt unterwegs.

„Bist du der von dem Plakat?“, fragt jemand und Czaja nickt beflissen. Die Nachfrage nach Selfies und Gesprächen ist teilweise so groß, dass sich neben der Schlange zum Restaurant eine um den hageren Mann selbst bildet.

Sebastian Czaja teilt Autogramme aus.
Sebastian Czaja teilt Autogramme aus.Paul Gäbler

Er will mit der CDU regieren

Er hat sich eine dankbare Gegend für sein Bad in der Menge ausgesucht, hier in der gutbürgerlichen Ecke Berlins, wo Teenager gerne mal im Anzug in der Schule erscheinen. Jetzt stehen sie hier vor ihm, versprechen hoch und heilig die FDP zu wählen, wenn sie 18 sind, und fragen höflich, wann Cannabis nun legal werde und ob sie noch einen zweiten Gutschein haben könnten. Sei das nicht rausgeschmissenes Geld, so jungen Menschen einen Gutschein zu geben? Nein, findet Czaja. Das sei gut angelegt. „Und BVV-Wahlen haben wir ja auch.“ Außerdem sei die FDP ohnehin dafür, dass Wahlalter auf 16 abzusenken.

Die Stadt, in deren östlichstem Zipfel er aufgewachsen sei, habe Probleme an allen Ecken und Enden und mit ihm, so verspricht er, würde alles anders laufen. Sein präferiertes Modell sind eine Ampel oder eine Deutschland-Koalition, auf jeden Fall zusammen mit der CDU, die in Umfragen an erster Stelle steht.

Und wie sieht es mit der Grundsteuer aus?

Wirklich gut sieht es für seine Partei allerdings nicht aus. Laut Umfragen könnte die FDP knapp die Fünf-Prozent-Hürde knacken. Noch in den Neunzigerjahren war die FDP-Fraktion für mehrere Jahre nicht existent und gerade einmal zehn Jahre ist es her, dass die FDP mit 1,8 Prozent aus dem Abgeordnetenhaus flog. Unter Czaja gelang ihr das Comeback. Nun ist er zum Siegen verdammt. Ein weiteres Debakel kann sich die Partei aktuell nicht erlauben.

„Politik muss rauskommen aus seinen staubigen Ecken, Gelegenheiten schaffen“, sagt Sebastian Czaja und heute sei eben so eine Gelegenheit, dann dreht er sich erneut um und ist im nächsten Gespräch. Wie das mit der Grundsteuer aussehe, fragt ihn eine ältere Dame, die nicht damit gerechnet hatte, hier einen FDP-Politiker zu treffen. Czaja sagt: „Kümmern wir uns drum.“ Und drückt ihr beim Weitergehen einen Gutschein in die Hand.

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